Rechtsschutzversicherung: Coronakrise bedroht Geschäft
Schaut man auf das zurückliegende Geschäft der Jahre 2018 und 2019, können die Rechtsschutzversicherer zufrieden sein: Eine Prämienkorrektur führte in einem schwierigen Geschäftszweig zum kurzen Aufatmen. Das zeigt eine aktuelle Studie zu wichtigen Kennzahlen der Branche. Jedoch: Zeitgleich droht Ungemach. Denn die Coronapandemie könnte für einen wahren Schaden–Tsunami sorgen – bei steigenden Anwaltskosten. Der Versicherungsbote stellt ausgewählte Kennzahlen zur Rechtsschutzversicherung vor.
- Rechtsschutzversicherung: Coronakrise bedroht Geschäft
- Allianz mit schwachem Geschäftsjahr
Höhere Kosten, mehr Klagen: Ein Geschäftszweig in der Krise
In den zurückliegenden Jahren war das Geschäft für die Rechtsschutzversicherer nicht leicht. So trat zum 01.08.2013 das zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG) in Kraft und verteuerte Rechtsanwalts- und Gerichtskosten spürbar – Versicherer warnten vor einer Kostenexplosion (Versicherungsbote berichtete).
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Und der VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte löste ab Herbst 2015 eine Klagewelle aus. Der Dieselgate-Skandal kostete Rechtsschutzversicherer bisher 667 Millionen Euro – bei einem Streitwert aller verhandelten Fälle von 5,9 Milliarden Euro (Versicherungsbote berichtete). Derart missliche Bedingungen wirken sich natürlich auch ungünstig auf die Bilanzen der Rechtsschutzversicherer aus.
So schrieb die Branche von 2014 bis 2016 rote Zahlen – die branchenweite Schaden-Kosten-Quote bzw. Combined Ratio (CR) je Versicherer lag im Schnitt über hundert Prozent. In 2014 musste die Branche eine CR in Höhe von durchschnittlich 103,21 Prozent hinnehmen. In 2015 lag die CR bei 101,30 Prozent, in 2016 bei 101,34 Prozent.
Korrekturen versprachen – kurz – Licht am Ende des Tunnels
Viele Versicherer reagierten mit Beitragsanpassungen. In der Folge sank auch die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote des Marktes wieder – sie verbesserte sich in 2017 auf 95,75 Prozent. Erstmals konnte die Branche also wieder aufatmen.
Der Effekt aber hielt nur kurz: In 2018 näherte sich dieser Wert – damals 99,17 Prozent – wieder der kritischen 100-Prozent-Marke. Das lag auch an kontinuierlich weiter steigenden Schadenaufwendungen: Sie stiegen von durchschnittlich 98,85 Mio. Euro je Versicherer in 2014 auf durchschnittlich 117,37 Mio. Euro in 2018.
Hinzu kamen auffallend steigende Betriebsaufwendungen – sie kletterten von durchschnittlich 54,44 Mio. Euro je Versicherer in 2017 auf durchschnittlich 58,02 Mio. Euro in 2018. So mussten zehn der 25 im Branchenmonitor gerankten Versicherer auch rote Zahlen schreiben (Versicherungsbote berichtete hier und hier). Das Geschäft mit der Rechtsschutzversicherung machte es den Gesellschaften nicht leicht.
2019 meinte es gut mit der Branche
Und in 2019? Laut aktuellem Branchenmonitor der V.E.R.S Leipzig GmbH entspannte sich die Lage in der Rechtsschutzversicherung wieder etwas. So verbesserte sich die durchschnittliche Combined Ratio des Marktes um rund zwei Prozentpunkte – sie liegt aktuell bei 96,92 Prozent.
Zwar stiegen die Schadenaufwendungen erneut – allerdings weniger stark als in den Jahren zuvor. Sie lagen in 2019 bei durchschnittlich 119,28 Mio. Euro je Versicherer. Das Plus bei den Vertragszahlen und den Prämieneinnahmen jedoch glich diese negative Tendenz teilweise wieder aus.
Ergebnisquote veranschaulicht den Erfolg
Denn während im Geschäftsjahr 2019 die Schadenaufwendungen um 1,62 Prozent stiegen, stiegen die Einnahmen aus gebuchten Bruttoprämien um 3,13 Prozent – von durchschnittlich 179,88 Mio. Euro je Versicherer auf 185,52 Mio. Euro je Versicherer. Da stört es auch nicht, dass ebenfalls die Betriebsaufwendungen in 2019 noch einmal zunahmen: auf durchschnittlich 59,78 Mio. Euro je Versicherer.
Verbesserte sich in 2019 doch auffallend das versicherungstechnische Ergebnis vor Schwankungsrückstellung – von durchschnittlich 3,59 Mio. Euro in 2018 auf 6,30 Mio. Euro in 2019. Der Erfolg dieses Zuwachses veranschaulicht sich deutlich in der versicherungstechnischen Ergebnisquote vor Schwankungsrückstellung – diese wuchs von 0,84 Prozent in 2018 auf 3,12 Prozent in 2019.
Fünf Versicherer retten sich aus der Verlustzone
In der Folge konnten sich fünf der zehn Versicherer, die in 2018 noch rote Zahlen schrieben, aus der Verlustzone retten:
- Die R+V Allgemeine verbesserte ihre CR von 103,33 Prozent auf 97,34 Prozent.
- Die Itzehoer Brandgilde verbesserte ihre CR von 101,21 Prozent auf 98,10 Prozent.
- Die LVM verbesserte ihre Quote von 104,28 Prozent auf 99,05 Prozent.
- Die DEVK Rechtsschutz verbesserte ihre Quote von 101,67 Prozent auf 99,87 Prozent.
Den größten CR-Erfolg aber feierte die WGV-Versicherung, die sich vom vorletzten Platz der CR-Tabelle 2018 zum CR-Gesamtsieg in 2019 hocharbeitete: Sie verbesserte ihre CR von schlechten 105,30 Prozent auf sehr gute 79,81 Prozent – und fährt damit in 2019 das beste Schaden-Kosten-Ergebnis aller Versicherer ein. Zu beachten ist hierbei aber: Mittlerweile scheint es für das Unternehmen aus Stuttgart schon die Regel, zwischen sehr schlechten und sehr guten Schaden-Kosten-Quoten jährlich zu wechseln (Versicherungsbote berichtete).
Allianz mit schwachem Geschäftsjahr
Für einen Versicherer allerdings lief 2019 – entgegen dem Trend – weniger gut: Die Allianz schrieb mit einer CR von 102,72 Prozent erstmalig seit 2014 wieder rote Zahlen. Damit sind die Münchener der einzige Versicherer, der in 2019 eine spürbare Verschlechterung seiner Schaden-Kosten-Quote hinnehmen musste. Insgesamt sind es sechs Rechtsschutzversicherer, die in 2019 rote Zahlen schrieben – neben der Allianz betrifft es die Auxilia Rechtsschutz (CR von 101,25 Prozent), die Neue Rechtsschutz (CR von 102,37 Prozent), die Concordia (CR von 102,64 Prozent), die Deurag Rechtsschutz (CR von 104,36 Prozent) sowie die HUK24 (CR von 121,77 Prozent).
2019: Das trügerische Jahr der Ruhe?
Der Großteil der Branche aber kann mit dem Geschäftsjahr 2019 zufrieden sein. Auch die durchschnittliche Anzahl der Versicherungsverträge wuchs – wenngleich moderat von 1.036.090 Stück in 2018 auf 1.053.760 Stück in 2019. Ist also für die Versicherer nach einer schwierigen Zeit ein Durchatmen angebracht? Nicht ganz.
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Im Gegenteil: Das Jahr 2019 könnte sich als trügerisches Jahr der Ruhe entpuppen. Denn zum ersten erlebt das durch die Versicherer viel beklagte Kostenrechtsmodernisierungsgesetz aus dem Jahre 2013 just seine Neuauflage in Hochzeiten der Corona-Krise: Das sogenannte Kostenrechtsänderungsgesetz (KostRÄG) führt ab 2021 zu einer linearen Anpassung der Gebühren. So bekommen Anwältinnen und Anwälte rund zehn Prozent mehr. In einigen Bereichen (Familien- sowie Sozialrecht) sind es sogar bis zu zwanzig Prozent. Zu bedenken ist hierbei: etwa etwa 85 Prozent der Schadenaufwendungen in der Rechtsschutzversicherung entfallen auf Anwaltskosten (Versicherungsbote berichtete).
Auch Kosten für Sachverständige (und damit zugleich für Rechts- und Fachgutachten) verteuern sich ab 2021, ebenso die Kosten für Sprachmittlerinnen und Sprachmittler nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Eine solche Verteuerung der Kosten, die auch zu höheren Schadenaufwendungen führen dürfte, trifft die Versicherer aber in einer äußerst sensiblen Phase.
Der Branche droht Schaden-Tsunami
Denn aufgrund der Corona-Krise droht ein wahrer Schaden-Tsunami für die Branche (Versicherungsbote berichtete). Privat- und Gewerbekunden suchten und suchen Unterstützung, weil sie infolge des Lockdowns um ihren Arbeitsplatz fürchten, sie den Betrieb dichtmachen mussten oder ihre Miete nicht mehr zahlen konnten – und deswegen in der Folge auch juristischen Beistand benötigen. Hinzu kommen Streitigkeiten mit Reiseveranstaltern oder Airlines. Deswegen rechnet auch Branchenmonitor- Autor Clemens Wilde mit zahlreichen Klagen im Arbeits- und Vertragsrecht. Er pointiert: „Für die Rechtsschutzversicherung sind das auf der Schadenseite keine guten Aussichten.“
Den Versicherern wird nichts anderes übrig bleiben, als die Prämien erneut anzupassen. Schon in 2019 aber warnte mit dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) der wichtigste Lobbyverband der Branche: Wird der Rechtsschutz immer teurer, könnten Kunden mit kleinem Geldbeutel bald ganz davon ausgeschlossen sein (Versicherungsbote berichtete).
Andere Wege zu besseren Schaden-Kosten-Bilanzen bietet außerdem ein Vorantreiben der Digitalisierung sowie eine damit einhergehende Verschlankung von Geschäftsprozessen. Die Digitalisierung freilich sichert nicht nur Vorteile – neue Konkurrenten wie LegalTechs oder Vergleichsportale sorgen zugleich für eine Verhärtung des Wettbewerbs. Die nächsten Branchenmonitore werden demnach spannend – aus ihnen dürfte ersichtlich werden, wie stark Coronakrise und Gebührenreform die Rechtsschutzversicherung wirklich belasten.
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Hintergrund: Der „Branchenmonitor Rechtsschutzversicherung 2014-2019“ analysiert die Daten der 25 größten Rechtsschutz-Versicherer, welche 95 Prozent des Marktes ausmachen. Zusammen mit weiteren aktuellen Branchenmonitoren kann das Analyse-Instrument kostenpflichtig auf der Webseite der V.E.R.S. Leipzig GmbH bestellt werden.
- Rechtsschutzversicherung: Coronakrise bedroht Geschäft
- Allianz mit schwachem Geschäftsjahr