Möglichkeiten zur Beeinflussung der Kodierung von Krankheiten bestehen noch immer. Nicht zuletzt durch Verträge, die eine besondere Vergütung der Ärzte für eine zielgenaue Kodierung vorsehen. Interessant ist, dass diese Verträge ausschließlich Morbi-RSA-relevante Krankheiten erfassen und nach Abschluss dieser Verträge die betroffenen Krankheiten sprunghaft zugenommen haben. Die Vergütungsanreize, wie derzeit geplant, dennoch nicht zu verbieten, halte ich für einen Fehler.

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mit dem Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz weitere Manipulationen erschweren: zum Beispiel dadurch, dass die viel diskutierte Risikostrukturausgleich Morbi-RSA auf alle Krankheiten ausgeweitet wird und nicht, wie bisher, schwerpunktmäßig 80 Krankheiten mit finanziellen Anreizen „belohnt“. Eine Manipulationsgrenze könnte darüber hinaus dafür sorgen, dass bei auffälligen Diagnosen, etwa einer auffälligen Häufung, gar kein Geld mehr fließt. Aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg, um Fehlanreize abzubauen? Oder werden neue geschaffen?

Aus meiner Sicht sind sämtliche Maßnahmen, die auf die Beendigung der Manipulationen abzielen, richtig. Hoffentlich werden sie dann auch zeitnah umgesetzt. Einzig die darüber hinaus gehende Ausweitung des Morbi-RSA auf alle Krankheiten halte ich für den falschen Weg. Diese Maßnahme erzeugt noch mehr Bürokratie und Aufwand. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie dann Manipulationen in der Breite aufgedeckt und geahndet werden sollen. Ein konsequentes Verbot bestimmter Verträge sowie klar definierte Kodier-Richtlinien zusammen mit einer strukturierten Dokumentationspflicht der Ärzte wären hier aus meiner Sicht der bessere Weg gewesen.

Daran anknüpfend: Im PKV-System erhalten die Patient*innen eine Rechnung vom Arzt mit den Kosten und der Diagnose. Warum nicht bei den Krankenkassen? Würde das die Transparenz aus Ihrer Sicht erhöhen?

In der GKV gilt das Sachleistungsprinzip. Von daher lässt sich dies bei den Krankenkassen nicht umsetzen. Bereits heute können gesetzlich Versicherte aber bei einigen Krankenkassen eine elektronische Patientenquittung abrufen, auch bei unserer BKK WIRTSCHAFT & FINANZEN. Künftig wird diese als Teil der elektronischen Patientenakte sogar einheitlich verpflichtend allen gesetzlich Versicherten zur Verfügung stehen. Die Frage aber ist, ob die Versicherten dies überhaupt in Anspruch nehmen wollen. Sicher gibt es auch andere Wege, die Transparenz für Versicherte zu erhöhen, beispielsweise über Eigenanteile. Das wäre aber ein sehr komplexes Thema, das eingehend diskutiert werden müsste.

Aktuell gibt es 105 verschiedene Krankenkassen in Deutschland. Helfen könnte bei einer Kostensenkung, wenn deutlich mehr Kassen fusionieren und wenn die Zahl der Anbieter eingeschrumpft wird. Aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg? Gibt es hier Widerstände?

Diese Ansicht teile ich gar nicht. Der Gesetzgeber hat sich wiederholt für das gegliederte Krankenkassensystem und damit für Kassenvielfalt entschieden.

Obwohl für alle Krankenkassen die gleichen gesetzlichen Regelungen bestehen, hat die Kassenvielfalt mit dem damit verbundenen Wettbewerb in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass unterschiedliche Versorgungsformen und medizinischer Fortschritt entstanden sind. Zudem gehören die meisten großen Krankenkassen im Hinblick auf Verwaltungskosten zu den eher teuren Krankenkassen. Selbst, wenn von heute auf morgen nur wenige Krankenkassen bestehen würden, wäre das Einsparpotential in Form von Beitragssatzpunkten kaum messbar.

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Das Interview mit Björn Hansen führte Mirko Wenig

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