Grundfähigkeitsversicherung: Infinma will Marktstandards definieren
Die Grundfähigkeitsversicherung (GF) ist umstritten: unter anderem, weil die Produkte schwer vergleichbar sind und gängige Marktstandards fehlen. Das will nun das Kölner Analysehaus Infinma ändern und hat Marktstandards für diese Produkte anhand eines eigenen Verfahrens ermittelt. Demnach sollen wichtige Qualitätsmerkmale identifiziert werden, die für diese Produktgattung besonders wichtig sind. Einen ähnlichen Vergleich haben die Rheinstädter bereits 2011 erstmals für die Berufsunfähigkeitsversicherung veröffentlicht.
Grundfähigkeits-Policen sind kein Premiumprodukt, wenn es um die Absicherung der Arbeitskraft geht: zu groß sind die Leistungslücken, etwa bei der Absicherung psychischer Krankheiten. Dennoch lässt sich beobachten, dass auch Versicherungsmaklerinnen und -makler vermehrt die Grundfähigkeit ihren Kundinnen und Kunden anbieten. 14 Prozent beraten hierzu regelmäßig, 22 Prozent mindestens ein bis dreimal pro Monat, so geht aus einer Umfrage des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hervor. Gezahlt wird bei diesen Verträgen, wenn eine oder mehrere laut Vertrag definierte Grundfähigkeiten (z.B. Sehen, Hören, Gehen, Sprechen, Denken) zu einem bestimmten Grad eingeschränkt sind.
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Dieses Verfahren wendet Infinma an
Ein Grund, weshalb diese Verträge umstritten sind: Es fehlt an Standards, die Policen sind schwer miteinander vergleichbar. Das will nun das Kölner Analysehaus Infinma ändern, wie es per Newsletter mitteilt. Konkrekt haben die Studienmacher 18 Kriterien bewertet und benotet. Dabei versuchen die Analysten, auf subjektive Bewertungen möglichst zu verzichten. Und das funktioniert so: Es wird ein Leistungsbaustein identifiziert, der häufig in Verträgen auftaucht, etwa der Prognosezeitraum. Also die Zeit, wie lange die starke Beeinträchtigung bzw. der Verlust der Grundfähigkeit voraussichtlich mindestens bestehen muss, damit der Versicherte eine Leistung aus dem Vertrag erhält.
Im nächsten Schritt wird dann das Kriterium als Marktstandard benannt, das am häufigsten in den Verträgen zu finden ist. Im vorliegenden Fall weisen von untersuchten 63 Produkten 48 einen Prognosezeitraum von sechs Monaten auf, 14 einen von zwölf Monaten und ein Produkt gar von 36 Monaten. Marktstandard ist also ein Prognosezeitraum von sechs Monaten. Dann wird geprüft, ob der jeweilige Tarif günstiger oder ungünstiger als der Marktstandard abschneidet. Alle Produkte erhalten am Ende ein Siegel, den den Marktstandard in allen Kriterien mindestens erfüllen oder sie übertreffen.
Zu den Kriterien, die so nach Marktstandards abgeklopft wurden, gehören unter anderem: Prognosezeitraum, Meldefristen, befristetes Anerkenntnis, Beitragsdynamik, Leistungsdynamik, Pflegeoption, BU-Umtauschoption, Infektionsklausel etc.
Grundfähigkeiten selbst fließen vorerst nicht in Bewertung ein
Worauf Infinma allerdings verzichtet: die einzelnen Grundfähigkeiten zu bewerten. „Natürlich wäre es wünschenswert, auch für jeden versicherten Leistungsauslöser beurteilen zu können, ob eine marktübliche Regelung vorliegt oder nicht. Dies ist allerdings aufgrund der Komplexität der von den Versicherern verwendeten Definitionen der einzelnen Grundfähigkeiten nahezu unmöglich“, schreiben die Kölner hierzu in ihrem Newsletter.
Diskutabel ist diese Aussparung vor dem Hintergrund, dass es bei den Definitionen darum geht, was konkret versichert ist: und theoretisch ein Versicherer besser als der Markt abschneiden könnte, wenn er nachteilige oder intransparente Grundfähigkeits-Definitionen verwendet. Hier zeigen sich die Grenzen der Vergleichbarkeit dieser Tarife.
Allerdings haben die Kölner Top-80-Prozent-Grundfähigkeiten definiert. Zudem arbeite man daran, wenigstens für die drei Grundfähigkeiten „Hören“, „Sehen“ und „Sprechen“ Marktstandards zu definieren. Denn diese drei sind in allen der untersuchten 63 Tarife versichert. Für die Zertifizierung sollen sie jedoch keine Rolle spielen.
Darüber hinaus wurden die „Top-80-Prozent-Grundfähigkeiten“ identifiziert. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich in 80 Prozent aller untersuchten Produkte finden. Diese wären:
- Hören (versichert in 100 Prozent aller Tarife)
- Sehen (100 Prozent)
- Sprechen (100 Prozent)
- Gehen (98,41 Prozent)
- Hände gebrauchen (96,83 Prozent)
- Treppe steigen (93,65 Prozent)
- Arme bewegen (92,06 Prozent)
- Stehen (92,06 Prozent)
- Knien und Bücken (85,71 Prozent)
- Sitzen (85,71 Prozent)
- Greifen (84,13 Prozent)
- Heben und Tragen (82,54 Prozent)
Detaillierte Ergebnisse des Marktstandard-Vergleichs will Infinma demnächst auf der hauseigenen Webseite infinma.de veröffentlichen. Und auch, wenn noch keine Ergebnisse für die konkreten Produkte veröffentlicht wurden: Der Bericht aus der Analysewerkstatt zeigt, dass bei dieser Versicherungsart noch immer die Vergleichbarkeit von Tarifen schwierig ist, weil Standards fehlen. Neben Infinma arbeitet aktuell auch das Kölner Ratinghaus Assekurata an einem Grundfähigkeitsvergleich.