Der Makler als Sachwalter des Kunden: Rechtlich garantierte Neutralität

Das Handels- und Gewerberecht unterscheiden in Deutschland streng zwischen dem Vertreter und dem Makler. Das gilt auch für die Erteilung der Gewerbeerlaubnis für Versicherungsvermittler gemäß Paragraph 34d Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO):

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  • Ein Versicherungsvertreter wird durch ein oder mehrere Versicherungsunternehmen (oder andere Vertreter) damit betraut, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen – er ist vertraglich an die Interessen des Unternehmens gebunden und steht im Lager des Unternehmens, für das er vermittelnd tätig wird.
  • Ein Versicherungsmakler hingegen übernimmt die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen, ohne von einem Versicherungsunternehmen damit betraut zu sein– er hat demnach den Status als „treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers“, wie das bekannte und viel zitierte „Sachwalterurteil“ des Bundesgerichtshofs vom 22.05.1985 (Az. IVa ZR 190/83) darlegt. Der Makler steht im Lager des Versicherungsnehmers und gilt demnach gegenüber den Versicherungsunternehmen als „neutral“.

Versicherer-Makler vor Gericht: Wölfe im Schafspelz?

Was in der Theorie eindeutig scheint, ist in der Praxis aber oft nicht leicht zu trennen, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München mit Datum vom 16.01.2020 zeigt (Az. 29 U 1834/18). Steigen doch zunehmend auch Versicherer ins Maklergeschäft ein und gründen eigene Makler-Unternehmen.

Wie aber ist es rechtlich zu bewerten, wenn ein solches Unternehmen über eine Gewerbeerlaubnis als Makler verfügt? Darf die Tochter eines Versicherers behaupten, „neutral“ wie ein Makler zu sein? Und darf ein solches Unternehmen überhaupt in der Öffentlichkeit als Makler auftreten? Ein Urteil des Oberlandesgerichts München zu solchen Versicherer-Maklern wirkt wie ein Widerspruch in sich und erregt bereits Kritik in der Branche: Duldet man den Maklerstatus trotz Beherrschung durch Versicherer, dulde man den „Wolf im Schafspelz“.

Verklagter Makler: 100-prozentige Tochter eines Versicherers

Um was ging es vor dem Oberlandesgericht in München? In Berufung musste das Oberlandesgericht über ein Urteil des Landgerichts Passau vom 03.05.2018 entscheiden (Az. 1 HK O 56/16). Denn ein Maklerunternehmen hatte gegen seinen Konkurrenten auf Unterlassung geklagt. Ist doch der beklagte Konkurrent 100-prozentige Tochter eines Lebensversicherers.

Der öffentliche Auftritt als Versicherungsmakler stelle laut Kläger-Partei demnach einen Widerspruch dar sowie einen institutionalisierten Interessenkonflikt. Auch sollte dem Tochter-Unternehmen des Versicherers die Werbebehauptung untersagt werden, „unabhängig" und „neutral“ zu sein. Ziel einer Unterlassungsklage war, dass der Versicherer-Makler bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zahlen muss wegen irreführenden Handelns. Rechtsgrundlage der Forderung war Paragraph 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Erfolg des Klägers in erster Instanz… gekippt

In erster Instanz war der Kläger auch erfolgreich:

  • Das Landgericht Passau untersagte es der Leben-Tochter, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs als Versicherungsmaklerin aufzutreten.
  • Auch wurde der Beklagten untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wahrheitswidrig zu behaupten, sie sei unabhängig und neutral.

Erfolg also auf ganzer Linie für den Kläger: Ein zweifaches Verbot für den Versicherer-Makler. Die zweifache Unterlassung muss laut Landgericht aufrechterhalten werden, solange die Mehrheit der Unternehmensanteile des Maklers von einem Versicherer gehalten wird.

In Berufung vor dem Oberlandesgericht München aber wendete sich das Blatt nun hälftig zugunsten der Versicherer-Tochter – unter auffallendem Widerspruch in den Urteilsgründen. Denn zwar: Noch immer wird dem beklagten Versicherer-Makler untersagt, im geschäftlichen Verkehr wahrheitswidrig zu behaupten, das Unternehmen sei unabhängig und neutral: Der Unterlassungsklage wegen irreführender Werbung wurde also stattgegeben, da eine behauptete Neutralität aus Sicht des Gerichts tatsächlich irreführend ist.

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Jedoch: Teil zwei der Klage wurde nun vor dem Oberlandesgericht, nach Korrektur des ersten Urteils in Berufung, abgewiesen – der Versicherer-Makler darf wieder als Makler in der Öffentlichkeit auftreten!

Gewerbeerlaubnis als Makler – unabhängig von den Beteiligungen

Wie aber begründet sich dieser Widerspruch, dass ein Unternehmen zwar als Makler in der Öffentlichkeit auftreten darf, es aber zugleich nicht behaupten darf, „neutral“ im Sinne eines Maklers zu sein? Die Urteilsgründe gehen für die Berufung von einer einfachen Tatsache aus: Die verklagte Leben-Tochter verfügt unstreitig über die entsprechende Gewerbeerlaubnis. Denn anders, als von der Kläger-Partei behauptet, würde eine Gewerbeerlaubnis nach Paragraph 34d Abs. 1 Gewerbeordnung keineswegs unspezifisch für einen „Versicherungsvermittler“ erteilt. Stattdessen muss laut Gericht eine solche Erlaubnis stets "typenspezifisch" entweder für die Tätigkeit als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter erteilt werden. Und das verklagte Unternehmen hat seine Erlaubnis schlicht als Makler.

Die Vergabe einer solchen Erlaubnis ist auch rechtens. Erklärend führt das Gericht hierzu aus: Eine Gewerbeerlaubnis als Makler hängst nach deutschem Recht nicht davon ab, ob und in welchem Umfang Beteiligungen von Versicherern an dem Unternehmen bestehen. Wichtiger ist die Tätigkeit im Sinne des Gesetzes: die gewerbemäßige Vermittlung oder der Abschluss von Versicherungsverträgen für einen Auftraggeber, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Eine solche Tätigkeit als Makler ist auch dann möglich, wenn ein Versicherer einen Großteil der Anteile an dem Makler-Unternehmen hält.

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VersVermV: Erfordert sogar Makler-Ausweisung

Hätte der Gesetzgeber es anders gewollt und eine Obergrenze für Unternehmensanteile der Versicherer an Maklerunternehmen festlegen wollen, hätte er es anders regeln können. So aber gibt es keine Rechtsgrundlage, um selbst einer 100-prozentigen Tochter eines Versicherers die Makler-Genehmigung zu verwehren. Das verklagte Unternehmen verfügt über eine Gewerbeerlaubnis als Makler – demnach entspricht der Außenauftritt den tatsächlichen Gegebenheiten.

Zu Unrecht also verurteilte das Landgericht Passau das verklagte Unternehmen hier auf Unterlassung. Mehr noch: Gemäß Paragraph 15 Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) ist das Unternehmen sogar verpflichtet, dem Versicherungsnehmer seinen Maklerstatus beim ersten Kontakt mitzuteilen. Freilich: Zugleich ist das Unternehmen gemäß diesem Paragraphen auch verpflichtet, Beteiligungen von Versicherungsunternehmen von über 10 Prozent anzuzeigen. Das aber hatte der Versicherer-Makler auch stets getan und in den Erstinformationen auf die 100-prozentige Beteiligung des Versicherers hingewiesen.


Makler ohne Neutralität? Die Sache mit dem Anschein

Wie aber erklärt sich, dass zwar die Leben-Tochter auf der einen Seite den Makler-Status angeben darf (und muss), auf der anderen Seite aber nicht mit der Neutralität eines Maklers werben darf? Hier kommt die Sache mit dem Anschein ins Spiel: Laut Paragraph 59 Versicherungsvertragsgesetz gilt auch als Makler, wer "gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler“. Und aus Sicht der Oberlandesgerichts agiert das Unternehmen auch nur gemäß eines solchen Anscheins. Urteilt das Gericht doch erstaunlich eindeutig: Die Beteiligung der Lebensversicherung an der Beklagten sei „unstreitig eine Mehrheitsbeteiligung“, daher sei eine „Neutralität und Unabhängigkeit… nicht gegeben“.

Das Unternehmen erweckt also laut Gericht – über den Makler-Status – nur den Anschein der Neutralität. Wirklich neutral als Sachwalter des Kunden aber handelt das Unternehmen nicht. Zwar erhält es dadurch laut VVG tatsächlich den Status des Maklers zugesprochen – eine auf den ersten Blick verwunderliche Regel, die sich aber durch Haftungsansprüche erklärt. Denn wer mit dem Anschein Versicherungen vermittelt, er handle als Sachwalter des Kunden, der haftet auch gegenüber dem Kunden als dessen Sachwalter. Dennoch aber hat das Unternehmen nicht das Recht, sich als „neutral“ und „unabhängig“ zu bewerben. Denn dadurch verschleiert es das eigene Handeln im Interesse der Unternehmens-Mutter und wirbt mit irreführenden Behauptungen gegenüber dem Kunden.

Legitimiert das Urteil Wölfe im Schafspelz?

Trotz dieses kritischen Tenors: In der Branche fand das Urteil nicht nur Zustimmung. So kritisiert zum Beispiel Fachanwalt Jürgen Evers: Das Gericht spreche den verklagten Unternehmen zwar "die erforderliche Neutralität und Unabhängigkeit ab“, im Sinne einer objektiven und ausgewogenen Marktuntersuchung – wie ein Makler – zu handeln. Es ziehe daraus allerdings keine Konsequenzen. Das Interesse der Maklerschaft sieht der Rechtsexperte deswegen eher im vorausgehenden Urteil des Landesgerichts gewahrt. Das Urteil des Oberlandesgerichts München hingegen duldet den „Wolf im Schafspelz“.

Freilich kann man gegen diese Argumentation auch einwenden, dass ein wesentliches Problem nicht in der Urteilsfindung des Oberlandesgerichts liegt, sondern in fehlenden Regeln des Gewerberechts zur Begrenzung der Unternehmensanteile bei Maklerunternehmen. Ob freilich das Urteil des Oberlandesgerichts München Bestand hat, steht noch in den Sternen: Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde durch das Oberlandesgericht München zugelassen.

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