Rente mit 70 kann Demografie-Effekt nur „abmildern“
Ein höheres Renten-Eintrittsalter kann die negativen Folgen des demografischen Wandels „zwar leicht abmildern, aber bei weitem nicht kompensieren“, so die führenden deutschen Wirtschaftsforschungs-Institute in ihrer Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2021.
Zweimal im Jahr erteilt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Wirtschaftsforschern den Auftrag, die wirtschaftliche Entwicklung zu prognostizieren. In ihrem Frühjahrsgutachten 2021 wählten die beteiligten Institute - DIW Berlin, ifo München, IfW Kiel, IW Halle und RWI - als Schwerpunktthema: „Demografischer Wandel und Wirtschaftswachstum in Deutschland“.
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In ihrem Gutachten schreiben die Wirtschaftsforscher, dass sich in den kommenden Jahren die Verschiebung der Altersstruktur stark beschleunigen werde. „Ausschlaggebend hierfür ist, dass ein Großteil der etwa 13 Millionen Babyboomer – der geburtenstarken Jahrgänge zwischen Mitte der 1950er Jahre und Mitte der 1960er Jahre – das Rentenalter erreicht. Somit steigt der Anteil der Rentner bis 2030 deutlich an, während die Erwerbsbevölkerung schrumpft“, heißt es in der Prognose. Folge für das Potenzialwachstum: Bis zum Jahr 2030 muss mit einer Verringerung der jährlichen Potenzialwachstumsrate um rund einen Prozentpunkt gerechnet werden.
Demografie-Effekt mit Migration oder höhrem Renteneintrittsalter abmildern
Dem Sinken der Erwerbsbevölkerung könne mit einem Anstieg der Migration oder einem späteren Renteneintritt entgegengewirkt werden, schreiben die Forscher. Allerdings: „Der Projektion liegt die Annahme zu Grunde, dass Migranten den gleichen Beitrag zur Produktion leisten, wie die Einheimischen, also eine vergleichbare Partizipationsquote und Qualifikation aufweisen. Eine verstärkte Einwanderung Hochqualifizierter könnte somit die Verringerung des Potenzialwachstums noch etwas stärker abmildern, während umgekehrt die Zuwanderung von unterdurchschnittlich Qualifizierten das Wachstum dämpfen würde.“
Ein ähnliches Problem zeigt sich auch bei der Simulation eines erhöhten Renteneintrittsalters. Denn dabei wird unterstellt, dass der Produktionsbeitrag der Älteren genauso groß ist wie der der 40–64-Jährigen. Dass die Annahmen bezüglich der Partizipationsquote und Arbeitsproduktivität „sehr optimistisch“ sind, räumen die Forscher selbst ein.
Das Fazit der Wirtschaftsforscher: Bis zum Jahr 2030 muss mit einer Verringerung der Potenzialwachstumsrate um rund einen Prozentpunkt gerechnet werden. Der Anstieg des Wanderungssaldos um jährlich rund 100 000 Personen oder eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre würde die Verringerung „zwar leicht abmildern, aber bei weitem nicht kompensieren können.“
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Es braucht wohl einen „Maßnahme-Mix“: etwa eine bessere Gesundheitsversorgung, die eine höhere Partizipationsquote älterer Menschen ermöglicht oder die Förderung lebenslangen Lernens, um die Innovationsfähigkeit zu erhöhen. Wie sich derartige politische Maßnahmen auswirken würden, konnten die Forscher mit den in der Frühjahrsprognose zugrunde gelegten Modellen aber nicht simulieren.