Versicherungsbote: Frauen sind in der Makler-Branche stark unterrepräsentiert, wie auch die letztjährige Branchenmesse DKM gezeigt hat. Die Diskussionsrunden bei der Speakers-Corner waren, mit Ausnahme einer Moderatorin, ausschließlich männlich besetzt. Was läuft da schief? Und was muss passieren, um mehr Frauen für die Branche zu gewinnen?

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Stefanie Schlick: Ihre Beobachtung kann ich unterstreichen, in unserer Branche schreibt sich in der Breite immer noch ein eher traditionelles Bild fort. Aber seitens der Generali haben wir Initiativen geschaffen, um den kulturellen Wandel anzuschieben – für mehr Geschlechtervielfalt und Integration, denn „Diversity“ bedeutet mehr als nur „Frauen in Führung“. Und ich habe bei der Generali als Mutter von zwei kleinen Kindern die Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinen. Hier wurde ich im Konzern sehr unterstützt.

Können Sie Beispiele nennen, wie die Generali etwas für mehr Diversität unternimmt?

Die Generali in Deutschland betreibt und fördert verschiedene Initiativen, Programme und Maßnahmen, um einen kulturellen Wandel für die Geschlechterchancengleichheit, Vielfalt und Integration zu schaffen. So wurde beispielsweise ein „Diversity & Inclusion Council“ gegründet, der eine vielfältige und integrative Unternehmenskultur fördert. Darüber hinaus gibt es ein Frauen-Netzwerk mit besonderem Fokus auf die Förderung der Karriere von Frauen. Mit Initiativen wie „Unconscious-Bias-Trainings“ wollen wir den Nutzen, den Diversity jedem von uns und dem Unternehmen bringt, verdeutlichen. Diversity kann nicht verordnet, sondern muss gelebt werden. Da ist jeder Einzelne gefragt.

Insgesamt als Branche würde uns Diversity sehr gut stehen. Dabei bedeutet Diversity noch mehr, nämlich Kreativität, Meinungsvielfalt und neue Denkweisen. Jeder Einzelne, gleich auf welcher Ebene, kann sich überlegen: Will ich mit jemandem zusammenarbeiten, der mich selbst weiterbringt? Oder will ich einen Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin einstellen, der/die mir – zugespitzt formuliert – jederzeit sagt: „Ach Mensch, genau dieselbe Einstellung habe ich auch“? Es ist manchmal einfacher, mit jemandem zu diskutieren, der meine Meinung teilt und eine ähnliche Sichtweise hat. Wertvoller sind aber oft andere Positionen.

Es gibt Frauen, die eigentlich in die Vorstandsetage gehören, aber die aufgrund der Belastungen ein bisschen Angst davor haben, diesen Weg auch zu beschreiten. Wie ist Ihre Meinung?

Ich verstehe, dass Frauen Respekt vor der Aufgabe haben, Privatleben und Vorstandsposten zu verknüpfen, weil eine Vorstandstätigkeit viel Organisation erfordert. Und sie bringt Entbehrungen mit sich: auf beiden Seiten. Als Mutter wäre ich selbst gerne häufiger bei meinen Kindern. Das wissen sie auch. Aber wir haben uns bewusst als Familie dafür entschieden, dass wir diesen Weg gehen und den beiden Kindern erklärt, was das für sie bedeutet.

Ein Beispiel aus der Vor-Corona-Zeit: Wenn ich auf Dienstreisen bin, und es passiert etwas zuhause, kann ich nicht schnell da sein. Selbst wenn ich mich sofort in das Auto setze oder in den Flieger, dauert es manchmal Stunden, bis ich wieder bei den Kindern bin. Ich kann auch nicht jeden Tag meine Kinder mittags von der Schule abholen wie manche anderen Mütter. Ich kann es nachvollziehen, dass Frauen sagen: „Ich möchte das nicht; ich möchte in den ersten Jahren ganz für meine Kinder da sein.“ Diese Entscheidung betrifft aber auch männliche Vorstände.

Bedeuten solche Entscheidungen nicht dennoch, dass die Unternehmen zu wenig tun, um es Frauen bei ihrer Karriere leichter zu machen?

Es gibt bereits einen Bewusstseinswandel – das sieht man auch international. In europäischen Firmen gibt es mittlerweile etliche Frauen, die in der Vorstandsetage Beruf und Familie vereinen. Aber auch sie stellen sich die Frage: Was passiert mit meinem Kind? Ist es machbar, dass ich mein Kind zu einer Tagesmutter oder frühzeitig in eine Kita gebe? Das ist in anderen Ländern gang und gäbe, etwa in Frankreich oder Schweden. In Deutschland ist es noch nicht so Usus, einen Säugling zu einer Tagesmutter zu geben oder in die Kinderkrippe, was auch an Vorurteilen gegenüber berufstätigen Müttern liegt. Auch ich musste erfahren, dass andere Eltern mit Entsetzen reagierten, als sie merkten, wie früh ich mein Kind in die Krippe gab. Niemand will sich dem Vorwurf aussetzen, eine schlechte Mutter bzw. ein schlechter Vater zu sein.

Aber was sind die Alternativen? Wenn ich als Vorständin arbeiten möchte, kann ich nicht zwei bis drei Jahre zuhause bleiben. Also brauchen wir Lösungen. Aber da müssen nicht nur die Unternehmen etwas tun, da müssen auch der Staat und die Kommunen entsprechende Voraussetzungen schaffen. Deutschland hat noch viel Nachholbedarf, was das Thema der Integration von Müttern ins Berufsleben betrifft.

Ich bin froh, dass die Generali einen Rahmen geschaffen hat, der die Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf erleichtert.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig