Versicherungsbote: Die Verbraucherzentralen meldeten sich vor kurzem in Person von Niels Nauhauser zu Wort. Nauhauser leitet bei der VZ Baden-Württemberg den Fachbereich Finanzdienstleistungen und fiel mit der Forderungen auf, dass Verbraucher ihre Altersvorsorge in die eigenen Hände nehmen sollten, weil es in Deutschland keine bedarfsgerechte Beratung geben würde. Ist das aus Ihrer Sicht noch Verbraucherschutz?

Anzeige

Andreas Schwarz


...ist 1. Vorsitzende im Präsidium des Bundesverbands der Sachverständigen im Versicherungswesen (BVSV). Der eingetragene Verein ist immer auf der Suche nach geeigneten Standorten für seine Verbraucherzentren und tatkräftigen Mitstreitern.

Andreas Schwarz: Das hat mit Verbraucherschutz nichts mehr zu tun. Wer einen gewissen Anspruch an die Qualität der Auskunft hat, dem wird klar sein, dass er dafür Geld in die Hand nehmen muss. Wenn vor Maklern gewarnt wird, weil diese provisionsorientiert seien und deshalb empfohlen wird, Altersvorsorge selbst in die Hand zu nehmen, hat das mit Verbraucherschutz nichts mehr zu tun und ist aus meiner Sicht sogar gefährlich. Sachkundeprüfung, Zulassung, Registrierung und Weiterbildung: Mit all diesen Instrumenten soll Qualität sichergestellt werden. Nauhauser will diese Qualität den Menschen vorenthalten. Wohin soll der Verbraucher denn sonst gehen, wenn nicht zum sachkundigen Fachmann, der sich regelmäßig weiterbilden muss? Warum sollte man Menschen empfehlen, diesen Fachmann nicht mehr aufzusuchen? Das ist aus meiner Sicht hochgradig gefährlich.

Verbraucherzentralen spielen im Geschäft mit der Altersvorsorge-Beratung gegen Entgelt ja ordentlich mit. Wie sehen Sie deren Aussage vor diesem Hintergrund?

Da ist etwas Wahres dran. Die meisten Bürger haben aber noch nicht verstanden, dass dahinter ein Geschäftsmodell steckt. Wer Beratung zur Altersvorsorge anbietet, sollte auch über entsprechende Zulassungen verfügen. Im Unterschied zu Maklern, haften Verbraucherschutzzentralen aber nicht für die Ratschläge, die sie anderen erteilen. Dass die Verbraucherschutzzentralen mit ihren Beratungen gutes Geld verdienen, lässt sich aus deren Tätigkeitsberichten herauslesen. Es kann einfach nicht angehen, dass Verbraucherschutzzentralen gegen Entgelt Beratungsleistungen zu Versicherungsthemen anbieten, ohne über die entsprechenden Zulassungen zu verfügen.

Beratungsqualität ist keine Frage der Vergütung. Darauf können wir uns sicher einigen. Aber was sind denn umgekehrt Erkennungsmerkmale von Beratungsqualität? Wie stellt man die sicher? Ich denke dabei auch an Ihre Kooperationspartner in den Verbraucherzentren.

Markterfahrung, Zulassung und Weiterbildung: Das sind die Säulen, auf die sich Beratungsqualität stützt. Deshalb sagen wir: In unseren Verbraucherzentren sitzen nur Menschen, die darüber verfügen. Denkt man den Ansatz von Nauhauser zu Ende, rät er ja Verbrauchern, das selbst zu machen, wofür andere separat ausgebildet wurden. Dass uninformiertes Vorgehen schlimmstenfalls die Altersvorsorge kosten kann und dass niemand anderes für die möglicherweise falschen Ratschläge haftet, unterschlägt Nauhauser. Ich frage mich, wie man so etwas mit ruhigem Gewissen fordern kann.

Mit Wohlwollen lässt sich der Beitrag von Nauhauser als Beitrag gegen den Bankvertrieb lesen. In diesem Bereich vergeht kaum eine Woche ohne neue Kooperationsmeldungen. Bancassurance ist dafür das Stichwort. Bedroht diese Entwicklung Ihr Geschäftsmodell?

Nein gar nicht. Ich habe schon vor Jahren gesagt: ‚Der Einzelmakler wird es schwer haben - allein wegen der Digitalisierung‘. Das kostet unheimlich viel Geld und das muss verdient werden. Banken bauen jetzt Plattformen und versuchen, die Kunden darüber zu steuern. Natürlich kann man das machen.
Aber qualitative Beratung findet darüber nicht statt. Wonach werden die Tarife online gefiltert? Preis oder Leistung? Passt das Produkt überhaupt zu meinem Bedarf? Und welche Risiken habe ich überhaupt? Das sind alles Fragen, die derzeit bei den meisten Plattformen kaum eine Rolle spielen oder nicht darstellbar sind. Mag sein, dass sich das ändert. Stand heute ist das flächendeckend aber nicht so. Für Makler, die über ein gut gepflegtes Netzwerk verfügen, ist das keine Bedrohung. Kunden, die online allein für ihren Versicherungsschutz sorgen wollen, haben genug Möglichkeiten das zu tun.

Allein schon durch die Lage vieler Ihrer Verbraucherzentren sind Sie nah dran an Gewerbetreibenden. Wie wirkt sich die Debatte um Leistungspflicht aus der Betriebsschließungsversicherung darauf aus, wie die Versicherungsbranche gesehen wird?

Im Kern lautet der Versicherungsdanke, dass man Geld dafür bezahlt, dass ein bestimmtes Risiko ausgelagert wird. Wer sich versichert, hat also die Erwartungshaltung, dass er auch Leistungen aus seiner Versicherung erhält. Einige Versicherer haben nicht gezahlt, weil deren Bedingungswerke nachteilig für den Versicherten formuliert sind. Und hier zeigt sich wieder, warum es eben Fachleute braucht: Wir überprüfen, ob das, was versichert sein soll, auch wirklich abgedeckt ist. Dafür muss natürlich genau analysiert werden, welcher Bedarf überhaupt besteht. Und genau das machen wir in den Gewerbezentren. Dort arbeiten nur spezialisierte Fachkräfte, die ohne Verkaufsdruck Auskunft geben können.

Dabei heißt es doch immer:„Versicherungen werden verkauft und nicht beraten“? Was halten Sie von dem Spruch?

Anzeige

Ach, das ist abgedroschen und hat schon lange keine Gültigkeit mehr. Im Informationszeitalter kann es nicht nur um Verkauf gehen. Es geht um Beratungsqualität - das ist ein ganz anderes Level. Diese Goldgräberstimmung, dass man jedem alles verkaufen kann - das ist schon lange vorbei. Und das ist auch gut so. Wer Verbraucherschutz stärken will, muss dafür sorgen, dass er in jene Hände kommt, die es dürfen: zugelassene, registrierte Makler oder Mehrfachagenten, die auch eine Weiterbildung zum Sachverständigen absolviert haben. Es gibt viele Makler, die von Gerichten als Sachverständige anerkannt werden. Diese Qualität gilt es auszubauen. Unser Ziel ist es, dem Markt solche Fachleute zur Verfügung zu stellen. Und das gelingt uns auch.

Das Video-Interview mit Andreas Schwarz kann auch auf Youtube angesehen werden: https://youtu.be/PeUuGEF3Njg