Die Erwerbsunfähigkeitsversicherung hat einen schweren Stand in der Branche. Für einige Vermittler sind die Produkte schlicht eine ungenügende und lückenhafte Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Andere aber sehen darin ein wichtiges Plus der Einkommensabsicherung. Ein Kritiker ist Gerd Kemnitz. Der Versicherungsmakler aus dem sächsischen Stollberg hatte bereits mehrfach auf die Schwächen der Verträge hingewiesen. Das wichtigste Problem: Anders als eine vollwertige Berufsunfähigkeitsversicherung berücksichtigen diese Tarife in der Regel nicht den bisherigen Beruf des Versicherten. Er kann auf jeden anderen Beruf verwiesen werden, wenn er den erlernten Job nicht mehr ausüben kann - auch, wenn die neue Tätigkeit mit einem deutlichen Verlust an Einkommen und Status einher geht (der Versicherungsbote berichtete).

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Wenn ein Gynäkologe zum Beispiel infolge einer psychischen Erkrankung nicht mehr operieren kann, aber Schreibtätigkeiten verrichten oder gar als Pförtner arbeiten, muss der Versicherer nicht zahlen, wenn derjenige nur seine Erwerbsunfähigkeit abgesichert hat. Der Versicherte kann auf diese Berufe verwiesen werden. „Eine Erwerbsunfähigkeitsrente wird in der Regel nur dann gezahlt, wenn die versicherte Person überhaupt keine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr für mindestens 3 Stunden täglich nachgehen kann“, kritisiert Kemnitz. „Bei der Prüfung auf Erwerbsunfähigkeit bleiben also der bisher ausgeübte Beruf und die bisherige Lebensstellung völlig unberücksichtigt.“

Morgen & Morgen bewertet kritischer

Im vergangenen Jahr hatte sich das Ratinghaus Morgen & Morgen zum zweiten Mal dem Thema Erwerbsunfähigkeitsversicherung gewidmet. Dazu wurden 22 Tarife von 17 Anbietern geprüft. 24 Leistungsfragen führten zu maximal 64 Punkten für gute Tarifeigenschaften. Folgende Fragen brachten den Tarifen bei positiver Antwort der Vertragsbedingungen bis zu fünf Punkte und wurden demnach besonders stark für die Endnote bedacht:

  • Wird bei einem verspätet gemeldeten Versicherungsfall ohne Einschränkung rückwirkend geleistet?
  • Wird der Prognosezeitraum auf sechs Monate verkürzt?
  • Wird bei einer bereits sechs Monate andauernden ununterbrochenen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend von Beginn an geleistet?
  • Leistet der Versicherer einer Erwerbsunfähigkeitsrente in Anlehnung an die gesetzliche Definition bei voller und teilweiser Erwerbsminderung?
  • Verzichtet der Versicherer auf unübliche Einschränkungen bzw. Klauseln, die nicht zu den ratingrelevanten Sachverhalten gehören?
  • Verzichtet der Versicherer auf sein Recht auf Beitragserhöhung oder Kündigung bei unverschuldeter Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers nach Paragraph 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)?
  • Besteht der Versicherungsschutz weiter, wenn die versicherte Person während der Versicherungsdauer ins Ausland verzieht?

Die Prüfer aus Hofheim am Taunus zeigten sich durchaus kritisch. Denn in der Auswertung erhielt lediglich ein Tarif die bestmögliche Bewertung. Dabei handelt es sich um den Tarif "MetallRente.EMI Plus Komfort" von der MetallRente Swiss Life. Immerhin zehn Tarife erhalten zudem, mit vier Sternen, eine immerhin „sehr gute“ Bewertung. Hierzu gehören unter anderem die Angebote der Axa ("SEU"), Bayern Versicherung ("SEV"), DBV ("SEU"), Dialog ("SEU" und "Erw. Bed. SEU"), Europa ("EU Premium"), HDI ("EGO Basic"), MetallRente Swiss Life ("MetallRente.EMI Plus Basis"), Volkswohl Bund ("SEU") und Zurich ("SEU").

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Zugleich weist das Rating insgesamt sechs Tarife aus mit drei Sternen und damit mit einer nur „durchschnittlichen“ Bewertung. Zwei der getesteten Tarife erhielten sogar nur einen Stern und damit ein „sehr schwach“. Zu diesen Angeboten zählen Öfftl. Braunschweig ("SEU") und Stuttgarter ("EUV").

IVFP überprüft EU-Policen zum vierten Mal

Das Ratinghaus Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hat bereits zum vierten Mal EU-Policen unter die Lupe genommen. Dazu wurden elf Tarife von elf Anbietern auf bis zu 88 Kriterien hin untersucht. Dabei haben die Tester aus Altenstadt an der Waldnaab die Tarife in vier verschiedenen Kriterien bewertet. Besonders gewichtet wurde im Rating mit 50 Prozent der Faktor "Preis-Leistungsverhältnis". Testkriterium Numero Zwei ist die "Unternehmsqualität". Diese wurde anhand von Stabilität, Sicherheit, Ertragskraft und Markterfolg gemessen und ging mit 20 Prozent in die Bewertung ein. Ausschlaggebend waren hier Faktoren wie die Beitragseinnahmen in Brutto-Beiträgen, der Kapitalanlagebestand oder die Solvabilitätsquote.

Die Flexibilität der Rente wurde mit 20 Prozent gewertet. Als letztes Testkriterium flossen die Transparenz und der Service in das Rating ein: etwa, ob Verwaltungs-, Vertriebs- und Abschlusskosten nachvollziehbar ausgewiesen werden und die AGB verständlich sind. Dieses Kriterium, für Verbraucher ebenfalls wichtig, trug nur magere zehn Prozent zum Gesamtrating bei. Nähere Details zu den Rating-Kriterien finden sich auf der Webseite des IVFP.

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Die Ergebnisse sind fast durchweg rosig. Denn: zehn von elf untersuchten Tarifen (90,9 Prozent) erhielten eine "sehr gute" oder bessere Bewertung. Auf dem Siegerpodest war auch dieses Mal sehr eng. Denn in Summe sieben Tarife tummelten sich dort. Davon waren fünf Tarife von Versicherern. Dazu zählen Axa ("SEU"), Continentale ("PremiumEU"), Dialog ("SEU-protect"), MetallRente Swiss Life ("MetallRente.EMI Plus Komfort") und Zurich ("Erwerbsunfähigkeits-Schutzbrief"). Zwei weitere Angebote mit der bestmöglichen Benotung kamen von Direktversicherern - Europa ("EU-Vorsorge Premium" und Hannoversche ("Erwerbsunfähigkeitsversicherung").

Lediglich eine "sehr gute" Bewertung erhielten die Produkte der HDI ("EGO Basic") und WWK ("Biorisk Erwerbsunfähigkeitsversicherung"). Doch es gab auch schlechtere Einstufungen: Ganze zwei Tarife erhielten eine schlechtere Benotung. Doch diese werden nicht namentlich genannt.

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Ein weiterer Kritikpunkt: Seit 2019 gibt es in Vergleichen vom IVFP keine Noten mehr. Vorher waren die Ergebnisse beispielsweise mit einer "2,1" benotet wurden. Die Tarife werden nun nur noch mit "exzellent" und "sehr gut" und alphabetisch geordnet in der Tabelle aufgeführt. Dadurch können sich de facto alle Unternehmen mit "exzellenter" Bewertung als Testsieger fühlen. Schade. Denn eigentlich sollten Ratings den Anspruch haben, den Kunden und auch den Vermittlern eine gewisse Orientierung zu geben.

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