Aus Sicht der Kanzlei ist das Vorgehen schlicht sittenwidrig
Auf diesen Kompromiss hatte sich zunächst auch das Wirtshaus Donisl eingelassen - und geht nun juristisch dagegen vor. Denn -stark vereinfacht- entweder ist der Versicherer laut Betriebsschließungs-Vertrag zur vollen Leistung verpflichtet, wenn Corona der Schließungsgrund war: oder eben nicht. Entscheidend hierfür ist das konkrete Bedingungswerk des Anbieters. Eine Aufrechnung privater Ansprüche mit staatlichen Hilfen, wonach die Leistungspflicht der Versicherer durch staatliche Hilfen sinken würde, ist nicht vorgesehen. Entsprechend argumentieren auch die Donisl-Anwälte, dass alle Rechtsansprüche gedeckt seien und der Bayerische Kompromiss von vorn herein unwirksam. Laut "Süddeutscher Zeitung" geht es hierbei um 537.285 Euro, die der Wirt zu wenig erhalten habe.
- Allianz verklagt - Bayerischer Kompromiss um Betriebsschließung sittenwidrig?
- Aus Sicht der Kanzlei ist das Vorgehen schlicht sittenwidrig
Erschwerend kommt hinzu, dass die Versicherer ihre Gewerbe-Kundinnen und Kunden massiv unter Druck gesetzt haben, den Kompromiss anzunehmen. Sie sollten alle anderen Rechtsansprüche aus dem Vertrag abtreten und hätten sich in lange Rechtsstreite verwickeln lassen müssen, wenn sie auf die volle Summe bestanden hätten: oft in einer Situation, in der viele Wirte aufgrund des Corona-Lockdowns keine Einnahmen hatten. "Die Versicherungsnehmer standen mit dem Rücken zur Wand", sagt Maximilian Degenhart, Partner bei der Kanzlei Beiten Burkhardt, der "Süddeutschen Zeitung". Man habe dem Kläger nach dem Prinzip "Do or die!" die Pistole an die Brust gesetzt und zudem für die Annahme des Kompromisses nur eine dreiwöchige Frist gelassen. Aus Sicht der Kanzlei ist das schlicht sittenwidrig.
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Doch ob der Versicherer leistungspflichtig ist oder nicht, wenn ein Betrieb infolge einer Corona-Allgemeinverfügung schließen musste, hängt -wie bereits erwähnt- von der konkreten Vertragsgestaltung des jeweiligen Anbieters ab. Die Allianz wollte mit dem Argument nicht zahlen, dass das neuartige Corona-Virus COVID-19 nicht explizit im Vertrag genannt werde, folglich nicht versichert sei. Doch die bisher gefällten Urteile, alle in unteren Instanzen, sprechen wohl gegen den Versicherer. Demnach haben Gastwirte gute Chancen, die volle Summe zugesprochen zu bekommen, wenn der Versicherer einen dynamischen Verweis auf das Infektionsschutzgesetz im Vertrag festgeschrieben hat. Also stark vereinfacht, wenn aus dem Vertrag nicht deutlich hervorgeht, dass die Auflistung der Krankheiten abschließend ist. Bei den strittigen Policen seien eindeutig Schließungen infolge des Infektionsschutzgesetzes inbegriffen.
Die Allianz betont hingegen gegenüber dpa, dass alle bisher abgeschlossenen Rechtsstreite zu ihren Gunsten ausgegangen seien. Allerdings einigte sich der Versicherer mit dem Gastwirt des Biergartens "Paulaner am Nockherberg" in letzter Minute auf einen Vergleich - und verhinderte so ein Urteil. Immerhin: auch wenn die Allianz den Rechtsstreit mit Donisl verliere, wolle sie die bereits gezahlten 15 Prozent nicht zurückfordern, so betonte ein Sprecher.
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