Es mag vielen vielleicht logisch erscheinen. Immerhin lesen wir allerorten von veränderten Kundenverhalten, einer höheren Nachfrage nach digitalen Services und neuen Marktplayern auf deren innovativen Geschäftsmodellen man eine Antwort benötigt. Kein Wunder also, dass der Markt momentan geprägt ist von digitalen Schnittstellen, Mensch-Maschine Interfaces und effizienten automatisierten Abläufen und Vorgängen. Aber es ist dennoch gar nicht so einfach für die Anwendung dieser Technologien seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hin optimal einzustellen und einzusetzen.

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Stephen Voss, Vorstand und Gründer der Neodigital Versicherung AG mit Sitz in Neunkirchen im Saarland.Neodigital

Versicherungen stehen vor einem Dilemma: Sie brauchen natürlich einerseits den klassischen Versicherungskaufmann, der sich mit der Materie bestens auskennt. Gleichzeitig reicht dessen Kompetenz nicht aus für die heute ebenfalls benötigten komplexen technischen Abläufe. Anderseits kann bei den hoch automatisierten Prozessen nicht einfach davon ausgegangen werden, dass für die nun einfachen Tätigkeiten ein ungelernter Arbeiter ausreicht. Der vielerorts gern im Zusammenhang mit der digitalen Dunkelverarbeitung benannte „dressierte Affe“, der der künstlichen Intelligenz lediglich zuarbeitet, ist schlichtweg Quatsch. Den braucht es nicht und wird es auch in einem konsequent digitalisierten Unternehmen nicht geben. Und schließlich erfordert auch die angesprochene digitale Technologie eine ganz neue Art der Belegschaft, deren Mix für viele Versicherungen zur Herausforderung wird.

Wer oder was wird also heute in einer Versicherung gebraucht?

Eine Mischung von Allem und Generalisten mit einer guten profunden Wissensbasis in Versicherungsthemen, die ihr Fachwissen mit den Anforderungen automatisierter Abläufe verbinden können. Also das, was von der Technik gefordert wird: Konnektivität. Diese Konnektivität muss jeder einzelne Mitarbeitermitbringen, denn nur sie ermöglicht es, an den Schnittstellen der Systeme eben die Transferleistung zu erbringen die aus einem guten teilautomatisierten Arbeitsablauf einen perfekten dunkelverarbeiteten Prozess machen. Ohne dieses Wissen wäre es nämlich nicht möglich, die vielerorts immer noch vorhandenen Silos, wie Betrieb, Schaden, Finanzen, Controlling, usw. sinnvoll und schnell miteinander zu verknüpfen.

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Das ist auch notwendig, zeigen doch aktuelle Studien, wieviel der Beiträge aktuell bei den meisten Versicherern noch in die operativen Kosten gehen. Das kann mancherorts durchaus ein Viertel des Beitrages ausmachen. Von 100 Euro Versicherungsbeitrag verschwinden demnach 25 Euro in der Administration. Das ist heute eindeutig zu viel. Und in dieser Rechnung sind Vertriebskosten gar nicht mit eingerechnet.

Mitarbeiter müssen agil, effizient und schnell sein

Machen wir das ganze doch einmal am Beispiel eines Mitarbeiters im Bereich Schaden fest. In vielen Betrieben ist der überwiegende Teil der dort anfallenden Arbeiten heute immer noch größtenteils manuell. Der Kunde meldet einen Schaden, unstrukturiert, manuell und analog. Der Mitarbeiter muss im ersten Schritt das Ganze in ein Host-System verständliches Format übersetzen. Dabei wird – manuell - der Schaden im System erstmal angelegt, sich die Schadenbeschreibung angesehen und geprüft, ob der Schaden überhaupt gedeckt ist. Damit der Vorgang erfolgreich abgeschlossen werden kann, muss abermals manuell sichergestellt werden, ob der Schaden zum Schadenzeitpunkt mit der zu diesem Zeitpunkt gültigen Vertragsbedingung überhaupt gemäß des Leistungskatalogs gedeckt war und ob es zu dem Vertrag über dessen Vertriebsform nicht noch irgendwo eine Nebenabrede gibt, die die Deckung eventuell erweitert. Klingt das für Sie alles sehr unwirklich? Hier die harte Wahrheit: Das ist aktuell in vielen Betrieben genau so noch die Realität.

Mehr Technologie, andere Mitarbeiter?

Um diese Realität in die digitale Zukunft zu transformieren ist es notwendig, Personal zur Verfügung zu haben, das über den reinen Prozess hinaus die Abläufe zwischen den Abteilungen und Systemen versteht. Mitarbeiter, die mit den Programmierern automatisierte Prozesse erarbeiten können, weil nur sie wissen können, welches Ergebnis nach welcher logischen Schrittfolge am Schluss einen optimalen Endpunkt setzt, der im Einklang mit den Vertragsregeln und dem Kundenerwarten an einen guten Service steht. Es muss sichergestellt werden, dass sich die Mitarbeiter bei einer digitalen Versicherung nicht am Prozess selbst abarbeiten. Sie erarbeiten den Prozess, damit er besser, schneller und effizienter wird. Daraus und aus der nachfolgenden hohen Automatisierung ergibt sich zwar in der Summe ein geringerer Personalbedarf, aber die Qualifikation der einzelnen Funktionsinhaber ist weitaus größer und agiles verknüpftes Denken ist notwendig. Auch so ist es in einem komplexen System, wie ein Versicherungsunternehmen es nun einmal ist, gewährleistet, dass auch die Zulieferer, externe Service-Provider und Dienstleister, beispielsweise die im Schadenfall notwendigen Gutachter, trotz hoher Automatisierung optimal gemanaged werden. Der Computer übernimmt den Prozess, der Mensch bleibt aber von besonderer Bedeutung, denn er überwacht und greift ein, sollte der Prozess im Ergebnis nicht das liefern, was alle Beteiligten, Versicherer, Vermittler und der Wichtigste, der Kunde, erwarten. Diese Transferleistung ist das eigentliche neue Talent, das so dringend in den Versicherungsunternehmen benötigt wird.

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Nun sind viele Marktplayer jedoch der Meinung, ein solch durchdigitalisierter Prozess wäre einzig gut für Betrieb und Schaden, aber keine Alternative für die anderen Bereiche. Diese irren sich! Schauen wir uns den Vertrieb an. Es ist heute nicht mehr damit getan, ein guter Kommunikator, eine großartige Rhetorikerin am Kunden zu sein und mit Fachwissen aufzutrumpfen. Die Vermittler, die Kunden, alle setzen neue moderne Technik ein. Diese zu verstehen, die Schnittstellen in das eigene Unternehmen zu erarbeiten und daraus optimale Bedingungen für die Bereitstellung von Versicherungsleistung zu generieren, ist die neue Aufgabe im Vertrieb. Mitarbeiter in diesem wichtigen Bereich müssen die komplexen Verbindungen in das Maklerverwaltungsprogramm des Maklers verstehen. Sie müssen wissen, wie ein Kundenportal, eine digitale Vergleichsplattform funktioniert und die Produkte bewertet. Sie müssen sich damit auseinandersetzen, wie Kunden heute den Service bewerten und welchen Einfluss das auf zukünftige Kaufentscheidungen anderer Kunden hat. Da kommt neben der reinen Versicherungsqualifikation noch Grundlagen in Technik und etwas Psychologie dazu.

Eines zeigt diese Entwicklung deutlich: Die eine fest definierte Qualifikation gibt es heute nicht mehr. Die Anforderungen an die Mitarbeiter der neuen digitalen Generation der Versicherer ist mit der technischen Entwicklung mitgewachsen. Es gelten die gleichen Attribute für Technik, wie für Mitarbeiter. Sie müssen agil, effizient und schnell sein und dabei die eingefahrenen Grenzen der Abläufe und Schnittstellen überwinden, um das Produkt Versicherung in die Zukunft zu führen.

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