Bei kurz laufenden Zinssätzen ist es vergleichsweise leichter, den Zinssatz zu bewerten: Hier können die Versicherer auf aktuelle Marktinformationen zurückgreifen. Nicht so bei längeren Zeiträumen, wo es keine verlässlichen Markt-Infos gibt. Hierbei muss bedacht werden, dass die Leben-Verträge oft sehr lang laufen: üblich sind Laufzeiten von 15-30 Jahren. Deshalb wird ein mathematisches Modell zur Bewertung des zu erwartenden Zinses angewendet: besagte Exploration.

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Versicherer müssten deutlich mehr Kapital zurückhalten

EIOPA schlägt nun eine Methode vor, die die extrapolierten Zinsen senkt und damit auch den Kapitalüberschuss der Versicherer (Eigenmittel abzüglich Solvenzkapitalanforderungen) rapide sinken lässt. Stark vereinfacht liegt dem die Idee zugrunde, dass die Niedrigzinsphase noch lange anhalten wird: und folglich die Versicherer mit weniger risikofreiem Zins rechnen können, den sie in künftigen Jahren erwirtschaften. Als Folge müssen die Assekuranzen auch deutlich mehr Kapital zurückhalten, um ihre finanzielle Stabilität nachzuweisen: eben jener zusätzliche Eigenmittel-Bedarf von 60 Milliarden Euro, den der Versicherer-Dachverband beklagt.

Der GDV hat einen Punkt, wenn er bemängelt, dass damit die Stabilität der Leben-Anbieter nur vordergründig gestärkt werde. Denn das gebundene Kapital fehlt, um renditeträchtigere Investitionen zu tätigen, die ebenfalls viel Stabilität versprechen würden: beispielsweise in die Energie- oder Transportinfrastruktur. "Der mögliche Investitionsbeitrag der Versicherungsbranche für europäische Schlüsselprojekte wie den Green Deal oder die Kapitalmarktunion würde damit eingeschränkt", warnt der Verband.

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Das ist nicht die einzige Forderung der EIOPA. Das vorgelegte Papier von Dezember, "Technical Advise" betitelt, umfasst mehr als 1.500 Seiten: und ist damit dicker als die mehrbändige deutschsprachige Ausgabe von Leo Tolstois Klassiker "Krieg und Frieden". Positiv wertet der GDV den EIOPA-Vorschlag, die für die (Fach-)Öffentlichkeit bestimmten Solvenzberichte der Unternehmen (SFCR) in zwei Teile aufzuspalten: Einen Kurzbericht, der sich primär an interessierte Verbraucher und Kunden richtet, sowie einen ausführlichen Bericht für professionelle Akteure. Allerdings dürfe die Aufteilung nicht dazu genutzt werden, die Berichte mit immer mehr Pflichtangaben aufzublähen.

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