Verkauf von Lebensversicherungen gegen Stundung oder Ratenzahlung: Das riskante Geschäft

Der Niedrigzins setzt dem Geschäft der Lebensversicherer zu. Je tiefer aber die Zinsen für Neuabschlüsse sinken, desto mehr wecken lukrative Altverträge das Interesse findiger Unternehmen: Seit Jahren schon blüht ein lukrativer Zweitmarkt für Lebensversicherungen.

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Vor Jahren schon aber warnten auch die Rechtsexperten Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm beim Versicherungsboten: Kundenrisiken und damit auch Haftungsrisiken für Makler sollten nicht unterschätzt werden. Denn einige Unternehmen kaufen Policen gegen Ratenzahlung oder spätere Zahlung – bis zum Erhalt des Kaufpreises allerdings trägt der Kunde das volle Insolvenzrisiko des Unternehmens.

Oft agieren die Gesellschaften zudem ohne Genehmigung der Finanzaufsicht – das Anlegermodell unterliegt dann einer fremden Rechtsordnung. Ob der Versicherungsnehmer das versprochene Geld für seine Policen tatsächlich erhält, steht letztendlich in den Sternen.

Der Makler sollte dokumentieren: Der Kunde hat sich über Bedenken hinweggesetzt

Und doch: Immer wieder rieten Makler in der Vergangenheit zu einem solchen Geschäft. Berät aber ein Makler zu Verkäufen mit Ausfallrisiko, sollte er Beratungs- und Dokumentationspflichten besonders ernst nehmen: Er sollte über die hohen Risiken, aber auch Alternativen zu einem solchen Geschäft deutlich aufklären. Und der Makler sollte seine Beratung auch gerichtsfest dokumentieren. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden vom 29.01.2019 (Az.: 4 U 942/17).

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Denn eine gute Beratung zu riskanten Geschäftsmodellen weckt Bedenken. Und der Makler ist nur dann aus der Haftung, wenn er beweisen kann: Der Kunde hat sich trotz guter Beratung über die Bedenken hinweggesetzt. Gelingt aber dem Makler ein solcher Beweis nicht, trägt er letztendlich den Schaden des Kunden – und zwar im vollen Umfang des getätigten Geschäfts.

Rechtsstreit dank Ausfallrisiko: Versicherungsnehmer tolerierte lange Stundung

Um was ging es konkret bei dem Rechtsstreit, über das der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden urteilen musste? Ein Mann brauchte Geld für eine geplante Sanierung seines Hauses. Aus diesem Grund suchte er seinen Makler auf und wollte sich zu Möglichkeiten beraten lassen, Ansprüche aus mehreren Lebensversicherungen in bares Geld umzuwandeln. Grundlage des Beratungsgesprächs war ein Versicherungsmaklervertrag. Auf Rat des Maklers verkaufte der Versicherungsnehmer in der Folge drei seiner Lebensversicherungen an eine Aktiengesellschaft.

Freilich: Der Finanzierungsbedarf schien zeitliche Flexibilität zu ermöglichen. Denn der Versicherungsnehmer akzeptierte bis zum Erhalt des Kaufpreises einen beachtlichen Stundungszeitraum von immerhin sechs Jahren. Es kam, wie es kommen musste: Die aufkaufende Gesellschaft wurde zahlungsunfähig, für die Insolvenz griff zudem eine ausländische Rechtsordnung. Der Versicherungsnehmer verlor in der Folge alle seine Ansprüche aus den Leben-Policen und musste außerdem den Totalausfall seiner Forderungen verkraften.

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Aus diesem Grund klagte nun der Geschädigte gegen den Makler auf Schadenersatz und machte hierfür einen Beratungsfehler geltend. Insgesamt 54.256 Euro zuzüglich Zinsen sollte der Makler nun zahlen. Und der Makler musste zahlen – denn nachdem die Klage noch in erster Instanz durch das Landgericht Leipzig abgewiesen wurde (Az. 02 O 3922/15), hatte der Versicherungsnehmer in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Dresden Erfolg.

Kapitallebensversicherungen aus Sicht des Gerichts: Das besondere Beratungsbedürfnis

In Berufung musste das Oberlandesgericht für sein Urteil entscheiden, ob der Makler seine Beratungs- und Dokumentationspflichten verletzt hatte. Zunächst führte das Gericht hierfür aus, was der Makler im Beratungsgespräch eigentlich hätte leisten müssen. Laut Paragraph 61 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist die Komplexität des Versicherungsvertrags bei der Beratung zu berücksichtigen. Kapitallebensversicherungen sind zudem laut Gericht "besonders beratungsbedürftige Versicherungsverträge“. Berät ein Makler zu solchen Verträgen, muss er laut Gericht seine Kunden auch „regelmäßig auf die Folgen und Risiken der vorzeitigen Kündigung" hinweisen.

Der Makler hätte über Alternativen zum Verkauf beraten müssen – Beitragsfreistellung, Darlehen, Kündigung

Und mehr noch: Verschlechtert sich die finanzielle Situation eines Kunden, muss über Möglichkeiten aufgeklärt werden, darauf zu reagieren. Das ergibt sich aus der langfristigen Laufzeit der Verträge. Denn Situationen des Kunden können sich mit der Zeit verändern, und zwar auch zum Schlechten. Sucht dann ein Kunde Rat bei einem Makler, muss der Makler in genügendem Umfang Möglichkeiten aufzeigen, auf die neue Situation zu reagieren.

So hätte der Makler auch über Alternativen zum gewählten Verkauf der Policen aufklären müssen. Das Gericht benennt ganz konkrete Alternativen, zu denen es Rat erwartet hätte – die Möglichkeit einer Beitragsfreistellung zur Reduzierung der Beitragslast, die Aufnahme von Policendarlehen (und damit ein gewährtes Darlehen auf die Versicherungssumme der Policen) oder die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung der Lebensversicherungsverträge.

Der Makler hätte zum einen diese Möglichkeiten erwähnen, zum anderen auch Vor- und Nachteile dieser Alternativen benennen müssen. Nur durch eine solche Beratungsleistung hätte der Makler laut Darstellung des Gerichts seine Pflichten gemäß Paragraph 61 VVG erfüllt und wäre demnach nicht gemäß Paragraph 63 VVG zu Schadenersatz verpflichtet.

Verstoß gegen Dokumentationspflichten führt zu Beweislastumkehr

Nun ist grundsätzlich zunächst der Versicherungsnehmer als Kunde in der Beweispflicht, wenn er unter Berufung auf Paragraph 63 VVG Schadensersatz begehrt: Er muss darzulegen und beweisen, dass der Versicherungsvermittler seine Beratungspflicht verletzt hat. Jedoch: Dem betroffenen Kunden vor dem Oberlandesgericht kam – als Kläger – zugute, dass der Makler gegen die ihm obliegenden Dokumentationspflichten verstieß.

Hätte doch der Makler laut Gericht a) seinen Rat und Gründe hierfür dokumentieren müssen und b) ein entsprechendes Schriftstück dem Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss übermitteln müssen. Das allerdings ist nicht erfolgt.

In solchen Fällen billigt das Gericht dem klagenden Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen zu. Das kann – wie im verhandelten Fall – sogar bis zur Beweislastumkehr geschehen: Der Makler muss dann vor Gericht beweisen, dass der Schaden auch bei korrekter Beratung und Dokumentation eingetreten wäre und der Kunde trotz der Risiken das Geschäft getätigt hätte.

Ausreichende Beratung hätte Zweifel wecken müssen

Dass die Beweislast nun umso schwerer auf den Schultern des Maklers lastete, begründet sich auch durch den besonderen Charakter des riskanten Geschäfts. Musste der Makler doch aufgrund der Beweislastumkehr nun vor Gericht beweisen: Der Kunde hätte auch bei korrekter Beratung seine Lebensversicherungen an die Gesellschaft verkauft und ein langes Ausfallrisiko des Kaufpreises in Kauf genommen – der Kunde hätte sich demnach trotz ausreichender Aufklärung bewusst über Bedenken hinweggesetzt.

Das aber konnte der Makler dem Gericht nicht glaubhaft machen. Denn zum einen wollte der Versicherungsnehmer ja den Finanzierungsbedarf einer Haussanierung decken – schon dies sprach gegen ein unklares Geschäftsmodell, wie der Makler es seinem Kunden anbot. Zum anderen wurde dem Makler vor Gericht aber auch die Provisionshöhe zum Verhängnis.

Provisionshöhe spricht gegen Makler

Schreibt doch das Gericht: Auch "im Hinblick auf die Provisionszahlung" an den Makler in Höhe von 15 Prozent sowie "auf die wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren hohen Renditen“ würde nichts dafür sprechen, dass der Versicherungsnehmer bei angemessener Beratung seine Lebensversicherungen verkauft hätte.

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Weil demnach aus Sicht des Gerichts der Makler seiner Beratungspflicht nicht nachkam, wurde er gemäß Paragraph 63 VVG zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Der Makler haftet hierbei für die gesamte Summe von 54.256 Euro, die bei dem Geschäft versprochen wurde (zuzüglich der Zinsen). Und der Makler trägt zudem die Kosten des Rechtsstreits. Da eine Revision nicht zugelassen wurde, gilt das Urteil als rechtskräftig.

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