Joachim Wenning ist Vorstandsvorsitzender des größten Rückversicherers Munich Re: Als solcher kennt er sich aus mit großen Schaden-Ereignissen wie Naturkatastrophen oder Terroranschlägen. Dennoch musste der 55jährige in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ einräumen, dass die Corona-Krise den Versicherer an den Rand der Kapitulation gebracht habe. „Die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns waren nicht auf dem Zettel - einfach weil es solche Lockdowns bisher nie gab“, sagt der Manager.

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Man habe zwar im Großen und Ganzen die Pandemie frühzeitig richtig eingeordnet, „etwa was Lebens- und Gesundheitsversicherungen angeht oder die anfänglichen Schocks an den Kapitalmärkten“. Trotzdem gebe es immer wieder neue Erkenntnisse, die ein Umdenken erzwingen.

Hohe Schäden durch Veranstaltungsausfälle

Das liegt auch daran, dass die Münchener in einigen besonders betroffenen Sparten stark engagiert sind. Beispiel Veranstaltungsausfallversicherungen: Bei diesen Policen besitze die Munich Re einen recht hohen Marktanteil und habe hohe Schäden zu verzeichnen, erklärt Wenning in dem Interview.

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Genaue Zahlen nennt der Manager zwar nicht. Aber bereits im Februar zu Beginn der Coronakrise hatte Wenning kommuniziert, dass es allein in dieser Sparte um einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag gehen könnte. Kein Wunder: Die Munich war bei zahlreichen Großveranstaltungen als Versicherer mit im Boot, unter anderem den Olympischen Sommerspielen, die am 24. Juli 2020 in Tokio beginnen sollten. Bei vielen versicherten Events seien Seuchen-Risiken Teil des Schutzes. Ebenfalls stark betroffen seien darüber hinaus Reise- und Betriebsunterbrechungsversicherungen, "soweit gedeckt".

noch keine Prognose für das laufende Geschäftsjahr

Wie viel die Coronakrise die Munich Re letztendlich kosten werde, kann Wenning aber noch nicht sagen, wie er in dem Interview betont. Zum einen hänge das in der Leben-Sparte davon ab, „wie lange sich das Virus wie gefährlich weiter ausbreiten wird“. Zum anderen in der Sach- und Haftpflichtversicherung, „wie Sachverhalte…am Ende rechtlich gewürdigt werden“.

Diese Aussage lässt erkennen, dass auch die Münchener in Rechtssttreite um Corona-Schadenszahlungen verwickelt sind. Er erwarte zwar keine Prozesslawine, sagt der Munich-Re-Chef, aber „das ein oder andere Schiedsgerichtsverfahren würde ich nicht ausschließen“.

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Auch wie sich die Coronakrise konkret auf die Jahresbilanz des Versicherers 2020 auswirken werde, dazu wollte Wenning noch keine Stellung beziehen. „Zum einen waren wir bis zu Corona auf einem guten Wachstumspfad. Als die Pandemie ausbrach, traf uns das natürlich auf der Kapitalanlageseite. Aber wir waren gegen den Aktien-Crash sehr gut geschützt durch Absicherungsgeschäfte. Bei der Schadenssituation ist es dagegen noch zu früh für eine Aussage.“

"Nicht beliebig viele Lockdowns"

Die Frage des Interviewers, ob die Weltgemeinschaft im Kampf gegen das Coronavirus vielleicht überreagiert habe, verneint Wenning - und zeigt Verständnis für Lockdowns und Hilfspakete. "Dass die Industriestaaten zum Schutz ihrer Bevölkerung zunächst ihre Reserven mobilisiert haben, war für mich eine Selbstverständlichkeit. Das würden Eltern ja auch für ihre Kinder tun. Aber ja: Man muss aufpassen, das System nicht zu überdehnen. Es lassen sich nicht beliebig oft Lockdowns verkünden." Man dürfe zum Beispiel nicht ausblenden, welche Folgen wachsende Arbeitslosigkeit und kollabierende Sozialsysteme hätten.

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Mit Blick auf zukünftige Pandemien ist Wennings Zukunfts-Prognose durchaus pessimistisch. Schon aufgrund der Globalisierung und der vernetzten Weltwirtschaft müsse man damit rechnen, dass Pandemien künftig häufiger auftreten können - auch gefährlichere Erreger mit höherer Letalität. Von pandemischen Vorfällen wie der Spanischen Grippe, die weltweit bis zu 50 Millionen Todesopfer gefordert haben soll, sei Corona noch "sehr sehr weit entfernt".

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