Gemischte Gefühle – von den Zweifeln an der Alltagsautomatisierung
Über die Angst vor dem Fortschritt in Digitalisierung und Automation sowie Chancen, die Nichtanwender verstreichen lassen, schreibt Alexander Steiner, Chief Solution Architect der meta:proc GmbH, im Gastkommentar.
- Gemischte Gefühle – von den Zweifeln an der Alltagsautomatisierung
- Auf Ursachenforschung
Mit der fortschreitenden Digitalisierung wächst auch zunehmend die Begeisterung für jede Weiterentwicklung auf diesem Gebiet, was zu einem positiven Ausblick in die Zukunft führt. Bereits 44 Prozent der deutschen Öffentlichkeit standen Ende des vergangenen Jahres einem Einzug der Digitalisierung in alle Lebensbereiche offen gegenüber – das sah vor wenigen Jahren noch ganz anders aus. Vor allem die Bevölkerungsgruppe der unter 50-Jährigen spielt bei der Zusammensetzung dieses Werts eine tragende Rolle.
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Ob im Privat-, Bildungs- oder Berufsleben: Digitalisierung findet heute in all diesen Bereichen Platz und erleichtert, teils unbemerkt, unser Leben erheblich. Allerdings fällt die Wahrnehmung des Themas höchst unterschiedlich aus, was vermutlich an den unzähligen Begriffsdefinitionen und Schwerpunkten in den verschiedenen Lebensbereichen liegt. Vielleicht lässt deshalb ein Großteil – darunter selbst begeisterte User – nicht unerhebliche Mengen an Potenzial liegen. Automatisierung, um nur einen Teilbereich der Digitalisierung herauszunehmen, leidet noch immer unter der öffentlichen Wahrnehmung als eine zu komplexe sowie unsichere Technologie und wird deshalb häufig nicht genutzt.
Dabei bekommt nahezu jeder, der sich mit elektronischen Geräten umgibt, etliche Möglichkeiten gleich mitgeliefert. Vielen fehlt aber auch einfach nur das Verständnis, um sinnvolle Anwendungsfälle zu finden – vergleichbar mit dem Besitz einer gut ausgestatteten Küche, jedoch ohne Idee vom Kochen. Im Gegensatz zur Automatisierung ist der Reiz, Dinge auszuprobieren, für den ambitionierten Hobbykoch viel größer. Möglicherweise, weil dies von Kind auf in die Gedankenwelt integriert wird. Um allerdings eine ähnliche Generation der ‚Automation Natives‘ hervorzubringen liegt es an uns, ihnen diese Automation vorzuleben.
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Einfach, schnell und... ungenutzt
Möglichkeiten für automatisierte Abläufe bieten sich alltäglich in jeder Lebenslage – sie müssen nur erkannt werden. Sei es der Kalender, der sich durch bestimmte Algorithmen in der Lage sieht, Terminwünsche direkt zu beantworten – heißt, sie entweder am entsprechenden Datum einzutragen oder die Anfrage abzulehnen. Oder das intelligente E-Mail-System, das Spam sofort aus- und erwünschte Nachrichten, auf der Basis festgelegter Schlagwörter, automatisch in dafür vorgesehene Ordner einsortiert. Auf Basis des Verständnisses solcher Kleinstprozesse entwickelt sich eine Sensibilität, die eine schrittweise Identifikation komplexerer Arbeitsabläufe und eine Erweiterung dieser Kernprozesse ermöglicht. Beispielhaft indem ein SmartHome-System an den Kalender gekoppelt wird, um die Heizung terminbasiert zu steuern.
Auf Ursachenforschung
Es dürfte Einigkeit darüber herrschen, dass alle diese Möglichkeiten von Nutzen, wenn nicht sogar extrem alltagserleichternd sind. Doch trotz allgemeiner Verfügbarkeit sind diese Tools noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Begann es auf dieser Ebene eher spielerisch, lassen sich nun Zusammenhänge zwischen manuell durchgeführten Prozessen und deren Automatisierungspotential ausloten und sehr leicht auf den Arbeitsalltag übertragen. Dennoch werden sogar Tools, die kostenlos zur Verfügung stehen, nur spärlich genutzt. Woran liegt das? Sind diese Möglichkeiten unbekannt? Ist deren Nutzung zu kompliziert? Sehen potenzielle Anwender ihren persönlichen Nutzen nicht? Oder ist es einfach die Gewohnheit, die sie davon abhält ihr Leben einfacher zu machen?
Auf Ursachenforschung
Ein möglicher Erklärungsansatz liegt in der Abstraktheit der Vorgänge. Trotz jahrelangen Gebrauchs ‚unsichtbarer Werkzeuge‘ wie beispielsweise Spamfilter, Suchmaschinen oder personalisierte Informationsdienste, ist der Mensch naturgemäß haptisch veranlagt: Was er nicht sieht und nicht berühren kann, kann er oft nicht realisieren. Selbst das Beschäftigen mit potentiell einfach nachvollziehbaren Schritten wird mit dem Verweis auf vermeintlich mangelndes technisches Verständnis häufig schnell verworfen. Oftmals bleiben daher Möglichkeiten für den unbedarften Endnutzer sogar gänzlich unerkannt, obwohl sie nur einen Click weit entfernt wären. Zudem wird Automation nicht selten mit dem Bild des gläsernen Nutzers assoziiert. Die Sorge um Verlust und Missbrauch von persönlichen Daten erweist sich somit als zusätzliches Hemmnis bei der intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik oder verhindert sogar es auf die Tagesordnung zur Diskussion einer neuen Unternehmensstrategie zu setzen.
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Gegen die Vorurteile
Angst vor Datenklau und Jobverlust hat sich tief in der Diskussion um autonome Prozesse festgesetzt – auch immer wieder angeheizt durch ausufernde Medienberichte zu fehlender Sicherheit oder dem Arbeitsplatzkiller Automation. So glaubt laut einer Studie jeder dritte Deutsche, die Kontrolle über seine Daten verloren zu haben.
Alle Bereiche, die auf der Basis personenbezogener Daten operieren, unter Generalverdacht zu stellen, wird der Komplexität der Thematik allerdings nicht gerecht. Insgesamt erhält der Datenschutz in Deutschland ein gutes Zeugnis, Negativausnahmen bilden dort einzig und allein soziale Netzwerke. Diese nutzt die breite Masse jedoch weiterhin. Ebenso verwendet ein Großteil derer, die sich um den Abbau von Arbeitsplätzen sorgt, Automationen wie Online-Banking, Online-Booking oder Smart-Metering ohne den Einfluss auf den Arbeitsmarkt groß zu hinterfragen. Es wirkt paradox. Mit ein wenig mehr Vertrauen in neue Technologien lässt sich ohne großen Aufwand viel Zeit sparen und das alltägliche Leben in privater und beruflicher Hinsicht vereinfacht sich erheblich. Prozessautomatisierung stellt sich für viele allerdings auch immer als eine Pionierleistung dar und muss auch dementsprechend behandelt werden. Das Hinterfragen von Argumenten für und wider Automatisierung sowie das Ausprobieren und Lernen aus Fehlschlägen sind der Schlüssel für Erfolge im privaten und betrieblichen Umfeld. Die grundsätzliche Möglichkeit der Identifikation von Automatisierungspotenzialen ergibt sich jedem mit einem Zugang zur digitalen Welt – sei es auf dem Smartphone, auf dem PC oder allgemein im Berufsalltag – und mit aufmerksamer Betrachtung seiner Prozesse. Eine Einstellung mit größerer Neugier auf Fortschritt und Innovation gilt hier als Erfolgsrezept – und sollten Fragen zunächst unbeantwortet bleiben, hilft ein Gespräch mit dem jeweiligen Fachmann, um die notwenige Starthilfe für einen Schritt in die Zukunft zu erhalten.
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Über den Autor
Alexander Steiner ist Chief Solution Architect der meta:proc GmbH in Köln und übersetzt Kundenanforderungen in technisch umsetzbare Lösungen. Dabei nutzt er zuvor gemeinsam entwickelte Strategien, um die RPA- Implementierung optimal und möglichst nahtlos in eine existierende Unternehmens- und Prozesslandschaft einzubetten.
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