Im Jahr 2020 sind die Beitragsschulden in der Sozialversicherung auf 18 Milliarden Euro angewachsen: eine Zunahme um rund 700 Millionen Euro. Das berichtet am Donnerstag die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Die Rückstände betreffen die Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. Die Agentur beruft sich auf Zahlen des Bundessozialministeriums.

Anzeige

Beitragsrückstände der Krankenkassen sind der größte Batzen

Der größte Anteil der Rückstände entfällt auf die Krankenkassen: auf 9,6 Milliarden Euro beziffern sich hier die Beitragsschulden. Betroffen sind vor allem freiwillig Versicherte und Selbstständige. Allein ihr Schuldenberg ist um 544 Millionen Euro binnen Jahresfrist angewachsen.

Die Gründe für den Schuldenberg bei den Krankenkassen sind vielfältig. Schon vor der Corona-Pandemie waren viele Versicherte mit den Beiträgen überfordert. In diese Gruppe fallen Selbstständige, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil allein stemmen müssen. Die Krankenkassen fordern von ihnen einen Mindestbeitrag, der sich an einem fiktiven Gewinn orientiert. Viele können diesen nicht annähernd erzielen. Hinzu kommt, dass die Lockdowns diese Personengruppe besonders hart treffen: viele sind im Einzelhandel oder in der Gastrobranche tätig.

Gesetzreform sollte freiwillig Versicherte entlasten

Die Bundesregierung kam den freiwillig Versicherten bereits entgegen, um sie von den Beitragsschulden zu entlasten. Sie halbierte die zugrunde liegende Mindestbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte. Das bedeutet: Sie müssen mindestens so viel Beitrag zahlen, als würden sie 1.097 Euro brutto im Monat verdienen: auch, wenn sie weniger Einkommen haben. Das ergibt bei einem Beitragssatz von 14,6 Prozent einen Mindest-Monatsbeitrag von rund 160 Euro, wenn man auch Krankengeld vereinbart. Zu bedenken ist hierbei, dass das Einkommen von Selbstständigen stark schwanken kann, je nach Auftragslage.

Zudem gestattet es die Bundesregierung, Sozialversicherungs-Beiträge leichter zu stunden, wenn Arbeitgeber oder freiwillig Versicherte in der Coronakrise mit den Zahlungen überfordert sind. Das betrifft aktuell die Monate Januar und Februar. Auch dies sei ein Grund, dass die Rückstände angewachsen seien. Doch das Problem ist damit nur aufgeschoben. Zwar fallen in dieser Zeit keine extra Zinsen an. Doch gezahlt werden müssen die Rückstände zum Fälligkeitstermin des Monats März 2021. „Dabei wird davon ausgegangen, dass die angekündigten Wirtschaftshilfen für die Monate Januar und Februar 2021 den betroffenen Unternehmen bis Ende März 2021 vollständig zugeflossen sind“, heißt es auf der Webseite des AOK-Bundesverbandes.

Problem: “Ungeklärte Mitgliedschaften“

Doch der aktuelle Wert ist noch nicht einmal Rekord: Im Jahr 2018 hatten sich die Beitragsschulden in der Sozialversicherung sogar auf 18,5 Milliarden Euro summiert. Die Krankenkassen waren auch hier besonders betroffen. Die Außenstände der Kassen explodierten förmlich: binnen drei Jahren von 4,4 Milliarden auf 10,3 Milliarden Euro.

Ein Grund für die Schuldenexplosion seien sogenannte ungeklärte Mitgliedschaften gewesen, so argumentiert nun das Bundesfinanzministerium. Dahinter stecken in der Regel ausländische Saisonarbeiter aus andere EU-Staaten, etwa in der Fleischindustrie. Wenn sie sich nicht aktiv bei der Krankenkasse meldeten und ihren Austritt erklärten, blieben sie zum Höchstbetrag versichert. Unbemerkt wuchsen dann die Beitragsschulden an. Ab Ende 2018 regelt ein neues Gesetz, dass die Mitgliedschaft in der Kasse endet, wenn der Versicherte nicht aufgefunden werden kann. Allein durch diese Reform seien die Rückstände der freiwillig Versicherten um 1,3 Milliarden Euro gesunken.

Anzeige

Doch die Rückstände bleiben hoch - und könnten weiter zunehmen, wenn sich bei Selbstständigen die finanziellen Probleme verschärfen und die Sonderregeln für Stundungen auslaufen. Veröffentlicht werden die Daten zu Rückständen regelmäßig vom Bundesamt für soziale Sicherung.