Wer unter den deutschen Versicherern, wenn nicht die Allianz, ist prädestiniert dafür, eine Größe zu erreichen, bei der kein Vermittler und kein Vergleichsportal mehr am blauen Riesen vorbeikommt? Mit kulturellen Vorbehalten wie Ping An hat der Konzern schließlich nicht zu rechnen. Was für und gegen eine Dominanz der Allianz spricht, lesen sie im Folgenden.

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Philipp Kanschik

Philipp Kanschik

Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

Das Szenario

Nicht nur der Maklermarkt ist in Deutschland vergleichsweise fragmentiert—mit rund 528 Erstversicherern ist auch die Zahl der Anbieter insgesamt sehr hoch. Gleichzeitig findet auch hier eine Konsolidierung statt: so erwirtschaftet ein Versicherer heutzutage im Schnitt zehn Mal so viel wie noch vor 40 Jahren, die Zahl der Unternehmen hat sich in der Zeit fast halbiert.

Federführend beteiligt an dieser Marktkonsolidierung ist die Allianz, die als Marktführer zuletzt stark gewachsen ist. Die große Zugkraft der Marke und die großen Ressourcen eines globalen Konzerns beflügeln, und mit einem Marktwert von rund 100 Milliarden Dollar ist die Allianz schließlich bereits heute die Nr. 5 unter den deutschen Konzernen. Was, wenn sie der Konkurrenz am Ende ganz enteilt?

Was spricht dafür

Der Allianz-Konzern verdient mit rund 8,3 Milliarden Euro 2019 mehr als dreimal so viel wie die Nr. 2 (Münchner Rück-Gruppe) – den Jahresüberschuss der Allianz Deutschland von noch einmal zwei Milliarden Euro nicht miteingerechnet. Einen wuchtigen 46 Prozent-Anteil am Neugeschäft hat darüber hinaus die Allianz Lebensversicherung 2019 in ihrer Sparte bereits erreicht. Mit 27,5 Milliarden Euro beträgt das gesamte Beitragsvolumen der Allianz Leben genau so viel wie das der sieben anderen größten Versicherer zusammen.

Bereits heute hat die Allianz daher mit ihrer Produktgestaltung wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung des privaten Vorsorgemarktes. Gleichzeitig unternimmt die Allianz vielbeachtete Schritte, um ihre Online-Angebot auszubauen und ihre notorisch komplexe Produktpalette zu vereinfachen. Dies geschieht sogar auf europäischer Ebene, was im Erfolgsfall zu deutlichen Skaleneffekten bei den Kosten führt.

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Wenn es der „Allianx X“ darüber hinaus noch gelingt, das eigene Produktportfolio durch Ansätze wie „HeyMoney“ tatsächlich zu einem Allfinanzportal auszubauen, muss sich die Konkurrenz warm anziehen.

Was dagegen spricht

Für eine monopolartige Stellung braucht ein Versicherer einen starken Eigenvertrieb. Die Zahl der Ausschließlichkeitsagenten ist jedoch in Deutschland insgesamt rückläufig und eine Renaissance des Modells eher nicht in Sicht. Fraglich ist, ob ähnliche starke Direktkunden-Kanäle online aufgebaut werden können – der Erfolg der jüngst gestarteten Allianz Direct muss sich erst zeigen. Online bevorzugen die Kunden bislang Vergleichsportale oder Angebote von „Online-Maklern“, egal wie viel die Versicherer in ihre Websites, Apps und Portale investieren. Das Aufbrechen dieses Kundenverhaltens wird auch für die Allianz schwer, weil nicht zuletzt dabei auch die Gefahr besteht, die Stimmung im eigenen Vertrieb negativ zu beeinflussen.

Im Sachgeschäft, wo ein viel größerer Teil des Geschäfts bereits heute online abgewickelt wird, erreicht die Allianz daher auch heute schon deutlich geringere Marktanteile als im Lebengeschäft, wo der Vertrauensbonus der Marke mehr zieht. Und selbst im Lebengeschäft sehen wir zunehmend Insurtechs sowohl auf Makler-, als auch Versichererseite, die an der Stellung der Allianz rütteln.

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Es ist nicht gesagt, dass der blaue Riese sich in Sachen Kosten und Skalierbarkeit einen Vorteil gegenüber solchen Konkurrenten erarbeiten kann. Schiere Größe hat Skaleneffekte zur Folge, mindestens genauso häufig werden große Einheiten aber ineffizient, träge und angreifbar. Nicht zu vernachlässigen sind die Kosten und Aufwände für Modernisierung der IT. Diverse Großstörungen im vergangenen Jahr ließen Zweifel laut werden, ob der angekündigte Digitalisierungsgrad von 100 Prozent bis 2021 tatsächlich erreicht wird. Die „Legacy IT“ schwächt die Allianz nicht unerheblich.

Wie der Ausflug in die Bankenwelt im Worst Case enden kann, hat man bei der Allianz sicher nicht vergessen. Die Übernahme der Dresdner Bank scheiterte fulminant, vor etwas mehr als zehn Jahren musste man das Experiment Allfinanzkonzern schon einmal begraben - mit milliardenschweren Abschreibungen.

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Das sagt der Kolumnist

Im Bereich Leben bleibt die Allianz eine Macht. Geht der Trend in der Versicherungsbranche in Richtung Monopol, dann hat sie auf Versichererseite die besten Karten. Gleichzeitig eröffnet die Digitalisierung so viele Möglichkeiten und Spielräume, dass es eher unwahrscheinlich erscheint, dass die Allianz im Vergleich zu heute ihre Marktanteile nochmal deutlich erhöhen kann. In allen anderen Sparten wird sie sowieso weiterhin in sehr scharfem Wettbewerb stehen.

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