...Argumentation unterkomplex
Diskutabel sind aber bereits die Grundannahmen von Bernd Raffelhüschen, denn sie verraten eine einseitige Perspektive auf das Phänomen der steigenden Lebenserwartung: eben aus der Sicht des Ökonomen. Zwar sind der medizinische Fortschritt und der wachsende Wohlstand tatsächlich wichtige Gründe, weshalb die deutschen Bürger auf ein immer längeres Leben hoffen können (siehe Grafik). Aber es sind bei weitem nicht die einzigen.
- Raffelhüschen: Corona-Lockdown kostet mehr Lebensjahre als Krankheit selbst
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Steigende Lebenserwartung: Die Gründe sind komplex
Warum werden die Deutschen immer älter? Das zeigen zum Beispiel international vergleichende Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), aber auch Daten des Statistischen Bundesamtes sowie des Instituts für Demoskopie Allensbach. Um weitere wichtige Gründe zu nennen:
- Die Arbeitsbedingungen in Deutschland haben sich verbessert: Noch in den 50er Jahren war in vielen Branchen Deutschlands die 48-Stunden-Arbeitswoche normal, gearbeitet wurde an sechs Tagen die Woche. Seither hat sich schrittweise vieles zum Besseren gewendet: Mehr Arbeitsschutz, mehr Pausen, längere Erholungsphasen. Damit ereignen sich nicht nur weniger Unfälle auf Arbeit, die Menschen sind auch weniger Schadstoffen ausgesetzt. Zudem sind infolge des Wandels zur Dienstleistungsgesellschaft viele körperlich aufzehrende Knochenjobs verschwunden.
- Die Deutschen leben gesünder und bewusster: Ein wichtiger Faktor für eine steigende Lebenserwartung ist gesundheitliche Aufklärung - und damit eine gesündere Lebensweise der Bürger. Wie aus Daten des Instituts für Demoskopie Allensbach hervorgeht, ist zum Beispiel die Zahl der Raucher in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Seit Anfang der 50er Jahre sank demnach der Anteil der Raucher in der Bevölkerung von knapp über der Hälfte auf weniger als 23 Prozent. Der Obst- und Gemüseverbrauch pro Kopf hat sich hingegen in Deutschland in dieser Zeit nahezu verdoppelt. Zugleich gehen die Bürger zeitiger zum Arzt, so dass viele Krankheiten bereits in einem Stadium erkannt werden, in dem sie noch gut behandelbar sind.
Dies sind nur zwei Gründe, weshalb die Lebenserwartung steigt: und die nicht direkt mit dem Bruttoinlandsprodukt verrechnet werden können. Im Gegenteil: Es gibt auch gegenläufige Entwicklungen, in denen die direkten und indirekten Folgen des Wirtschaftswachstums die Gesundheit gefährden. Ein Beispiel: Der steigende Fleischkonsum führte zu mehr Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung: Mit der Gefahr, dass verstärkt resistente Keime auftreten und etablierte Medikamente ihre Wirksamkeit verlieren. Und die steigende Feinstaub-Belastung durch Industrie und Verkehr führt zu mehr Atemwegskrankheiten.
Deutschland: Top beim BIP, aber bei Lebenserwartung hinten
Auch eine international vergleichende Studie der Weltgesundheitsorganisation von 2018 zeigt, dass Bruttoinlandsprodukt und Lebenserwartung nicht einfach eins zu eins verrechnet werden können. Deutschland hat zwar das vierthöchste BIP der Welt: nur die USA, China und Japan schneiden besser ab. Aber unter allen westlichen Staaten mit die geringste Lebenserwartung.
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Laut WHO-Studie beträgt die Lebenserwartung in Westeuropa für Neugeborene im Schnitt 79,5 Jahre (männlich) und 84,2 Jahre (weiblich). Deutschland liegt den Angaben zufolge mit 78,2 und 83,1 Jahren deutlich darunter. Bei den Männern bildet man damit das Schlusslicht: bei den Frauen schneiden nur Großbritannien und Dänemark noch schlechter ab.
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