Widerrufsrecht und Kaskadenverweis - Versicherungswirtschaft verlangt Nachbesserungen bei Gesetzentwurf
Wissen heißt wissen, wo es geschrieben steht? So verfuhren Kreditgeber bisher millionenfach bei ihren Widerrufsbelehrungen: und verwiesen einfach auf Gesetze und Muster, ohne die Kundinnen und Kunden konkret über ihre Rechte aufzuklären. Der Bundesgerichtshof hat die Praxis untersagt, weshalb die Bundesregierung aktuell auch beim Versicherungsvertragsgesetz nachbessern muss. Zu einem entsprechenden Gesetzentwurf nahm der Lobbyverband GDV nun Stellung.
- Widerrufsrecht und Kaskadenverweis - Versicherungswirtschaft verlangt Nachbesserungen bei Gesetzentwurf
- Restschuldpolicen: Gesetzentwurf passt nicht zu Gruppenvertrag
Der sogenannte Kaskadenverweis war eine gängige Passage in Verbraucherkreditverträgen. Doch alles andere als transparent. Denn die Widerrufsbelehrung der Verträge sah nicht vor, die Kundin bzw. den Kunden detailliert im Vertragstext darüber aufzuklären, unter welchen Voraussetzungen und innerhalb welcher Fristen er seinen Vertrag widerrufen könne. Stattdessen wurde auf eine Rechtsvorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch verwiesen - die mitunter wiederum auf eine andere Rechtsvorschrift verwies. Und so weiter. Der Verbraucher musste also selbst recherchieren, welche Rechte er eigentlich hat und welche nicht - ein gewisses Know-how bei der Interpretation von Gesetzestexten konnte dabei nicht schaden.
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So geht es nicht, hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vom 26. März 2020 entschieden (Rechtssache C-66/19). Und klargestellt: eine Widerrufsbelehrung, die auf Vorschriften des nationalen Rechts und von dort wiederum auf andere Vorschriften weiterverweist, ist nicht mit der Verbraucherkreditrichtlinie vereinbar. Damit musste auch die Bundesregierung tätig werden und hat den Auftrag, nationales Recht entsprechend abzuändern. Das Bundesjustizministerium hat entsprechend den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) vorgelegt - und den Verbänden Gelegenheit gegeben, sich dazu zu positionieren. Das hat nun der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit einer Stellungnahme getan.
Der Musterwiderruf im VVG soll korrigiert werden
Konkret geht es darum, die Musterwiderrufsbelehrung im Versicherungsvertragsgesetz an die europäische Rechtsprechung anzupassen und die für den Beginn der Widerrufsfrist zu erteilenden Informationen vollständig aufzuzählen. Der GDV „begrüßt die mit dem Gesetzentwurf verfolgte Zielsetzung, bei Belehrung der Versicherungsinteressenten über deren Widerrufsrecht auch zukünftig auf ein rechtssicheres gesetzliches Muster zurückgreifen zu können sowie die Anpassung des Musters an mittlerweile erfolgte Änderungen der Gesetzeslage“, heiß es in dem Positionspapier des Lobbyverbandes.
Zugleich macht der Verband deutlich, dass man sich als Versicherungsbranche nur indirekt angesprochen fühlt.„Das Urteil bezieht sich auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und stellt keinen unmittelbaren Bezug zu Versicherungsverträgen her“, heißt es. Deshalb solle zunächst den Versicherern ausreichend Zeit eingeräumt werden, notwenige Änderungen umzusetzen - mittels einer Übergangsfrist von sechs Monaten, nachdem das Gesetz verkündet wurde. Sonst drohe Rechtsunsicherheit - und eine Klagewelle, weil die Versicherer die Vorgaben technisch nicht rechtzeitig umsetzen können, somit viele Verbraucher wegen mangelhaften Widerrufs vor Gericht ziehen.
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Geförderte Altersvorsorge nicht erfasst
Der Verband mahnt aber auch Änderungen an. Ein wichtiger Punkt: Bislang vom Entwurf unberücksichtigt bleiben Produkte nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG), das heißt Riester- und Basisrentenverträge. „Um der aktuellen Gesetzeslage vollumfänglich gerecht zu werden sollten deren Besonderheiten ebenfalls bei der Neugestaltung der Musterwiderrufsbelehrung aufgenommen werden“, fordert der GDV.
Restschuldpolicen: Gesetzentwurf passt nicht zu Gruppenvertrag
Als besondere Versicherungsart bezieht sich der GDV auf Restschuldversicherungen. Verträge also, die einen Kreditnehmer für den Fall absichern, dass sie einen Kredit oder eine Hypothek nicht mehr bezahlen können: etwa wegen Arbeitslosigkeit oder bei Tod eines Angehörigen. „Der vorgesehene Mustertext sollte neutral ausgestaltet sein, so dass er – in Bezug auf die Restschuldversicherung – sowohl für den Versicherungsnehmer als auch für die versicherte Person passt“, schreibt der Verband.
Das Problem: Bei den höchst umstrittenen Restschuld-Policen ist oft der Versicherte selbst nicht Versicherungsnehmer. Es handelt sich um Gruppenverträge: Die Bank selbst tritt als Versicherungsnehmer auf, während die Kundin bzw. der Kunde lediglich den Schutz des Vertrages genießt. Entsprechend erhalten die Verbraucher oft keinen Versicherungsschein. Laut dem vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums ist aber vorgesehen, dass die Widerrufsfrist beginnt, sobald der Versicherungsschein ausgehändigt wurde.
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“Diesbezüglich sollte berücksichtigt werden, dass die versicherte Person eines Vertrages nach § 7d VVG – die ebenso wie der Versicherungsnehmer über das Widerrufsrecht zu belehren ist – keinen Versicherungsschein erhält und dessen Aushändigung daher kein für den Beginn der Widerrufsfrist entscheidendes Kriterium darstellt“, argumentiert der Verband.
Weil die Restschuldversicherung eine Sonderform darstellt, habe der Gesetzgeber dieses Segment bereits entsprechend normiert, berichtet der GDV: Unter anderem muss die versicherte Person über ihr Widerrufsrecht eine Woche nach Abgabe der Vertragserklärung erneut in Textform belehrt werden. Auch das Produktinformationsblatt ist dann erneut auszuhändigen. Soeben erst hat das Bundeskabinett einen Provisionsdeckel für Restschuld-Policen verabschiedet, weil Provisionsexzesse hier für Ärger und Empörung sorgten: horrende Provisionen über 50 Prozent des Beitrages sind bisher branchenüblich.
Sorge: Auswirkung auf Bestand
Es sollte darüber hinaus eine Klarstellung erfolgen, dass das für den Beginn der Widerrufsfrist erforderliche „Informationsblatt zu Versicherungsprodukten“ lediglich Verbrauchern auszuhändigen ist, so eine weitere Forderung des Verbandes - die er nicht weiter erklärt. Ober er hier befürchtet, dass auch Gewerbekunden bzw. Vermittlerinnen und Vermittler eine solches Informationsblatt erhalten, geht aus dem Text nicht hervor.
Von einer Änderung des § 8 Abs. 5 VVG sollte abgesehen werden, um keine Rechtsunsicherheiten für Bestandsverträge zu schaffen. Paragraph 8 ist der Passus im Versicherungsvertragsgesetz, der das Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers regelt. Unter anderem heißt es in Absatz 5, eine zu erteilende Belehrung "genügt den dort genannten Anforderungen, wenn das Muster der Anlage zu diesem Gesetz in Textform verwendet wird". Auch darf der Versicherer in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Versicherers anbringen.
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