Dass Selbstständige zu wenig für ihre eigene Altersvorsorge tun, stellte das Mannheimer Forschungsinstitut für Ökonomie und Demographischen Wandel bereits 2012 fest. Auch Selbstständige, die gut verdienen, würden ‚nur‘ vier bis fünf Prozent ihres Vermögens direkt für die Altersvorsorge aufwenden, hieß es damals.

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Im März 2018 (!) war es dann soweit: Im Koalitionsvertrag wurde festgehalten, dass eine „gründerfreundlich ausgestaltete Altersvorsorgepflicht“ eingeführt werden soll, um den sozialen Schutz von Selbstständigen zu verbessern. Schließlich hatte der Alterssicherungsbericht 2016 (!) gezeigt, dass fast die Hälfte der ehemaligen Unternehmer im Alter lediglich über ein Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro verfügen - private Vorsorge eingerechnet.

Im April 2019 (!) hieß es, ein Gesetz zur Altersvorsorgepflicht für Selbstständige werde Ende 2019 vorliegen. Grund zur Eile sah man nicht: Zuerst müsse die Grundrente eingeführt werden, so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) damals.

Anfang Dezember 2020 (!) sagte Heil vor der Bundesvertreter-Versammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), dass „mit Hochdruck“ an der Einbeziehung der Selbständigen in das System der Alterssicherung gearbeitet werde.

‚Hochdruck‘ reicht in dieser Legislaturperiode nicht mehr aus

Das hat offenbar nicht ausgereicht. Im aktuellen ‚DAV Kompass‘ schreibt Kerstin Griese, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Die aktuelle Pandemie zeigt zum Beispiel, wie fragil die finanzielle Basis vieler Selbstständiger ist. Deshalb steht eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige auf der politischen Agenda, mit der die etwa drei Millionen Selbstständigen, die derzeit eigenständig vorsorgen müssen, künftig besser für das Alter abgesichert würden.“

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Die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige also erst seit oder durch Corona auf der politischen Agenda? Wo doch der Gesetzentwurf längst fertig sein sollte? Grund genug, nachzufragen. Auf Anfrage von Versicherungsbote teilte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit: „Durch die Corona-Pandemie haben sich die wirtschafts- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Altersvorsorgepflicht für Selbstständige massiv geändert. Der Fokus der Selbstständigen liegt aktuell klar auf der Bewältigung der Pandemie. Dies erschwert eine ehrliche und umfassende Diskussion über die Verpflichtung zur Altersvorsorge. Gleichzeitig zeigt aber gerade diese Krise, wie wichtig soziale Sicherungssysteme sind und dass die entsprechenden sozialpolitischen Schutzlücken für Selbstständige geschlossen werden müssen. Die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige bleibt also auf der Agenda, muss jedoch im Lichte der Erfahrungen durch die Corona-Pandemie neu bewertet und als Folge der Krise in einen größeren Zusammenhang der sozialen Sicherung von Selbständigen gesetzt werden. Eine gesetzgeberische Umsetzung wird daher mit der gebotenen Sorgfalt in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich sein.“