Der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) hat letzte Woche zum 17. Hauptstadtgipfel geladen: Coronabedingt als hybride Veranstaltung, sodass nur wenige Mitglieder ins Berliner Hotel Bristol geladen waren, die Mehrheit aber online die Ergebnisse verfolgen musste. Finanzpolitiker mehrerer Parteien gaben hierbei Antworten zu Fragen, die der Branche besonders auf der Seele brennen: in diesem Fall der geplante Provisionsdeckel für Lebensversicherungen und ein Aufsichtswechsel für 34f-Vermittler von den IHKen zur BaFin.

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Aufsichtswechsel zur BaFin vorerst kein Thema mehr

Zumindest aus Sicht der Vermittler hat der AfW hierbei Positives zu berichten, was er aktuell in einem Pressetext tut. So ist der wechselt die Aufsicht für Finanzanlagenvermittler doch nicht zur BaFin - zumindest vorerst. Und das, obwohl ein entsprechender Referenten-Entwurf bereits erste Gesetzgebungshürden genommen hatte.

Grund für den Stopp seien große Einwände gegen das Vorhaben gewesen, berichtete Carsten Brodesser, CDU-Mitglied im Finanzausschuss. „Der Normenkontrollrat etwa hat kritisiert, dass man keinerlei Alternativen geprüft hat, man hat die Bedenken der Fachleute einfach so weggewischt“, zitiert der AfW den promovierten Volkswirt. So sei etwa ein Kompromissvorschlag gescheitert, die Aufsicht bis 2024 gruppenweise zu übertragen. Dabei gehe es auch um die notwendigen finanziellen Mittel: 80 Prozent der Kosten – etwa durch die Einrichtung von 280 neuen Vollzeitstellen bei der BaFin – würden nämlich im Vorfeld vollständig und nicht schrittweise anfallen. „Diese Kosten kann man nicht lediglich einem Teil aufbürden, nämlich den rund 9.000 Vermittlern der ersten geplanten Übertragungsstufe“.

Dennoch dränge speziell der Verbraucherschutz weiterhin auf einen Aufsichtswechsel, berichtete Brodesser. Und der könnte bald auch den Versicherungsvertrieb beschäftigen, denn neben Finanzanlagenvermittlern habe der Verbraucherschutz auch den Versicherungsvertrieb im Blick. „Ich hätte da größte Bedenken, eine Vollübertragung werde ich mit allen Kräften bekämpfen“, sagte der 53jähre, der selbst im Vertrieb tätig war.

"Durchschnittswert von 1.000 Euro"

Zum Aufsichtswechsel äußerte sich auch Lothar Binding, Mitglied im Finanzausschuss und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er befürwortet einen solchen laut Pressetext, schloss aber nicht aus, dass das Gesetzvorhaben um ein bis zwei Jahre verschoben werden muss. Auch, weil gerade andere Themen mehr Priorität hätten: etwa Gesetze, um die Coronakrise zu bewältigen.

Binding wies aber Aussagen von Kritikern zurück, wonach eine BaFin-Aufsicht die Vermittler deutlich mehr Gebühren kosten werde als die Aufsicht durch die Gewerbekammern. "Das Finanzministerium hat einen glaubhaften Durchschnittswert von rund 1.000 Euro pro Vermittler ermittelt. Die Mehrheit der betroffenen Vermittler wird damit logischerweise weniger zahlen. Im Vergleich zu heute werden die Mehrkosten für Finanzanlagenvermittler auf jeden Fall erträglich sein", versicherte Binding. "In der Branche kolportierte Angaben von 4.000 Euro für einzelne Anlagevermittler könne auf Fachebene niemand nachvollziehen - dazu fehlt noch eine klare Berechnungsgrundlage der Branchenvertreter.“

Frank Schäffler, FDP-Politiker und -wie seine beiden Kollegen- Mitglied im Finanzausschuss des Bundestags, lehnt einen Aufsichtswechsel hin zur BaFin ab. Und gibt der Behörde angesichts des Wirecard-Skandals noch einen rhetorischen Kinnhaken mit. Die Aufsichtsleistung der BaFin „nicht immer auf Höhe der Zeit, das ist auch eine Frage der Führung in dieser Behörde.“ Grundsätzlich neue Regelungen zu schaffen halte er für falsch, gab der 52jährige zu bedenken. Daher sei der Untersuchungsausschuss zu Wirecard wichtig, „denn mögliches organisatorisches Fehlverhalten innerhalb der BaFin muss erst untersucht werden. Dann kann man entscheiden, ob man mit dem bestehenden Personal weitere Reformen umsetzt“.

Provisionsdeckel vorerst gestoppt

Aufgeschoben bleibt auch das andere große Regulierungsvorhaben: die Einführung einer Deckelung der Provisionen für Lebensversicherungen und Restschuldversicherungen. Ein Provisionsdeckel werde in dieser Legislaturperiode wohl keine Rolle mehr spielen, erklärte Frank Schäffler. „Allerdings wird eine mögliche schwarz-grüne Regierung das Thema nach der Wahl Ende 2021 sicherlich wieder auf die Agenda setzen. Ein erneutes Aufbäumen der Branche wird dann erforderlich sein“, sagte der FDP-Politiker.

Mit Blick auf Restschuld-Policen und ihren teils exorbitant hohen Provisionen -teils zahlen die Anbieter mehr als 50 Prozent des Beitrags- forderte Schäffler eine "Abkühlphase": Ähnlich wie in Großbritannien solle eine verpflichtende zeitliche Entkopplung zwischen dem Abschluss von Kredit und Restschuldversicherung eingeführt werden.

CDU-Politiker Brodesser plädiert mit Blick auf Restschuldpolicen sogar für einen "doppelten Provisionsdeckel", um Provisionsexzessen vorzubeugen: Laut einem Unions-Vorschlag sollen maximal 2,5 Prozent für die Provision und zusätzlich maximal 50 Prozent Verwendung der Prämie für die Provisionen eingeräumt werden. Den Deckel für Lebensversicherungen bezeichnete Brodesser hingegen als "Schwachsinn im geplanten Modell“.

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SPD-Finanzexperte Binding sprach davon, dass beim Provisionsdeckel in der Regierungskoalition ein Kompromiss denkbar sei, der darin bestehen könnte, nur eine alleinige Regelung für die Restschuldversicherung umzusetzen. Aber auch hier gebe es derzeit keinen konkreten Zeitplan.