Steuerreform könnte Verwirrung bei Versicherungsnehmern stiften
Die Bundesregierung will mit einem Versicherungssteuermodernisierungsgesetz bestimmte Policen steuerpflichtig machen, für die bisher keine Gelder an den Fiskus abgetreten werden müssen. Die Versicherungslobby und der Verbraucherverband BdV lehnen den entsprechenden Referentenentwurf jedoch unisono ab: Sie befürchten nicht nur mehr Bürokratie für die Versicherer, sondern auch Nachteile für die Verbraucher.
- Steuerreform könnte Verwirrung bei Versicherungsnehmern stiften
- ...weshalb der Gesetzgeber eingreifen will
- Versicherer müssen mehr prüfen
Die Bundesregierung will bestimmte, bisher steuerbefreite Versicherungen unter die Versicherungspflicht zwingen: doch das stößt sowohl beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) als auch beim Verbraucherverband Bund der Versicherten (BdV) auf Ablehnung. Nicht nur befürchten beide in seltener Einhelligkeit, dass den Versicherern durch den entsprechenden Gesetzentwurf Mehrkosten entstehen, die dann an die Versicherungsnehmer weitergereicht werden. Auch den Versicherten selbst könnten bei lang laufenden Verträgen Nachteile drohnen, warnt der BdV in einem Positionspapier von Montag.
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Vorsorgelücken steuerbefreit schließen
Konkret geht es darum, dass bestimmte Personenversicherungen bisher von der Versicherungssteuer befreit sind. Müssen für Schaden- und Unfallversicherungen aktuell 19 Prozent Steuer bezahlt werden, gilt das nicht für jene Kranken- und Lebensversicherungen, die Versicherte vor den wirtschaftlichen Folgen existenzieller Lebensrisiken schützen: Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Verlust der Arbeitskraft oder Tod. Das sind üblicherweise:
- Krankenvoll- und Krankenzusatzversicherungen (insbesondere Krankentagegeldversicherungen),
- Pflegepflicht- und Pflegezusatzversicherungen,
- Risikolebensversicherungen,
- Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Erwerbsunfähigkeitsversicherungen.
Dass der Fiskus bei diesen Verträgen nicht die Hand aufhält, hat Gründe. Es handelt sich nicht nur um Policen, die Versorgungslücken mindern und den Lebensstandard der Betroffenen aufrechterhalten sollen. Auch bewirken bestehende Lücken im Schutz oft einen Leistungsanspruch nach den Sozialgesetzbüchern. Mit anderen Worten: Wer nicht vorsorgt, muss im Zweifel mit steuerfinanzierten Sozialleistungen unterstützt werden.
...weshalb der Gesetzgeber eingreifen will
Weshalb aber will der Gesetzgeber nun manche dieser Verträge unter die Versicherungssteuer zwingen? Konkret geht es um solche Vorsorgemodelle, bei denen es nicht um den Schutz von Personen und ihrer Angehörigen geht. Und stattdessen eher Unternehmen profitieren.
Eine solche Police ist zum Beispiel die Spielerausfallversicherung. Mit diesem Vertrag können sich unter anderem Spitzenvereine der Bundesliga für den Fall absichern, dass wichtige Schlüsselspieler ausfallen - und sie ihre anvisierten Saisonziele verfehlen, etwa die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb. Weshalb ein reicher Bundesliga-Klub von der Versicherungssteuer befreit sein soll, leuchtet dem Bundesfinanzministerium, federführend beim Referentenentwurf für die Gesetzreform, nicht ein.
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Ähnliche funktionieren bestimmte Schlüsselkraftversicherungen, auch als „Keyman-Policen“ geläufig. Firmen sichern sich damit gegen die wirtschaftlichen Folgen ab, wenn eine Führungskraft gesundheitsbedingt ausfällt. Diese Verträge sollen künftig unter die Versicherungssteuerpflicht fallen.
Steuerfreiheit gilt nur, wenn der Versicherte oder naher Angehöriger profitiert
Im Referentenentwurf für das Versicherungsteuerrechtsmodernisierungsgesetz (VersStRModG) ist vorgesehen, dass Kranken-, Pflege-, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeits-Policen künftig nur dann von der Steuer befreit sind, wenn die Leistung aus dem Vertrag der Versicherte oder ein naher Angehöriger erhält. So will man verhindern, dass Firmen Steuerschlupflöcher des Versicherungssteuerrechts ausnutzen. Die neue Regel soll ab dem 1. Juli 2021 gelten.
Entsprechend sollen diese Verträge steuerpflichtig im Sinne der Versicherungssteuer werden, wenn kein Angehörigenverhältnis nach § 15 der Abgabenordnung (AO) bestehe, berichtet der BdV weiter. Das könne zu einem Problem werden, wenn im Rahmen dieser Verträge auch weitere Personen neben dem Versicherungsnehmer mitversichert werden. Ändere sich das Angehörigenverhältnis während der oft jahrzehntelang währenden Vertragslaufzeit, könne ein bisher steuerbefreiter Vertrag plötzlich dem Steuerrecht unterliegen - und umgekehrt.
Das Beispiel des Verbraucherverbandes ist aber möglicherweise nicht zutreffend. Denn er schreibt: "Nach dem Entwurfstext lösen Scheidungen, Auflösungen von Lebenspartnerschaften sowie eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft bei Fortführung des Versicherungsvertrags unmittelbar die Versicherungsteuerpflicht aus". Hier sei darauf verwiesen, dass laut § 15 AO Ehegatten und Partner auch dann noch als Angehörige gelten, wenn die "begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht". Demnach würden auch Geschiedene als mitversicherte Personen weiterhin steuerbefreit sein.
Versicherer müssen mehr prüfen
Dennoch könnte die Gesetzesreform Nachteile für Verbraucher bedeuten, wenn eine Person nicht nur sich selbst absichern will, sondern auch andere Personen. Die Assekuranzen müssten nämlich auch bei privaten Policen regelmäßig prüfen, ob sich das Verwandtschaftsverhältnis zwischen versicherter und mitversicherter Person geändert hat bzw. nicht mehr fortbesteht, sodass fortan die Beiträge für den laufenden Vertrag versteuert werden müssen. Ein deutlicher Mehraufwand, den die Versicherten wiederum mit ihren Beiträgen finanzieren müssten, gibt der BdV zu bedenken.
Ein weiteres Problem sind Kombiprodukte, etwa wenn eine Leben-Police mit einem Berufsunfähigkeits-Baustein gekoppelt wird. Hier könnte es künftig passieren, dass nur für eine bestimmte Komponente -in diesem Fall der BU-Schutz- eine Versicherungssteuer gezahlt werden muss, andere Vertragsteile aber befreit sind. Bei bestehenden Verträgen könnte während der Laufzeit die BU-Komponente steuerpflichtig werden.
„Um die Versicherungssteuerfreiheit aufrechtzuerhalten, wäre der Versicherungsnehmer durch die Neuregelung künftig angehalten, dem Versicherer fortlaufend seine privaten Lebensverhältnisse neu offen zu legen“, schreibt der BdV in seinem Positionspapier.
130 Millionen Euro Kosten, sechs Millionen Euro Einnahmen
Dass hierbei ein deutliches Missverhältnis droht, zeigt das Verhältnis von Mehreinnahmen und erwarteten Kosten. Allein im ersten Jahr soll die Steuerreform den Versicherern Mehrkosten von 130 Millionen Euro erzeugen, schätzt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die erwarteten Steuer-Mehreinnahmen dank Reform: Sechs Millionen Euro pro Jahr. Ein deutliches Missverhältnis.
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"Aus unserer Sicht ist die geplante Reform ein bürokratisches Monster und damit ein gutes Beispiel, wie Bürokratieabbau nicht funktioniert", sagt folglich Volker Landwehr, Leiter der Abteilung Steuern beim GDV, dem "Handelsblatt". Und der BdV gibt fast unisono zu bedenken: "Auch die durch den bürokratischen Aufwand des Versicherers ausgelösten Kosten werden erfahrungsgemäß mittelfristig auf die Versicherten überwälzt, was sich bei den genannten (als Summen- oder Kostenversicherung ausgestalteten) Personenversicherungen zwangsläufig in Form von Prämienerhöhungen äußert".
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