Trend zu Strafzinsen verstärkt sich
Strafzinsen, von Banken und Sparkassen lieber als „Verwahrentgelte“ bezeichnet, werden von immer mehr Geldhäusern auch für Privatkunden eingeführt.
Erinnern Sie sich noch an den 30. Oktober 2014? Damals führte die Deutsche Skatbank erstmals Negativzinsen für Privatkunden ein. Dem Beispiel folgten seitdem immer mehr Geldinstitute und längst sind nicht mehr nur „wohlhabende Kunden“ betroffen. Auch ING, Deutschlands größte Direktbank, denkt laut über Verwahrentgelte für Neukunden nach. Zwar gäbe es keine konkreten Pläne, Verwahrentgelt für Bestandskonten einzuführen, so Finanzvorstand Norman Tambach im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur Ende August, doch man treffe Vorbereitungen. „Wir beobachten die Marktentwicklung aber sehr genau und sehen, dass immer mehr Banken ein Verwahrentgelt für Neukonten einführen.“
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Den Marktbeobachtern von ING ist aber vielleicht auch aufgefallen, dass Strafzinsen auch für das jeweilige Geldhaus negative Folgen haben können. So zum Beispiel bei der Frankfurter Bethmann Bank. Das Geldinstitut ist im Bereich „Private Banking“ - also dem Geschäft mit vermögenden Privatkunden - nach Deutscher Bank und Commerzbank die Nummer drei im deutschen Bankensektor. Insgesamt 34,6 Milliarden Euro Kundenvermögen verwaltete Bethmann Mitte 2020. Allerdings waren rund 700 Millionen Euro Mittelabflüsse zu verzeichnen, weil Kunden die Negativzinsen nicht hinnehmen wollten.
EZB sorgt für Milliardenbelastung
Hintergrund der Negativzinsen ist der Einlagezins bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Geschäftsbanken, die bei der EZB überschüssige Mittel „parken“, müssen dafür 0,5 Prozent Zinsen zahlen. Mit der Absenkung auf -0,5 Prozent erreicht der Einlagezins im September 2019 seinen Tiefststand. Gleichzeitig wurde aber ein Freibetrag für die Banken eingeführt. Das 6-fache der Mindestreserve sollte von Einlagezinsen nicht betroffen sein. „An Strafzinsen sind eigentlich weder Banken noch Kunden interessiert. Allerdings sehen sich immer mehr Institute gezwungen, die starken Zinsbelastungen durch den negativen Einlagenzins der EZB umzulegen – daran ändert auch der seit Herbst 2019 geltende Freibetrag wenig“, so Finanzexperte Daniel Franke gegenüber Versicherungsbote.
Derzeit listet das von Franke betriebene Portal tagesgeldvergleich.net 143 Banken und Sparkassen mit Strafzinsen für Privatkunden und 128 für institutionelle Kunden auf. Doch nicht nur immer mehr Geldhäuser nehmen Negativzinsen für Einlagen. Das Verbraucherportal Verivox hat festgestellt, dass häufiger niedrigere Summen belastet werden. Nach Verivox-Auswertungen liegt der Freibetrag, den Banken Privatkunden einräumen, bei 27 Geldhäusern unter 100.000 Euro. Drei Banken kassieren bereits ab dem ersten Euro Negativzinsen von ihren Kunden.
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Strafzinsen treffen KMU
Die Strafzinsen treffen aber auch Geschäftskunden. Laut ifo-Umfrage war bereits 2017 jedes fünfte deutsche Unternehmen von Strafzinsen betroffen. Dass die Negativzinsen die Ertragslage „stark beeinflusst“ hätten, gab damals jedes zehnte Unternehmen an. Dieser Wert dürfte sich in den letzten drei Jahren erhöht haben. Im Gegensatz zu Privatkunden können Geschäftskunden nicht einfach so ihre Konten schließen und stattdessen auf dem Kapitalmarkt investieren. Geschäftskunden brauchen liquide Mittel schon allein, um Löhne und Gehälter zu zahlen. Hinzu kommen die Belastungen durch die Corona-Krise. Die von vielen befürchtete Pleitewelle im Herbst hat viele Zuflüsse aus denen sie sich speist.