Dem Vergleich von verschiedenen Rechtsschutztarifen liegen einheitliche Bewertungskriterien zugrunde. Doch diese Standardisierung entspricht selten der Realität, denn dafür sind die individuellen Lebenslagen der Verbraucher zu vielfältig: Tests bilden lediglich einen Ausschnitt ab, der nicht für jeden zutrifft. Wer einen passgenauen Rechtsschutz haben möchte, kommt um eine persönliche Analyse nicht herum – und sollte die pauschalen Testergebnisse aus der Betrachtung seiner eigenen Lebenslage heraus hinterfragen.

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Sven Nebenführ ist Versicherungsmakler in Taunusstein bei Wiesbaden.VersicherungskonzeptIn der jüngsten Ausgabe 05/2020 untersucht die Stiftung Finanztest 49 Rechtsschutzpakete von 23 Rechtsschutzversicherern und bewertet 20 Pakete mit „gut“. Doch wie verlässlich ist dieses Testurteil wirklich?

Passt der Standard auf meine Lebenslage?

Das Dilemma dieser Testurteile ist die dazu notwendige Standardisierung, denn um die Vergleichbarkeit der Versicherungstarife sicherzustellen müssen zuvor feste Kriterien definiert werden. Doch bei der Wahl einer Rechtsschutzversicherung sind individuelle Lösungen gefragt, denn der tatsächliche Bedarf, abhängig von der jeweiligen Lebenssituation, variiert zum Teil erheblich. „Es geht weniger um ‚gut‘ oder ‚nicht gut‘, sondern um die Fragen ‚was brauche ich?‘ und ‚welcher Tarif passt auf meine aktuelle Lebenslage?‘“, erklärt Versicherungsmakler Sven Nebenführ, der sich in seiner Branche als Rechtsschutz-Experte etabliert hat. „Pauschale Bewertungssysteme helfen da nicht weiter.“

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Das wissen auch die Tester. Deshalb definieren sie zunächst ein Testprofil. In dem aktuellen Rechtsschutztest ist es eine Familie mit zwei Kindern. Der Versicherungsnehmer ist 40 Jahre alt und arbeitet als Angestellter. Das Profil passt auf viele Bundesbürger, mit Sicherheit jedoch nicht auf die Gesamtheit aller Personen, die sich für einen Rechtsschutz interessieren. Die Frage, die sich daraus ergibt, liegt auf der Hand: Gilt die Bewertung noch, wenn einer der gewählten Parameter nicht zutrifft? „Was ist, wenn Sie nicht angestellt, sondern selbstständig sind?“, hinterfragt der Rechtsschutz-Experte. Einen Berufsrechtsschutz benötigten zwar beide, jedoch unterschieden sich die darin enthaltenen Leistungsarten erheblich voneinander. Der Prüfung würden jedoch nur die Leistungsarten für Angestellte unterzogen. „Sie wissen also nicht, ob die gut platzierte Versicherung für Sie als Selbstständiger ebenso empfehlenswert ist.“

Sonderklauseln bleiben Außen vor

Um den Umfang der zu untersuchenden Rechtsschutzversicherungspakete zu begrenzen und die Vergleichbarkeit der einzelnen Leistungen sicherzustellen, legt die Stiftung Finanztest bestimmte Auswahlkriterien fest. Getestet werden Pakete für die Lebensbereiche Privat, Beruf und Verkehr, die ausschließlich Standard-Leistungsarten enthalten und bei einer Selbstbeteiligung zwischen 150 und 250 Euro liegen. Nicht betrachtet werden Sonderklauseln, wie zum Beispiel der Spezialstrafrechtsschutz (SSR), der bei dem Vorwurf einer angeblich vorsätzlich begangenen Straftat greift und eine freie Honorarvergütung für Anwälte beinhaltet, oder ergänzende Bausteine wie der Bauherrenrechtsschutz, der Eherechtsschutz oder der Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz. Wer plant, ein Haus zu bauen oder zu kaufen, für den könnten einige dieser Sonderklauseln beim Abschluss einer Rechtsschutzversicherung von Interesse sein. Diese Klauseln sind jedoch nicht Bestandteil der getesteten Rechtsschutzpakete.

„Bei einer vorhergehenden persönlichen Analyse geht es für meine Mandanten auch darum, sich bewusst für oder gegen eine Leistung zu entscheiden und ihre eigenen Prioritäten setzen“, erklärt Nebenführ. „Es kommt durchaus vor, dass sich ein Mandant, obwohl ein Hausbau ansteht, gegen einen Bauherrenrechtsschutz entscheidet. Das tut er dann aber bewusst, und nicht in dem Glauben, seine gut bewertete Rechtsschutzversicherung beinhalte diese Sonderklausel.“

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Ausschlussklauseln im Fokus

Beim Vergleich der Rechtsschutzversicherungspakete legten die Prüfer besonderes Augenmerk auf die Ausschlussklauseln. In der Tat gibt die zeitliche Festlegung des Rechtsschutzfalls den Ausschlag, ob die Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt oder nicht. Was viele nicht wissen: Der „Kostenschutz“ bleibt in den meisten Fällen erhalten. Geschützt sind diejenigen, deren Verträge bei einem Versicherungswechsel zeitlich nahtlos aneinander anschließen. Denn der Versicherer des vorhergehenden Vertrages haftet bis zum Ende des zweiten Kalenderjahres ab Kündigungsdatum. Wer bei seiner Rechtsschutzversicherung länger als fünf Jahre ist, für den gilt in vielen Tarifen ebenfalls der Versicherungsschutz in der Vergangenheit. „Das bieten nicht alle Versicherungstarife an, aber die meisten. Nachfragen lohnt immer“, empfiehlt Rechtsschutz-Experte Nebenführ. Ausgeschlossen sind diejenigen, die zum ersten Mal eine Rechtsschutzversicherung abschließen.

„Grundsätzlich sollte jeder, der eine Versicherung abschließen möchte, zunächst seine Lebenslage analysieren und seine Bedürfnisse priorisieren“, rät Nebenführ. Testurteile wie die der Stiftung Finanztest oder auch Vergleichsrechner dienten bestenfalls der Orientierung. Empfehlenswert sei es auch, von Zeit zu Zeit seine bestehenden Versicherungen zu überprüfen, ob sie noch mit der aktuellen Lebenssituation übereinstimmen. Denn im Gegensatz zu den festen Kriterien einer Testumgebung verlaufe das Leben nicht stabil, sondern dynamisch: „Weil sich jeder Mensch vom anderen unterscheidet und sich unsere Lebensumstände permanent verändern, gibt es auch keinen ‚Rechtsschutz-Standard‘.“

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