Direktanspruch: Ermöglicht Klage gegen den Versicherer

Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) regelt in Paragraph 115 den Direktanspruch für die Haftpflichtversicherung: Ein geschädigter Dritter kann seinen Anspruch auf Schadenersatz nicht nur gegenüber dem Verursacher des Schadens, sondern auch gegenüber dem Versicherer geltend machen. Das freilich gilt nur unter bestimmten Voraussetzungen: Der Schaden muss haftungsrechtlich begründet sein – zum Beispiel durch eine Versicherungspflicht für den Schadenverursacher gemäß Pflichtversicherungsgesetz. Zudem muss der Schaden im Rahmen des versicherten Risikos liegen.

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Greift aber für die KFZ-Haftpflicht der Rahmen des versicherten Risikos, wenn Ursache des Schadens kein fahrendes, sondern ein geparktes Auto ist? Schließlich besteht Einstandspflicht hier nur für Schäden, die "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstanden sind. Und geparkte Autos sind – im Verständnis des allgemeinen Sprachgebrauchs – nicht „in Betrieb“. Zu dieser Frage fällte das Landgericht (LG) Saarbrücken mit Datum vom 23. 12. 2019 ein anschauliches Urteil (Az.: 13 S 177/19). Und dieses zeigt: Einstandspflicht besteht sogar dann, wenn ein Wagen bis zum Schaden bereits über 20 Minuten steht.

Parken über heißem Grill: KFZ fing durch Nachbarwagen Feuer

Worum ging es bei dem Streit vor Gericht? Geklagt hatte ein Mann, der durch den PKW seines Nachbarn Schaden erlitt – zum Glück nur Schaden materieller Art. Denn der andere PKW-Fahrer hatte, etwa 20 Minuten zuvor, seinen Wagen über einem nicht abgekühlten Holzkohlegrill geparkt.

Das freilich wusste der spätere Kläger ebensowenig wie sein Nachbar zuvor, und parkte – nichts Böses ahnend – seinen Wagen gleich nebenan. Der Nachbarwagen entzündete sich, das Feuer griff auf den Wagen des Klägers über. Beide Fahrzeuge brannten völlig aus.

Klage führte erst in Berufung zum Erfolg

Freilich wollte nun der Geschädigte seinen Schaden ersetzt haben, wandte sich hierfür an die KFZ-Haftpflicht des Nachbarn, dessen PKW zuerst Feuer fing. Die Versicherung aber meinte, sie stehe aufgrund eines geparkten Autos in keinerlei Einstandspflicht. Der Geschädigte freilich wollte sich damit nicht zufrieden geben – und klagte auf Schadenersatz vor dem Amtsgerichts Saarlouis. Zunächst erfolglos! Denn das Amtsgericht wies mit Urteil vom 18. 9. 2019 noch die Klage ab (Az. 25 C 335/18).

Erst die Berufung brachte nun den gewünschten Erfolg: Das Urteil des Amtsgerichts wurde abgeändert. Das Landgericht Saarbrücken sprach dem Geschädigten – unter Grundlage des Direktanspruchs nach Paragraph 115 VVG – Schadenersatz in Höhe von insgesamt 3.639,49 Euro und ebenso die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

KFZ-Haftpflicht leistet für Schäden „bei dem Betrieb“ eines KFZ

Wie aber begründet sich dieser Anspruch auf Schadenersatz für den geschädigten Dritten? Grundlage für Leistungen der KFZ-Haftpflicht ist zunächst Paragraph 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG). In diesem Paragraphen wird unter anderem die "Haftung des Halters“ definiert. In Absatz 1 des Paragraphen heißt es:

Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

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In diesem Sinne leistet auch die KFZ-Haftpflichtversicherung – die Versicherungspflicht gemäß Pflichtversicherungsgesetz soll sicher stellen, dass Teilnehmende am Verkehr auch im Sinne des Paragraphen für verursachten Schaden einstehen können. Die Frage ist nur, wann die Haftpflichtversicherung als Pflichtversicherung gegenüber einem geschädigten Dritten leisten muss.

Kann ein geparktes Fahrzeug „in Betrieb“ Schaden verursachen?

Häufiger Streit entzündet sich an der Auslegung des Begriffs „Betrieb“. Und dies wird auch an dem verhandelten Rechtsfall vor dem Landgericht Saarbrücken deutlich: Der Versicherer ist zunächst davon ausgegangen, dass ein Schaden, der erst nach einiger Zeit bei einem abgestellten Fahrzeug des Versicherungsnehmers auftritt, nicht „bei dem Betrieb“ des versicherten Kraftfahrzeugs entstanden sein kann. Aus diesem Grund sah sich der Versicherer auch nicht in der Einstandspflicht. Das Amtsgericht Saarlouis folgte zunächst dem Versicherer bei dieser engen Auslegung von Paragraph 7 StVG. Jedoch: Wie das Landgericht nun urteilte, geschah dies zu Unrecht.

Denn zwar muss die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang stehen. Jedoch: Dies führt nicht zu dem Schluss, dass der Versicherer bei einer zeitlichen Verzögerung zwischen Ursache und Wirkung nicht leisten muss. Wird doch durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet. Und eine enge Auslegung des Begriffs „Betrieb“ verkennt, dass der Gesetzgeber alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe mit der Haftpflicht erfassen will. Die Formulierung "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ ist demnach nicht eng, sondern weit auszulegen.

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Schadenersatz selbst bei eineinhalb Tagen Verzögerung

Für seine Urteilsgründe verwies das Landgericht auch auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Laut einem Urteil des BGH vom 26. 03. 2019 nimmt es einen Versicherer nicht einmal aus der Einstandspflicht, wenn zwischen der Schadenursache und dem Schaden eineinhalb Tage liegen (Az. VI ZR 236/18). Der Kurzschluss einer nicht abgeklemmten Batterie nach einem Unfall hatte hier zum Schaden geführt.

Somit steht der Einstandspflicht des Versicherers auch nicht entgegen, wenn zwischen dem Parken und der Entzündung des Verursacher-Wagens eine zeitliche Verzögerung von etwas mehr als 20 Minuten liegt. Eine weite Auslegung der Rechtsnorm gebietet dennoch, dies als Schaden „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ zu deuten – die Zurechnung der Betriebsgefahr im Sinne des Paragraphen 7 StVG wird durch die zeitliche Verzögerung nicht berührt.

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Revision: Wurde nicht zugelassen

Aus diesem Grund ist der Versicherer laut Berufungsurteil nun auch verpflichtet, an den geschädigten Dritten Schadenersatz in Höhe von insgesamt 3.639,49 Euro zu leisten sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu tragen. Eine Revision wurde durch das Gericht nicht zugelassen. Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken ist verfügbar auf der Webseite der Universität des Saarlands.

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