Getsurance muss in die Insolvenz
Mit großen Ambitionen gestartet, nun -vorerst- gestrauchelt: Das Berliner Insurtech Getsurance hat einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Kundinnen und Kunden des Digitalvermittlers sollen weiterhin betreut werden. Hintergrund sollen Spannungen mit einem Investor sein.
“Versicherung ohne Papierkram - schnell, einfach, günstig!“ So wirbt der Digitalvermittler Getsurance auf seiner Webseite für sich selbst. Im Schaufenster teils komplexe Versicherungen gegen biometrische Risiken: unter anderem Berufsunfähigkeits-Policen. „Unsere Versicherungen sind schnell und unkompliziert!“, schreibt das junge Unternehmen. Und weiter: „Wir wollen, dass jeder seine Lebensrisiken online absichern kann!“
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Aber nun ist das Berliner Unternehmen selbst in existentielle Nöte geraten. Wie das Onlineportal gruenderszene.de am Donnerstag berichtet, mussten die Berliner einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Als Insolvenzverwalter wurde der Rechtsanwalt Friedemann Schade von der Berliner Kanzlei BRL eingesetzt. Über die Gründe der finanziellen Schieflage wollten sich weder der Anwalt noch Getsurance selbst äußern, berichtet das Gründer-Portal.
Die Webseite zitiert einen NZZ-Artikel von September, wonach ein Zerwürfnis mit dem Investor Postfinance die Ursache sein könnte. Die Schweizer haben sich mit einer Million Euro in das Start-up eingekauft und halten rund 20 Prozent der Anteile. Gründer Viktor Becher klagte damals, geplante Folgeinvestitionen seien ausgeblieben und der Investor würde "schlechte Stimmung" verbreiten, weil er mit den Zahlen unzufrieden sei. Auch mutmaßte er, die Bank wolle ihn aus dem eigenen Unternehmen drängen.
Insolvenzverwalter Schade bestätigte gegenüber Gründerszene, dass die Geschäfte des Versicherers weitergeführt werden und der Kundenstamm weiter betreut werden soll. Ziel sei es nun neue Investoren zu finden, die zum Jahresende einsteigen wollen. Die Zeit eilt folglich: binnen zweieinhalb Monaten muss geliefert werden.
Komplexe Produkte, volldigital
Getsurance wurde 2016 von Johannes Becher, der früher für die Zalando-Mutter Rocket Internet arbeitete, gemeinsam mit seinem Bruder Viktor gegründet. Die Ansprüche der jungen Starter waren ehrgeizig. Man wollte mit volldigitalen Policen durchstarten: und zwar in der Lebensversicherung mit Schwerpunkt biometrische Risiken.
Es handelt sich um eine Sparte, die als sehr beratungsintensiv gilt, weshalb selbst Verbraucherschützer Kundinnen und Kunden vom Online-Abschluss abraten, sofern sie nicht bereits Vorwissen mitbringen. So müssen Interessierte Gesundheitsfragen beantworten, wenn sie einen solchen Vertrag beantragen: Schon kleine Fehler können hier dazu führen, dass der Versicherte im Leistungsfall seinen Schutz verliert. Stichwort: Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung.
Das Start-up sah sich zuletzt Kritik ausgesetzt. Ein populär beworbenes Angebot: die Krebsversicherung, geriet ins Visier der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, die öffentlich vor dem Produkt warnte. Der Grund: Vorstufen von Krebs seien nicht versichert, häufige Formen gar ausgeschlossen. Dennoch ist der Schutz recht teuer: Ein 58-Jähriger, der eine Police über 50.000 Euro Einmalzahlung abschließt, muss monatlich 40,99 Euro zahlen.
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Wie bei vielen anderen Digitalvermittlern auch läuft das Geschäft von Getsurance nur langsam an: Investoren brauchen Geduld. Im Februar 2020 bezifferte Vorstand Viktor Becher den Bestand gegenüber "Cash Online" auf 6.000 Verträge. Er sagte aber auch, dass der Versicherer monatlich rund 1.000 Policen hinzugewinnen könne.
Update: In einer älteren Version des Textes war von Digitalversicherer die Rede. Das ist falsch. Getsurance ist ein registrierter Versicherungsvermittler. Mittlerweile ist die Nürnberger Versicherung als Partner und Lead-Investor eingestiegen. Der Einstieg erfolge im Wege eines Insolvenzplans, durch den Getsurance entschuldet und neu finanziert werde, teilt der Versicherer mit. Die Marke solle erhalten werden.