Pflegezusatzversicherung - Weshalb die Beiträge stark steigen
Die Prämien für Pflegezusatzversicherungen sind in den letzten beiden Jahren deutlich nach oben geschossen: nicht nur im Neugeschäft, sondern auch im Bestand. Bei vielen Versicherten sorgt das für Missmut. Das Kölner Ratinghaus Assekurata blickt nun auf die Ursachen: und warnt vor voreiligen Kündigungen.
“Verbraucher beschweren sich über steigende Beiträge für private Pflegezusatzversicherungen“: So titelte der Versicherungsbote Mitte des letzten Jahres. Anlass war, dass die Verbraucherzentralen viele Beschwerden erhielten, weil viele Versicherer ihre Prämien in den Tarifen um bis zu 110 Prozent anhoben. Nicht nur im Neugeschäft, sondern auch im Bestand. Und auch 2021 haben viele Versicherer ihre Beiträge wieder raufgesetzt, so berichtet aktuell das Kölner Ratinghaus Assekurata. Und blickt auf die Ursachen für die Teuerungen.
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Beitragsanpassungen haben Gründe
Denn auch, wenn die Beitragsanpassungen vieler Versicherer für Unverständnis und Missmut sorgen - sie haben handfeste Gründe, wie Assekurata in einem Beitrag auf dem Unternehmensblog hervorhebt. Einer ist das Zweite Pflegestärkungsgesetz. Weil „nicht nur die Leistungen durchgehend angehoben wurden, sondern auch mehr Menschen als zuvor anspruchsberechtigt sind, erhöhten sich 2017 nicht nur die Beiträge in der gesetzlichen Pflege- sondern auch in der Pflegezusatzversicherung“, sagt Gerhard Reichl, Senior-Analyst bei Assekurata.
Der Hintergrund: Seit Inkrafttreten des Gesetzes wird die Pflegebedürftigkeit nicht mehr anhand von drei Pflegestufen ausgewiesen, sondern durch fünf Pflegegrade. Damit soll besser auf die individuellen Bedürfnisse des Betroffenen eingegangen werden. Auch wurde ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt. Nun wird bei deutlich mehr Menschen eine Pflegebedürftigkeit anerkannt: unter anderem, weil erstmals auch psychische Ursachen wie beispielsweise Demenz anerkannt werden. Der Pflegebegriff wurde hierfür neu definiert: Die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen einerseits und mit kognitiven und psychischen Einschränkungen entfiel.
„In den Schadenstatistiken, die als Kalkulationsgrundlage dienen, zeigt sich in den Jahren nach der Reform eine deutliche Zunahme der Pflegedauer und Leistungen über alle Pflegegrade“, erklärt Experte Reichl. So sei die Zahl der Leistungsempfänger von 2016 bis 2019 um knapp 45 Prozent von 2,94 Millionen auf 4,25 Millionen gestiegen. Und auch die Leistungsausgaben hätten um rund 41 Prozent von 29,95 Millionen auf 42,27 Millionen Euro zugenommen. Das sei wesentlich auf den neuen Pflegebegriff zurückzuführen — und eine Ursache, weshalb die Beiträge angehoben werden mussten, zum Teil mehrfach.
Weil die Hürden für die Zuerkennung eines Pflegegrades niedriger gelegt wurden und mehr Menschen Anspruch haben, können nun auch umso mehr von der Beitragsbefreiung im Pflegefall profitieren. Auch das trage dazu bei, dass bei den Prämien nachjustiert werden müsse: Mehr Menschen erhalten Leistungen, aber zahlen keine Prämie mehr.
Die Sache mit dem Niedrigzins
Das Pflegestärkungsgesetz ist aber nicht alleinige Ursache für Beitragssprünge. Auch der anhaltende Niedrigzins macht den Versicherern zu schaffen. Die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt tragen nämlich dazu bei, dass der unternehmensindividuelle Rechnungszins nach unten korrigiert werden muss.
Dieser Rechnungszins ist aber speziell bei Pflegetagegeld-Policen von entscheidender Bedeutung für den Beitrag, wie Assekurata im Unternehmensblog ausführt. In den Prämien ist nämlich ein hoher Sparanteil enthalten, der kalkulatorisch über die gesamte Laufzeit mit dem angesetzten Satz verzinst wird. Hier gilt vereinfacht die Faustregel: Je höher der Zins, desto geringer der erforderliche Beitrag, den die Versicherten zahlen müssen.
Die Versicherer mussten aber den Rechnungszins teils deutlich nach unten korrigieren. Verträge, die noch vor 2013 geschlossen wurden, wurden oft mit einem Rechnungszins von 3,5 Prozent abgeschlossen. Aktuell haben einige Anbieter diesen auf unter zwei Prozent gedrückt und mussten die Prämien entsprechend anpassen.
„Bereits um einen halben Prozentpunkt abweichende Rechnungszinssätze haben in der Regel Beitragsunterschiede von weit mehr als zehn Prozent zur Folge. Mit der Anpassung des Beitrags an ein neues Zinsniveau ist dieses dann aber auch lebenslänglich eingepreist“, erklärt Assekurata. Demnach müsste eine 25-jährige Person in ein und demselben Pflegetagegeldtarif bei einem Rechnungszins von 2,00 Prozent insgesamt 25 Prozent mehr bezahlen als bei dem zuvor marktweit etablierten Zinssatz von 2,75 Prozent.
Nicht vorschnell kündigen!
Assekurata mahnt Vermittler wie Verbraucher, dass eine vorschnelle Kündigung nicht Lösung des Problems steigender Prämien sei. „Zum einen gehen durch einen Unternehmenswechsel sämtliche bereits angesparten Alterungsrückstellungen verloren. Des Weiteren ist der Kunde auch bei einem neuen, vermeintlich günstigeren Anbieter nicht vor einer Beitragsanpassung gefeit“, erklärt Reichl.
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Wer dennoch wechseln oder einen Neuvertrag abschließen will: Vor Vertragsabschluss empfehle es sich, danach zu fragen, inwieweit der Tarifbeitrag bereits an das niedrigere Zinsniveau und die gestiegenen Leistungsausgaben angepasst sei, empfiehlt der Assekurata-Experte. Sonst könne der Beitrag in den Folgejahren umso schneller steigen.