Disruption als Treiber des Neukundengeschäfts
Versicherungsunternehmen können über Kooperationen mit innovativen Start-ups zusätzliche Marktanteile erschließen und ihr Angebotsspektrum erweitern. Warum sich auch Partner außerhalb der Branche anbieten und warum der interdisziplinäre Ansatz gerade für Versicherer wichtig ist, schildert Arjen Visser (Kickstart Innovation) im Gastbeitrag.
- Disruption als Treiber des Neukundengeschäfts
- Länderübergreifende Kooperationen
Disruptive Innovationen ersetzen etablierte Geschäftsmodelle von Versicherungen in einem immer schnelleren Tempo und stellen bestehende Märkte auf den Kopf. Je nach Perspektive hat dieses Phänomen zwei Facetten: Einerseits eröffnen sich Unternehmen dadurch die Chance, neue Marktanteile zu gewinnen. Auf der anderen Seite führen disruptive Ideen oft zu nutzerfreundlicheren und leistungsfähigeren Lösungen als bei herkömmlichen Angeboten.
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Während Start-up-Unternehmen in erster Linie wachsen wollen und mit Kooperationen auf den Markenwert etablierter Unternehmen setzen, suchen diese umgekehrt die Nähe zu den innovativen Gründern, die häufig originelle und unorthodoxe Lösungswege anbieten, um so Alternativen zu den oft teuren und eingefahrenen Legacy Systeme größerer Unternehmen zu finden. Ein berühmt gewordenes Beispiel einer solchen Kooperation, die, wie man sehen kann, auch grenzübergreifend funktioniert, ist die Zusammenarbeit des Mainzer Biotechnologie-Unternehmens BioNTech mit dem New Yorker Pharmakonzern Pfizer zur Entwicklung des Impfstoffes gegen Covid-19.
Außerhalb der Versicherungswirtschaft kennen wir Plattformlösungen wie Uber, dem weltweit größten Taxiunternehmen, das ohne einen eigenen Fahrzeugbestand auskommt oder auch Airbnb, Weltmarktführer bei alternativen Ferienunterkünften, der sein Geschäft ohne eigene Immobilien betreibt. Beiden gemeinsam ist eine digitale Plattform, die fremde Ressourcen – in diesem Fall Fahrzeuge und Wohnungen – poolt und ihren Kunden anbietet.
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Auto-Abo-Modelle als wichtiger Trend
Dieser Trend birgt das Potenzial, auch die Versicherungsbranche von Grund auf zu verändern, etwa durch Kooperationen mit Start-ups. Dass diese nicht zwangsläufig im Insurtech-Sektor angesiedelt sein müssen, zeigt die Zusammenarbeit zwischen Axa Schweiz und dem Würzburger Auto-Abo-Start-up Faaren. Einer Studie des CAR-Instituts zufolge sollen im Jahr 2030 rund 40 Prozent der Neuwagenzulassungen über Abonnements abgewickelt werden. Anbieter wie Like2Drive, Cluno, der Autovermietungsriese Sixt oder Faaren setzen darauf, dass es vielen Autofahrern heute nicht mehr um den Besitz eines Fahrzeugs geht, sondern vielmehr um Mobilität, Komfort und Flexibilität. Der hohe Grad an Freiheit sowie die Möglichkeit, ihr Fahrzeug nach individuellen Wünschen anpassen oder verändern zu können sind die zentralen Vorteile für die Kunden. Immer mehr renommierte Hersteller wie Audi oder Volkswagen erkennen das Potenzial und drängen in dieses innovative Segment, das vor drei Jahren ein Nischendasein fristete. Deshalb hat die AXA Schweiz auch schon 2018 mit UPTO ihr eigenes Auto-Abo-Modell aufgebaut. Im Gegensatz zu Faaren bezieht UPTO seine Autos jedoch von Importeuren, wogegen Faaren keine Autos besitzt, sondern lediglich den Händlern die Software zur Verfügung stellt.
Länderübergreifende Kooperationen
Für Versicherer, die frühzeitig an diesem Geschäft partizipieren wollen, bietet diese Entwicklung eine bisher nicht verfügbar gewesene Option, Marktanteile zu erschließen und das Neukundengeschäft zu beleben. Gelingt es, einen Teil der jungen Menschen zu binden, die über die Kfz-Versicherung erstmals als potenzieller Kunde in Erscheinung treten, sind Folgegeschäfte mit Kranken-, Lebens- oder Sachversicherungen möglich. Zugleich bietet sich den Assekuranzunternehmen die Option, Anknüpfungspunkte zu den eigenen bereits bestehenden Mobility Services zu prüfen und das Produktangebot zu diversifizieren, etwa beim Angebot von Leihwagen als Ersatz für verunfallte Fahrzeuge.
Länderübergreifende Kooperationen
Wegbereiter der Kooperation zwischen Axa und Faaren ist die Innovationsplattform Kickstart mit Hauptsitz in Zürich, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Schweizer sowie internationale Start-ups mit führenden privaten und öffentlichen Institutionen in der Schweiz zusammenzubringen. Die Plattform hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 mehr als 170 Kooperationen in den unterschiedlichsten Bereichen, darunter FinTech & InsurTech, EdTech & New Work und Smart City & Technology, initiiert. Im vergangenen Jahr lancierte Kickstart 48 Proofs of Concepts und anderen Partnerschaften zwischen Start-ups, Scale-ups sowie Organisationen und etablierten Unternehmen. Jüngste Beispiele: Die Schweizer Mobiliar Versicherungsgesellschaft wird zusammen mit PostFinance und der Software-Plattform decentriq an einem Prototyp eines Schweizer Datenökosystems arbeiten, das die neuesten Entwicklungen im Bereich der vertraulichen Datenverarbeitung nutzt. Der Krankenversicherer Helsana und der digitale Plattformanbieter Fjuul gingen eine Partnerschaft ein, um das Treue- und Bonusprogramm „Helsana+“ zu unterstützen. Erst vor wenigen Wochen meldete Kickstart eine neue Partnerschaft mit Sanitas, einer der größten Krankenkassen der Schweiz. Neben Partnerschaften zwischen Start-ups und etablierten Organisationen unterstützt Kickstart auch die Förderung von Innovationen in den Unternehmen selbst.
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Die Vielfalt der möglichen Kooperationspartner und Kooperationsarten macht eine Innovationsplattform möglich – und nötig: Entwickler, Anwender und Finanzierer kommen regelmäßig auf digitalen Marktplätzen und Ideenbörsen zusammen, um Wachstumsmöglichkeiten auf den Weg zu bringen. Grenzen werden hier gleich zweifach überschritten: Landes- und Sprachgrenzen werden ebenso geebnet wie die Trennung nach Branchen. Besonders für Versicherungsunternehmen, deren Geschäft oft in andere Bereiche greift, ist eine solche Interdisziplinarität wichtig.
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