Die Sparkassen kündigen weiter lukrative und hochverzinste Sparverträge. Stand jetzt wurden mindestens 321.000 Kundinnen und Kunden vor die Tür gesetzt, die einen Sparvertrag nach dem Modell „Prämiensparen flexibel“ oder ähnliche Staffelsparverträge abgeschlossen haben. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Finanzportals biallo.de hervor.

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“Dabei dürfte die Dunkelziffer wesentlich höher liegen, da nicht jede Sparkasse gewillt war, die Anzahl der betroffenen Kunden öffentlich zu machen“, berichtet Redakteur Kevin Schwarzinger auf der Webseite des Finanzportals. Seit 2015 haben demnach mindestens 135 von 400 regionalen Sparkassen Prämiensparverträge einseitig aufgekündigt.

Die meisten Kündigungen haben bisher Sparkassen in Bayern ausgesprochen, berichtet Biallo weiter: 50 Geldhäuser setzten hier ihre Kundinnen und Kunden vor die Tür. Es folgen mit deutlichem Abstand die Bundesländer Niedersachsen (19) und Nordrhein-Westfalen (17).

Früher Verkaufsrenner - heute Ärgernis für die Institute

Bei den gekündigten Verträgen handelt es sich um das Modell „Prämiensparen flexibel“ oder ähnliche Policen. Vor allen von Sparkassen und Volksbanken vertrieben, waren diese Verträge in den 90er Jahren gut nachgefragt - auch, weil sie von den Instituten offensiv beworben wurden. Und zwar als langfristige Geldanlage zur Altersvorsorge.

Denn wer als Kunde mit diesen Verträgen einen hohen Zins erwirtschaften will, braucht Durchhaltevermögen. Die Policen setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen: Sie sehen einen niedrigen Basiszins vor, der sich an lang laufenden Anleihen orientiert - und entsprechend aktuell nahe Null liegt. Hinzu gesellt sich jedoch eine gestaffelte Extraprämie, die diese Verträge weit lukrativer werden lassen. So sie denn lange durchgehalten werden, denn die höchste Sparstufe wird erst nach 15 Jahren erreicht.

Gestaffelte Extraprämie

Wie die Extraprämie funktioniert, soll ein einfaches Beispiel zeigen: Legt der Kunde monatlich 100 Euro an, summiert sich dies auf 1.200 Euro im Jahr. Nach drei Jahren gibt es drei Prozent Zinsen auf das im dritten Jahr eingezahlte Geld als Bonus obendrauf: 36 Euro für mittlerweile 3.600 Euro Sparguthaben. Das ist erstmal nicht viel, weil effektiv nur ein Prozent Zins als Extrabonbon berechnet wird.

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Dann aber steigt der Bonus in mehreren Schritten weiter an, je länger der Kunde den Vertrag hält. Nach 15 Jahren erreicht er schließlich die höchste Sparstufe: 50 Prozent der Sparsumme, die im laufenden Jahr an Beitrag eingezahlt wurde. 600 Euro werden nun als Prämie gutgeschrieben, während 20.000 Euro auf dem Konto liegen.

BGH-Urteil: Vertragsklausel erlaubt Kündigungen

Doch genau wenn diese höchste Sparstufe erstmals ausgeschöpft wurde, setzen nun die Sparkassen die Kundinnen und Kunden einseitig vor die Tür. Die Banken selbst haben in Zeiten niedriger Zinsen Probleme, das Prämienextra zu erwirtschaften.

Die einseitige Kündigung erfolgt in den meisten Fällen ganz legal: ein umstrittenes Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) gestattet es, die Sparer nach Erreichen der höchsten Sparstufe nach 15 Jahren rauszuwerfen. Den Verbrauchern müsse es demnach möglich sein, die höchste Sparstufe wenigstens einmal auszuschöpfen. Öfters jedoch nicht (Urteil vom 14. Mai 2019, AZ: XI ZR 345/18).

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"Sie allein bestimmen...!"

Umstritten ist der BGH-Richterspruch deshalb, weil die Sparkassen selbst in Prospekten die Verträge mit Laufzeiten von 25 bis 30 Jahren beworben hatten. „Sie allein bestimmen, wie lange Sie sparen wollen“, zitiert die Zeitschrift „Finanztest“ aus einem Prospekt. Hier stellt sich die Frage nach der Haftung der Institute, wenn sie mit derartigen Aussagen um Kundinnen und Kunden gebuhlt haben.

Dennoch sind die Kündigungen rechtskräftig, entschied der BGH. Und verwies auf eine Klausel in den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Sparkassen. Darin heißt es:

"Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.

Ein sachgerechter Grund liege vor, sobald die Kündigung aus kaufmännischer Sicht nachvollziehbar sei: also auch, wenn Sparer wegen niedriger Zinsen am Kapitalmarkt vor die Tür gesetzt werden.

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Rechtmäßigkeit der Kündigung prüfen lassen

Trotz des Urteils raten sowohl die Verbraucherzentralen als auch die Stiftung Warentest den Kunden, die Kündigungen nicht einfach zu akzeptieren. Stattdessen empfehle es sich, diese genau zu prüfen. Zum einen gibt es Policen, bei denen tatsächlich eine längere Vertragslaufzeit festgelegt ist: Diese dürfen eben nicht ohne weiteres von den Instituten abgestoßen werden. Zum anderen muss die höchste Sparstufe wenigstens einmal ausgeschöpft worden sein, damit die Kündigung rechtens ist.

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