Nach Fahrraddiebstählen gibt es oft keine Spuren
Leipzig ist – wie viele andere Großstädte auch – eine Fahrraddiebstahl-Hochburg: Diese leidvolle Erfahrung musste auch der Verfasser dieser Zeilen bereits machen, nachdem ihm zwei angeschlossene Räder in kurzer Zeit geklaut wurden. Über die Gründe und Ursachen sprach der Versicherungsbote mit Polizeioberkommissar Alexander Bertram, Sachbearbeiter Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Polizeidirektion Leipzig.
- Nach Fahrraddiebstählen gibt es oft keine Spuren
- Bandenkriminalität, Klischees und Diebstahl-Prävention
Versicherungsbote: 2018 wurden in Deutschland 292.000 Fahrräder gestohlen, davon 160.000 versicherte Räder. Das sind mehr als 800 pro Tag. Was sind aus Ihrer Sicht Gründe dafür, dass so viele Fahrräder entwendet werden?
Anzeige
Alexander Bertram: Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Sicher spielen ein hohes Aufkommen an Fahrrädern, ein vorhandener Markt für gebrauchte und eben auch entwendete Fahrräder sowie unzureichende Sicherung eine Rolle. Eine abschließende Erklärung können wir hierfür nicht anbieten.
Können Sie etwas zum Langzeittrend beim Thema Fahrraddiebstahl sagen, vielleicht mit Blick auf die letzten 20 Jahre? Werden mehr/ weniger Räder gestohlen?
Die Zahl der Fahrraddiebstähle hat im gefragten Zeitraum zumindest in Leipzig stetig zugenommen, wenn auch mit Schwankungen. Um nur zwei Zahlen zu nennen: Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) stieg der Diebstahl von Fahrrädern in Leipzig von 3.996 Rädern im Jahr 2009 auf 10.027 in 2017. Allerdings sank die Zahl 2018 auch wieder auf 8.781 angezeigte Räder. Zugleich ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, weil nicht jeder Diebstahl der Polizei auch angezeigt wird.
Warum ist es so schwer, die Diebe zu überführen? Die Aufklärungsquote liegt bei „nur“ zehn Prozent. Als eine Kollegin einen Leipziger Polizisten fragte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, ihr Rad wiederzubekommen, antwortete er: „Mir wurden in kurzer Zeit drei Räder geklaut, nun bekomme ich keine Fahrradversicherung mehr!“ Das klingt fast, als habe selbst die Polizei resigniert.
Im privaten Rahmen getätigte Äußerungen von Kollegen können wir nicht kommentieren. Die Polizei hat keinesfalls resigniert. Jede Anzeige wird auch bearbeitet.
Die Großstädte sind regelrechte Diebstahl-Hochburgen: allein in Leipzig werden jedes Jahr circa 10.000 Räder entwendet. Gibt es Bestrebungen der Polizei, speziell bei Raddiebstählen mehr Fälle aufzuklären? Oder sagen Sie: andere Delikte haben Vorrang, wir brauchen erstmal eine bessere Personalausstattung?
Anzeige
Zur Aufklärungsquote ist zu sagen, dass es regelmäßig bei Fahrraddiebstählen keine Spuren gibt, die zum Täter führen. Selbst zerstörte Schlösser nehmen Diebe mit, um keine Spuren zu hinterlassen. Dies macht jede Ermittlung schwer. In den vergangenen Jahren wurde mehr Täter ermittelt, gleichzeitig sind aber die Diebstähle angestiegen. Deshalb ist die Aufklärungsquote relativ konstant. Zur Personalstärke hat sich das Innenministerium diese Woche geäußert. Ziel ist es, die Personalausstattung weiter zu verbessern, was wir begrüßen. Sachsens Innenminister Roland Wöller will damit auf neue Bedrohungs- und Gefährdungslagen u.a. durch Terror, Extremismus, aber auch Cyberkriminalität im Bundesland reagieren, was eine bessere Personalausstattung erfordere.
Bandenkriminalität, Klischees und Diebstahl-Prävention
Inwiefern spielt Bandenkriminalität beim Fahrraddiebstahl eine Rolle? Bei Autos wissen wir, dass sie teils auf Bestellung geklaut werden, es regelrechte „Lieferketten“ ins Ausland gibt. Ist es bei Rädern ähnlich?
Es ist immer wieder festzustellen, dass gestohlene Fahrräder ins Ausland transportiert werden. Die Leipziger Polizei hat in der Vergangenheit mehrfach Transportfahrzeuge angehalten, in denen bis zu 30 Fahrräder transportiert wurden. Bandenkriminalität spielt hier durchaus eine Rolle. Viele Fahrräder werden aber auch von Einzeltätern über das Internet verkauft. Hierzu nutzen die Diebe sämtliche Verkaufsplattformen, die es gibt.
Anzeige
Ist es ein Klischee, dass Räder vornehmlich nachts geklaut werden? Gibt es hier bevorzugte Zeiten? Meine persönliche Erfahrung: Alle Räder, die mir entwendet wurden, kamen tagsüber abhanden.
Fahrräder werden grundsätzlich jederzeit und allerorts gestohlen. Stoßzeiten gibt es keine. Allerdings ist festzustellen, dass es sogenannte Hotspots gibt, wie die Fahrradständer an den Unikliniken und die Fahrradgarage der Universität Leipzig. Dort sind tagsüber mehrere hundert Fahrräder abgestellt. Dort wurden Fahrräder vornehmlich tagsüber entwendet.
Lässt sich – ähnlich wie bei Autos – erkennen, dass bestimmte Fahrrad-Modelle oder -arten besonders häufig geklaut werden?
Generell werden alle Fahrräder entwendet, egal in welcher Preisklasse und in welchem technischen Zustand. Allerdings ist ein steigender Trend bei E-Bikes zu verzeichnen. Es gab in der Vergangenheit in Leipzig mehrere Fälle von Einbrüchen in Fahrradläden, bei denen E-Bikes entwendet wurden.
Es gibt mittlerweile Räder, die mit einer Art GPS-Tracker ausgestattet sind, damit sie nach einem Diebstahl geortet werden können. Kann das ein Weg sein, die Aufklärung künftig zu verbessern? Welche neuen technischen Möglichkeiten könnten vielleicht noch helfen?
Die Polizei empfiehlt vor allem ein gutes Schloss und das Verschließen an einem geeigneten Gegenstand. Dieser ist nicht unbedingt ein Verkehrsschild. Auch hier gab es Sachverhalte in der Vergangenheit, bei denen die Tafeln abgeschraubt wurden und das Fahrrad nach oben geschoben und so entwendet wurde. Oft werden auch Gegenstände genutzt, die keine Sicherheit bieten, wie zum Beispiel Regenfallrohre. Davon muss dringend abgeraten werden.
Welche Tipps haben Sie mit Blick auf die Diebstahl-Prävention? Mir selbst wurden zwei Räder geklaut, obwohl ich jeweils hochwertige Fahrradschlösser verwendete und die Räder an einem festen Gegenstand angeschlossen hatte. All das half nichts.
Generell gibt es keine 100-prozentige Sicherung. Jedes Schloss lässt sich zerstören. Die Zeit, die ein Dieb braucht, spielt aber eine tragende Rolle.
Nach wie vor ist zu beobachten, dass an den Fahrradständern der Stadt zahlreiche Räder (auch hochpreisige) stehen, die nur mit preiswerten Schlössern gesichert sind, die sich leicht (mit geringem Aufwand und z. B. mit Seitenschneider) öffnen lassen. Den besten mechanischen Diebstahl-Schutz bieten stabile Bügel- oder Panzerkabelschlösser. Beim Kauf sollten Radfahrer auf „geprüfte Qualität“ und hochwertiges Material – wie durchgehärteten Spezialstahl – achten. Massive Schließsysteme sind ebenfalls wichtig.
Was sollten Radfahrer beachten, um ihr Rad tatsächlich wiederzubekommen, wenn es gestohlen wurde?
Fahrräder sollten unbedingt eine Individualnummer haben, die man nach Diebstahl in polizeilichen Fahndungssystemen ausschreiben kann. Nur so ist es möglich, wiederaufgefundene Fahrräder zuzuordnen. Alternativ kann man z. B. in der Stadt Leipzig sein Fahrrad codieren lassen. Es wird dann mit einer Nummer versehen und die Daten des Eigentümers werden gespeichert – ähnlich einem Autokennzeichen.
Anzeige
Das Interview mit Alexander Bertram führte Mirko Wenig
- Nach Fahrraddiebstählen gibt es oft keine Spuren
- Bandenkriminalität, Klischees und Diebstahl-Prävention