Die Allianz will längerfristig mindestens 40 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten lassen. Das sagte Christof Mascher, Mitglied des Vorstands der Allianz SE, dem „Handelsblatt“. Auch eine höhere Zahl sei möglich.

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Damit reagiert der Konzern auf die positiven Erfahrungen während der Corona-Krise. Im März schickte der Münchener Weltkonzern 90 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Homeoffice, sämtliche Dienstreisen wurden abgesagt. Konzernchef Oliver Bäte, eigentlich zuvor als Vielflieger bekannt, hatte bereits im Juli angekündigt, vermehrt auf Homeoffice zu setzen. Auch er werde künftig öfters von zuhause aus arbeiten - „Ich bin manchmal erheblich produktiver“, sagte Bäte der Nachrichtenagentur Reuters.

Erhebliche Sparpotentiale

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet der neue Kurs des Versicherers zunächst mehr Optionen, wie sie die Arbeit gestalten. Laut Handelsblatt beschäftigt der Konzern allein in der Firmenzentrale in München mehr als 8.000 Angestellte auf einer Bürofläche von 390.000 Quadratmetern. Entfällt künftig für viele der Arbeitsweg in einer Stau-geplagten Stadt, bedeutet das: Zeitgewinn für Freizeit und Familie.

Zugleich kann der Kurs auch neue Härten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeuten. Denn zunächst geht es auch darum, noch mehr Geld einzusparen. „Die Standorte müssen überprüft werden, es geht vor allem um die Ausstattung“, sagt Mascher dem „Handelsblatt“. Rund 30 Prozent Bürofläche könnten langfristig eingespart werden, schätzt der Manager - auch geplante Standort-Projekte stünden zur Debatte.

Ähnlich hatte sich im Juli schon Konzernchef Bäte positioniert. Er gehe davon aus, dass sich die Büroflächen auf längere Sicht um ein Drittel reduzieren ließen, sagte Bäte der Nachrichtenagentur „Reuters“. Doch damit nicht genug: Auch bei den Reisekosten wolle er dauerhaft 50 Prozent einsparen. „Wir brauchen diese ganzen Reisen nicht mehr“, so der Allianz-Chef.

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Die Allianz ist nicht der einzige Konzern, der auf Homeoffice umstellt: Die Coronakrise könnte komplett neu definieren, wie und wo zusammen gearbeitet wird. Große deutsche Firmen aus anderen Branchen haben ebenfalls angekündigt, auch nach Ende der Corona-Beschränkungen auf Homeoffice setzen zu wollen: unter anderem Siemens, wo die Angestellten künftig drei Tage in der Woche von zu Hause aus arbeiten dürfen.

neue Risiken

Ob Homeoffice tatsächlich für alle Menschen eine Verbesserung bedeutet, daran gibt es auch Zweifel. So bringt die Arbeit zu Hause auch zahlreiche neue Risiken und Stressfaktoren mit sich. Eine Gefahr: die zunehmende Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit. Der Arbeitgeber nistet sich regelrecht in den heimischen vier Wänden mit ein.

Laut einer Studie der Universität Basel von 2016 arbeiten Heimarbeiter im Schnitt 2,5 Stunden je Woche mehr als ihre Kollegen im Büro. Wer dauerhaft im Homeoffice arbeitet, kommt sogar auf sechs Stunden. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin beobachtet mehr Überstunden im Homeoffice. Ein Grund: Wer zu Hause arbeitet, hat eher das Bedürfnis, die Vorgesetzten von seiner Motivation und Effizienz überzeugen zu müssen. Das Klischee, man bummele zu Hause mehr Zeit ab, wirkt hier noch nach.

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Dass sich Arbeitszeit und Freizeit zunehmend vermischen, belegt auch eine Studie von IZA/XING. Demnach gaben von 1.859 befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern knapp zwei Drittel an (67,7 Prozent), in ihrer Freizeit Tätigkeiten auszuüben, die eher ihrer regulären Arbeitszeit zuzurechnen sind. Dazu gehören etwa das Beantworten dienstlicher Mails und von Kunden-Anfragen sowie die Beschäftigung mit Fachliteratur. Vier von zehn Arbeitnehmern (40,8%) verbringen damit mehr als zwei Stunden pro Woche.

Ein weiteres Risiko: Der Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen leidet. Zwar kann man auch über Videochat kommunizieren. Aber wichtige soziale Interaktionen finden oft nicht in der Arbeitszeit statt, sondern in Mittags- und Kaffeepausen. Auch das Teambuilding werde schwerer, wenn nur über Distanz kommuniziert werde, gibt die Ärztin und Arbeits-Expertin Monika Rieger in einem Interview mit der "Zeit" zu bedenken. Man bleibe "mit dem Frust allein", wenn etwas nicht wie gewünscht funktioniere.

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