Es ist ein kleiner Schritt für die Allianz, aber vielleicht ein großes Signal für die Versicherungsbranche: Die Immobilien-Tochter Allianz Real Estate hat einen Komplex mit 300 Wohnungen in Nürnberg erstanden. Keine Luxus-Apartments, die nur für betuchte Käufer und Mieter interessant wären. Sondern Sozialwohnungen, die staatlich gefördert werden. 2022 soll der 3-Gebäude-Komplex fertig werden: Die Allianz zahlt 135 Millionen Euro dafür an Projektentwickler zahlen. Das berichtet das „Handelsblatt“ am Samstag.

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Auf der Suche nach neuen Investments

Im Verhältnis zum verwalteten Vermögen ist die Summe, die die Allianz Real Estate in der Lebkuchenstadt investiert, eher gering: auf 10,6 Milliarden Euro bezifferte sich zum Jahresende 2020 das europäische Immobilien-Portfolio. Und doch lässt der Deal Branchenbeobachter aufhorchen. Denn bisher investierten die Münchener vornehmlich in Büro- und Gewerbegebäude. Im Blick hatten sie dabei eher nicht das preiswerte Segment. Die Immobilien befinden sich bevorzugt in europäischen Metropolen wie Paris oder London, oft in bester Lage: und sind entsprechend teuer. Auch in osteuropäischen Staaten engagierte sich der Versicherer zuletzt stark.

Dass man sich auf dem privaten Wohnungsmarkt hingegen eher zurückhielt, liegt nicht an den Renditechancen: Denn diese sind auch in Deutschlands Metropolen noch immer bestens. Vielmehr sorgte sich die Allianz um ihren guten Ruf. „Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Deals gesehen, die aus wirtschaftlichen Aspekten vielleicht funktioniert hätten, die wir aber wegen der Reputationsrisiken nicht realisiert haben“, zitiert das Handelsblatt Nicole Pötsch, die bei Allianz Real Estate die Strategie für Nord- und Zentraleuropa verantwortet. Die Knappheit des Wohnheims habe viele politische Diskussionen ausgelöst, „da wollten wir nicht auf der falschen Seite stehen“, sagt die Managerin.

Entsprechend sind auch die neuen Wohnungen der Allianz an Einkommensgrenzen gebunden, die nicht überschritten werden dürfen. Laut Bayrischem Wohnraumförderungsgesetz liegt die Grenze für einen Zweipersonenhaushalt aktuell bei maximal 34.500 Euro Nettoeinkommen, für jedes Kind erhöht sie sich um weitere 2.500 Euro. Gerade junge Familien sollen damit unterstützt werden, da sie oft in Städten gar keine geeignete Wohnungen mehr finden.

Oliver Bäte setzt soziale Themen verstärkt auf die Agenda

Tatsächlich war unter Firmenchef Oliver Bäte zuletzt zu beobachten, dass sich die Allianz um das Image eines sozialen und nachhaltigen Versicherers bemüht hat. Als einer der ersten großen Branchengrößen kündigte der Konzern 2018 an, klimaneutral werden zu wollen. Bei der Kapitalanlage der Versichertengelder sollen kohlebasierte Geschäftsmodelle künftig gemieden werden - und auch keine neuen Kohlekraftwerke mehr versichert.

Bereits 2016 begann der Konzern zudem, auch beim Thema Investment der Kundengelder verstärkt Kriterien der Nachaltigkeit zu berücksichtigen. Dafür benutzen die Münchener ein Scoring, das gemeinsam mit den NGOs Transparency International, World Wide Fund For Nature (WWF) und Germanwatch entwickelt wurde. Unter anderem wolle man auf die oft kritisierte Spekulation mit Nahrungsmitteln verzichten, wo die Allianz zuvor hohe Summen anlegte.

Selbstlos ist der Strategiewechsel allerdings nicht. Die Versicherer sind verpflichtet, das Geld der Kunden langfristig anzulegen: eine Bedingung, die der geförderte Wohnungsbau erfüllt. Selbst mit sozialen Immobilien können die Münchener mit höheren Renditen planen als mit vielen anderen langfristigen Anlagen, etwa Staatsanleihen, die aktuell oft nur Nullzinsen bringen. Bei privatem Wohnraum wird aktuell eine Rendite von vier Prozent gerechnet, berichtet das „Handelsblatt“. Bei geförderten Wohnungen seien es gut 200 Basispunkte weniger.

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Zudem zeigt sich ein weiteres Problem in der bisherigen Investment-Strategie der Münchener. Die bisher bevorzugten Büro- und Gewerbeimmobilien könnten künftig weniger Rendite einbringen, wenn die Nachfrage sinkt. Kein unwahrscheinliches Szenario: Während der Corona-Lockdowns haben viele Konzerne notgedrungen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Und wollen auch nach der Krise vermehrt das Arbeiten von zuhause aus ermöglichen: Entsprechend wird weniger Bürofläche gebraucht. Die Allianz selbst ist hierfür ein Beispiel. Oliver Bäte sagte im Juli 2020 der Nachrichtenagentur "Reuters", er gehe davon aus, dass sich die Büroflächen auf längere Sicht um ein Drittel reduzieren ließen: Auch bei der Allianz habe sich Homeoffice in bestimmten Bereichen bewährt.