Wer aktuell die Webseite des Wirtshauses Donisl öffnet, direkt am Marienplatz in München gelegen und mit 300 Jahren Geschichte eine echte Institution in der Landeshauptstadt, wird derzeit mit einem großen Pop-Up-Fenster begrüßt. „Wir haben geschlossen“ heißt es da, und dass es schwer sei die richtigen Worte zu finden, aber: „Jedoch hat auch uns die momentane Situation leider in die Knie gezwungen“. Bis auf Weiteres müsse man sich von den Gästen verabschieden, das Gasthaus blickt einer ungewissen Zukunft entgegen: dort, wo normalerweise traditionelle bajuwarische Speisen wie das Jausnbrettl, gesottener Tafelspitz oder Schweinshaxn serviert werden, ist alles dicht.

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Ein Problem ist das nun auch für die Allianz. Denn die Betreiberfamilie des Wirtshauses hat Klage gegen den Versicherer eingereicht, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Mittwoch berichtet. Vertreten werde sie durch die Anwaltskanzlei Beiten Burkhardt. Und der Ausgang des Rechtsstreites dürfte auch für andere Versicherer relevant sein - denn er richtet sich gegen den sogenannten bayerischen Kompromiss, dem sich das Gros der Assekuranzen in Deutschland angeschlossen hat. Diese Vereinbarung sei „ungültig und sittenwidrig“, so positioniert sich die Kanzlei.

Bayerischer Kompromiss: maximal 15 Prozent für 30 Tage

Zur Erinnerung: Viele Betriebsschließungs-Versicherer haben sich geweigert, für die Kosten aufzukommen, wenn eine Firma infolge der Corona-Pandemie vorsorglich dicht machen musste. Der Bayerische Kompromiss war eine Antwort auf die Blockade-Haltung, er wurde im April 2020 während des ersten Lockdowns ausgearbeitet. Beteiligt daran waren die Bayerische Landesregierung, der regionale Gaststätten- und Gewerbeverband (DEHOGA) Bayerns sowie mehrere Versicherer. Bundesweit schlossen sich weitere Assekuranzen dem Kompromiss an.

Der Kompromiss sah vor, dass die Versicherer nur zehn bis 15 Prozent der vereinbarten Tagessumme ersetzen müssen, wenn Hotels und Gaststätten aufgrund einer Corona-Allgemeinverfügung dichtmachen mussten. Begrenzt war die Zahlung zudem auf 30 Tage: obwohl bei Betriebsschließungs-Policen oft auch Zeiträume von 60 Tagen versichert sind. Die Bayrische Landesregierung feierte sich für das ausgearbeitete Ergebnis: Es sei aus „Sicht aller Beteiligten eine tragfähige und vernünftige Lösung für beide Branchen“, also Gastgewerbe und Versicherer, so hatte damals Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (CSU) kommentiert.

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Doch schnell waren Stimmen laut geworden, dass sich die Bayrische Landesregierung habe von der Versicherungsbranche über den Tisch ziehen lassen. Denn warum sollten die Versicherten, die regelmäßig Beitrag zahlen, auf das Gros des vereinbarten Geldes verzichten? Die Begründung war einigermaßen kurios: Im Hotel- und Gaststättengewerbe reduziere sich der wirtschaftliche Schaden der Betriebe bereits um 70 Prozent, da sie auch von staatlichen Hilfsangeboten wie Kurzarbeitergeld und Soforthilfen profitieren würden, so positionierte sich die Bayerische Landesregierung. Die Versicherer betonten, dass sie gar nicht hätten zahlen müssen und nur aus Kulanz einen Bruchteil der Kosten ersetzen.

Aus Sicht der Kanzlei ist das Vorgehen schlicht sittenwidrig

Auf diesen Kompromiss hatte sich zunächst auch das Wirtshaus Donisl eingelassen - und geht nun juristisch dagegen vor. Denn -stark vereinfacht- entweder ist der Versicherer laut Betriebsschließungs-Vertrag zur vollen Leistung verpflichtet, wenn Corona der Schließungsgrund war: oder eben nicht. Entscheidend hierfür ist das konkrete Bedingungswerk des Anbieters. Eine Aufrechnung privater Ansprüche mit staatlichen Hilfen, wonach die Leistungspflicht der Versicherer durch staatliche Hilfen sinken würde, ist nicht vorgesehen. Entsprechend argumentieren auch die Donisl-Anwälte, dass alle Rechtsansprüche gedeckt seien und der Bayerische Kompromiss von vorn herein unwirksam. Laut "Süddeutscher Zeitung" geht es hierbei um 537.285 Euro, die der Wirt zu wenig erhalten habe.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Versicherer ihre Gewerbe-Kundinnen und Kunden massiv unter Druck gesetzt haben, den Kompromiss anzunehmen. Sie sollten alle anderen Rechtsansprüche aus dem Vertrag abtreten und hätten sich in lange Rechtsstreite verwickeln lassen müssen, wenn sie auf die volle Summe bestanden hätten: oft in einer Situation, in der viele Wirte aufgrund des Corona-Lockdowns keine Einnahmen hatten. "Die Versicherungsnehmer standen mit dem Rücken zur Wand", sagt Maximilian Degenhart, Partner bei der Kanzlei Beiten Burkhardt, der "Süddeutschen Zeitung". Man habe dem Kläger nach dem Prinzip "Do or die!" die Pistole an die Brust gesetzt und zudem für die Annahme des Kompromisses nur eine dreiwöchige Frist gelassen. Aus Sicht der Kanzlei ist das schlicht sittenwidrig.

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Doch ob der Versicherer leistungspflichtig ist oder nicht, wenn ein Betrieb infolge einer Corona-Allgemeinverfügung schließen musste, hängt -wie bereits erwähnt- von der konkreten Vertragsgestaltung des jeweiligen Anbieters ab. Die Allianz wollte mit dem Argument nicht zahlen, dass das neuartige Corona-Virus COVID-19 nicht explizit im Vertrag genannt werde, folglich nicht versichert sei. Doch die bisher gefällten Urteile, alle in unteren Instanzen, sprechen wohl gegen den Versicherer. Demnach haben Gastwirte gute Chancen, die volle Summe zugesprochen zu bekommen, wenn der Versicherer einen dynamischen Verweis auf das Infektionsschutzgesetz im Vertrag festgeschrieben hat. Also stark vereinfacht, wenn aus dem Vertrag nicht deutlich hervorgeht, dass die Auflistung der Krankheiten abschließend ist. Bei den strittigen Policen seien eindeutig Schließungen infolge des Infektionsschutzgesetzes inbegriffen.

Die Allianz betont hingegen gegenüber dpa, dass alle bisher abgeschlossenen Rechtsstreite zu ihren Gunsten ausgegangen seien. Allerdings einigte sich der Versicherer mit dem Gastwirt des Biergartens "Paulaner am Nockherberg" in letzter Minute auf einen Vergleich - und verhinderte so ein Urteil. Immerhin: auch wenn die Allianz den Rechtsstreit mit Donisl verliere, wolle sie die bereits gezahlten 15 Prozent nicht zurückfordern, so betonte ein Sprecher.

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