Wir erwarten, dass sich nachhaltige Anlagekriterien zu einem Standard entwickeln
Nachhaltige Kriterien gewinnen in der Vermögensverwaltung an Bedeutung: bei aktiven und passiven Investments. Auch die DWS Group, einer der weltweit führenden Vermögensverwalter, nimmt vermehrt ESG-Anlagekriterien (Environment, Social, Governance) in den Blick. Der Versicherungsbote sprach darüber mit Simon Klein, Global Head of Passive Sales, DWS.
- Wir erwarten, dass sich nachhaltige Anlagekriterien zu einem Standard entwickeln
- Der Begriff "passiv" führt etwas in die Irre
- Nachhaltige Anlagekriterien werden sich zu einem Standard entwickeln
Versicherungsbote: Ihr Schwerpunkt sind passive Investments: also Anlagen etwa in Indexfonds. Zunächst grundsätzlich: Warum passive Anlagen? Was sind Vorteile und Nachteile? Mir scheint, es gibt mittlerweile einen fast schon ideologischen Disput zwischen Gegnern und Befürwortern.
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Simon Klein: Der schnelle Erfolg von börsengehandelten Indexfonds – auf Englisch Exchange Traded Funds, also ETFs – hat sicherlich am Anfang zu Missverständnissen geführt, die aber aus unserer Sicht mittlerweile aus der Welt geräumt sind. Institutionelle Investoren wie zum Beispiel Versicherungen nutzen ETFs als einen weiteren möglichen Baustein für ihre Asset Allocation. ETFs bieten beispielsweise die Möglichkeit, schnell und kostenefizient eine Position in einer Anlageklasse aufzubauen, was zum Beispiel über Investments in einzelne Unternehmensanleihen eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen kann. Vorteile bieten ETFs auch beim Risikomanagement, da man Absicherungsstrategien sehr genau auf die jeweiligen Indizes abstimmen kann, die von den ETFs abgebildet werden. Aber es bestreitet keiner, dass ETFs nicht alles können. Wer illiquide Anlageklassen wie Immobilien oder Private Equity abbilden will, braucht andere Instrumente.
Laut einer Umfrage im Aufrag Ihres Hauses beabsichtigen 65 Prozent von 131 Befragten internationalen Pensionseinrichtungen, nachhaltiger und klimabezogener zu investieren. Beobachten Sie hier einen Bewusstseinswandel? Oder wollen die Anbieter auch auf der – aktuell angesagten – „grünen Welle“ mit schwimmen?
Wir sehen hier ganz klar eine grundsätzlich veränderte Einstellung, keinen vorübergehenden Trend. Gerade Pensionseinrichtungen müssen sehr langfristig planen, auf Sicht von Generationen. Die Risiken aus dem beobachteten Klimawandel – wie stark er sich auch immer materialisiert – müssen Pensionsfonds einkalkulieren. Das sind auf der einen Seite Umweltschäden, mit denen man rechnen muss. Das ist auf der anderen Seite ein starker Trend zur Dekarbonisierung bei Energie, Mobilität und Industrie. Es wäre fahrlässig, diese Risiken nicht in einer langfristigen Asset Allocation zu berücksichtigen und mit einer entsprechenden Anlagestrategie gegenzusteuern.
26 Prozent der befragten Pensionsfonds und anderer Altersvorsorge-Einrichtungen gaben an, dass sie mehr als 15 Prozent ihrer passiven Mittel in klimabezogene Anlagen investieren. Etwas provokativ gefragt: Ist das nicht immer noch recht wenig? Welche Hindernisse tragen dazu bei, sich hier stärker zu engagieren?
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Ich würde es anders herum sehen, dass bereits rund ein Viertel der Pensionseinrichtungen einen bedeutenden Anteil klimabezogen investiert haben. Denn im ETF-Universum sind klimabezogene Lösungen noch nicht sehr lange verfügbar. Wir haben zum Beispiel entsprechende Xtrackers 2018 aufgelegt – ETFs, die einen Filter vorsehen, Unternehmen mit hohen CO2-Ausstoß auszuschließen. Die Hindernisse, die in der Umfrage genannt wurden, hängen in der Tat zusammen mit der bisher kurzen Historie bei passiven klimabezogenen Investments. Ein anderer Punkt sind die verschiedenen Defnitionen, die bei der Zusammenstellung eines nachhaltigen, auf Klimaschutz ausgerichteten Portfolios verwendet werden.
Der Begriff "passiv" führt etwas in die Irre
Wie stark ist eigentlich DWS selbst in grüne Anlagen investiert? Können Sie hierzu Zahlen nennen?
Von dem verwalteten Vermögen der DWS von 700 Milliarden Euro werden rund 70 Milliarden Euro in reinen ESG-Strategien verwaltet (Stand: 31.I2.2019). Davon getrennt muss man aber sehen, dass die DWS einen systematischen Corporate-Governance-Ansatz umsetzt. Wir haben 2019 auf 2043 Hauptversammlungen abgestimmt, eine Steigerung um 64 Prozent zum Vorjahr. Wir haben bei 250 Unternehmen mit Vorständen persönlich diskutiert im Vorfeld der Hauptversammlungen. Bei diesen Diskussionen und Abstimmungen unterstützen wir Anträge, die von Unternehmen Vorsorge bei erwarteten Klimarisiken fordern.
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Können Sie Beispiele dafür nennen, welcher Art derartige grüne Investments sind? Wo werden die Kundengelder angelegt?
Die ESG-Palette der DWS ist breit aufgestellt und umfasst alle wichtigen Anlageklassen. Bei den aktiv gemanagten Fonds wären Aktienfonds zu nennen wie der DWS Invest ESG Equity Income, Mischfonds-Varianten wie der DWS ESG Multi Asset Dynamic LC oder Rentenfonds wie der DWS Invest ESG Global Corporate Bonds. Auf der passiven Seite bietet die DWS fünf ETFs an, die den MSCI Low Carbon SRI Leaders Index mit verschiedenen regionalen Schwerpunkten abbilden sowie drei ESG ETFs, die den Markt für Unternehmensanleihen abbilden. Der gemeinsame Nenner ist bei allen Produkten eine Kombination aus Ausschlusskriterien für kritische Branchen und eine positive Auswahl von Unternehmen mit vorbildlichen ESG-Bemühungen. Dazu kommt eine Integration wichtiger Kriterien wie niedrige Kohlenstoff-Emissionen.
60 Prozent der befragten Vorsorge-Anbieter gaben laut Studie an, durch Daten- und Definitionsprobleme eingeschränkt zu sein, klimabezogene Investitionen in die passive Vermögensallokation einzubetten. Können Sie dies genauer erklären: Welche Probleme können hier aufreten? Und weshalb kommen einige Vorsorge-Einrichtungen erkennbar besser damit zurecht?
Die Datenlage, auf der die klimabezogenen Indizes basieren, wird in der Tat von einigen Investoren als Hindernisgrund genannt. Es gibt mehrere Ratinganbieter, die Daten zum Beispiel zum CO2-Ausstoß von Unternehmen, zur Kohlenstoff-Intensität der Produktion und andere Kriterien anbieten. Beispiele sind MSCI Sustainalytics, ISS Oekom, S&P Dow Jones und andere. Sie gehen nach unterschiedlichen Methoden vor und können teils beim gleichen Unternehmen zu verschiedenen Ergebnissen kommen. Hier sind Investoren zum Teil noch in einer Einstiegsphase, um sich ein besseres Bild zu machen und die Systematik zu verstehen. Die Vorsorge-Einrichtungen, die bereits klimabezogene Investitionen durchgeführt haben, beschäftigen sich schon länger mit diesem Tema.
Ist es einfacher, bei aktiv gemanagten Portfolios nachhaltige Kriterien zu berücksichtigen? Oder gibt es hier keine Unterschiede?
Der Begriff "passiv" führt hier etwas in die Irre. Besser wäre "regelbasiert" oder "systematisch". Bei aktiv gemanagten Fonds wie auch bei ETFs steht Research am Anfang, das die Effekte eines Investments auf Umwelt und Soziales untersucht beziehungsweise die Unternehmensführung prüft (ESG). Beim aktiv gemanagten Fonds zieht ein Fondsmanager die Schlüsse aus den Ergebnissen, beim ETF werden diese systematisch in die Portfoliokonstruktion eingebaut, über den abgebildeten Index. Der Fondsmanager hat Freiheitsgrade bei der Interpretation, beim ETF ergibt sich das Fondsportfolio weitgehend aus den festgelegten Kriterien. Wer welchen Ansatz bevorzugt, hängt von der Präferenz des Investors ab.
Wie evaluieren die Pensions-Einrichtungen, dass die Investitionen tatsächlich nachhaltig sind? Gibt es hier auch Unterschiede in der Qualität der Evaluation?
Hier gibt es auf Seiten der Pensions-Einrichtungen einen sehr unterschiedlichen Erfahrungsstand und damit auch einen unterschiedlichen Stand der Evaluation. Während einige Pensionsfonds sich erst seit kurzem mit Klimarisiken beschäftigen, sind andere sogar schon an die Öffentlichkeit gegangen. Die Lenker der drei Pensionspläne Japan's Government Pension Investment Fund, California State Teachers' Retirement System (CalSTRS) und USS Investitionsmanagement aus Großbritannien haben gewarnt, eine Konzentration auf kurzfristige Erträge könne "potenziell katastrophale systemische Risiken" beispielsweise im Zuge der Klimakrise schaffen. Die gemeinsame Erklärung vom 13. März 2020 bekam dadurch zusätzliche Brisanz, dass die Veröffentlichung mit dem schnellsten Börseneinbruch in der Geschichte zusammenfel, als die globale Ausbreitung von Covid-19 deutlich wurde.
Nachhaltige Anlagekriterien werden sich zu einem Standard entwickeln
Müssen Kunden Abstriche bei der Rendite machen, wenn vermehrt in grüne Technologie investiert wird?
Eine Vielzahl von wissenschaflichen Analysen hat die Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Unternehmenserfolg untersucht, dabei wurden eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden und Datensätze angewandt. Als zusammenfassendes Ergebnis kann festgestellt werden, dass sauber defnierte ESG-Standards den wirtschaflichen Erfolg eines Unternehmens nicht behindern, sondern ihn eher positiv beeinfussen und die Finanzierungskosten senken. (Quelle: Gunnar Friede, Timo Busch & Alexander Bassen, "ESG and financial performance: aeregated evidence from more than 2000 empirical studies", "Journal of Sustainable Finance R Investment", 2015). Gerade in den aktuellen Marktverwerfungen konnte man sehen, dass sich eine nachhaltige Wirtschaftsweise in einer besseren Aktienkursperformance niedergeschlagen hat. So haben sich die ESG-Varianten von Aktienindizes von Anfang 2020 bis Ende Juni um bis zu vier Prozent besser entwickelt als die Basisindizes (Quelle: DWS, MSCI).
Ich nehme an, dass etliche Vorsorge-Einrichtungen, die sich nun verstärkt nachhaltig engagieren wollen, dennoch nicht auf klimaschädliche Investments verzichten und stattdessen dennoch weiterhin etwa in Kohle, die Abholzung von Regenwäldern etc. investieren. Gibt es Möglichkeiten für interessierte Kunden, dies zu überprüfen bzw. derartige Investments gar auszuschließen?
Da sprechen Sie eine wichtige Diskussion an. Nicht nur die Unternehmen müssen transparenter werden und zum Beispiel in Form von Nachhaltigkeitsberichten dokumentieren, wie stark sie zum Beispiel auf dem Weg zu einer klimaneutralen Produktion vorangekommen sind. Das gleiche gilt auch für Kapitalsammelstellen, die ihren Investoren darlegen sollten, ob und wie stark sie auf klimaschädliche Investments verzichten. Hier gibt es allerdings noch keine Branchenstandards und es hängt von der einzelnen Pensionseinrichtung ab, ob und in welcher Form sie diese Informationen vorhält.
Hat die Corona-Krise einen Anteil dazu geleistet, dass nachhaltige Investments an Bedeutung gewinnen? Oder spielt das eher keine Rolle?
Die Marktverwerfungen des vergangenen halben Jahres haben auf jeden Fall indirekt einen Beitrag geleistet. Durch die Corona-Krise wurde deutlich, wie verletzlich unser aktuelles Wirtschaftssystem ist und dass vieles akzeptiert wurde, ohne die Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft einzuberechnen. Die jüngsten konjunkturellen Hilfspakete sind oft an Kriterien gekoppelt, die eine nachhaltige Wirtschafsweise fördern. Ökonomen fordern, den aktuellen Einschnitt durch die Corona-Krise zu einem Umbau der Wirtschaft zu nutzen. Den Efekt all dieser Entwicklungen sieht man auch an den starken Zuflüssen in ETFs mit ESG-Schwerpunkt. Schätzungsweise ein Drittel der europäischen Nettozuflüsse in ETFs von rund 40 Mrd. Euro per Mitte Juli 2020 sind in ESG-Varianten geflossen, das ist deutlich mehr als im vergangenen Jahr. Bei der DWS entfielen sogar mehr als 50 Prozent der Nettomittelzuflüsse im ersten Halbjahr 2020 auf ESG-Lösungen.
Wie schätzen Sie den Trend in den nächsten Jahren ein? Ist es vielleicht sogar denkbar, dass grüne Investments mal den Schwerpunkt bilden werden?
Wir erwarten, dass sich nachhaltige Anlagekriterien in den nächsten Jahren zu einem Standard entwickeln, der von den meisten Asset Managern in irgendeiner Form angewandt wird. Auf Betreiben der Asset Manager – und damit im Namen der Anleger – werden Unternehmen darlegen müssen, wie sie Anforderungen im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung umsetzen. Sicherlich wird es weiterhin breite Portfolios und Indizes geben, die alle Marktteilnehmer abdecken. Aber die Bedeutung von nachhaltigen oder klimabezogenen Investments wird mit Sicherheit noch deutlich steigen.
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Die Fragen an Simon Klein stellte Mirko Wenig
Hinweis: Der Text erschien zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin
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