Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wacht auch darüber, dass die beaufsichtigten Unternehmen nachhaltiger wirtschaften: und damit umweltfreundlicher. Unter anderem wurden Klima- und Umweltrisiken als finanzielle Risiken identifiziert, hat sich doch die EU verpflichtet, im Rahmen des Pariser Abkommens die CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Doch beim Thema Nachhaltigkeit zeigt die Behörde selbst noch Defizite. Ein Grund hierfür: noch immer herrschen Aktenberge statt digitaler Lösungen.

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Das zeigt ein aktueller Vorgang, über den das „Handelsblatt“ am Montag berichtet. Ulrich Bartscher, Chef der Sparkasse Schwerte in Nordrhein-Westfalen, hat einen Beschwerdebrief an die Bundesregierung geschickt. Adressaten sind Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sowie Ex-BaFin-Chef Felix Hufeld. Der Grund: ein Bescheid, den die BaFin an alle Finanzinstitute versendete. Und der hat es in Sachen Umfang durchaus in sich.

214.200 Blatt Papier für einen einzigen Bescheid

Er habe mit der Post „7 Blätter DIN A4 Beitragsbescheid zum Bankenrettungsfonds“ erhalten „sowie 119 Blätter DIN A4, beidseitig bedruckt mit 476 Folien sowie einen Briefumschlag für ein Einschreiben/Rückschein, Porto 7,40 Euro versehen mit dem Umweltzeichen 'Blauer Engel’“, zitiert das Handelsblatt aus dem Beschwerdebrief. 126 Seiten also. Und Bartscher hat auch ausgerechnet, wie viele Blatt Papier es sind, wenn alle 1.700 Kreditinstitute in Deutschland angeschrieben werden: sagenhafte 214.200 Blatt. Da sei der Portoaufwand von 12.580 Euro schon vernachlässigbar.

Hier sei darauf verwiesen, was das allein an Papierverbrauch bedeutet. Ein DIN-A4-Blatt wiegt ungefähr zehn Gramm: abhängig von Beschaffenheit und Papierart. Bedeutet, dass die BaFin für den Bescheid 2.142 Kilo an Papier versendet hat. Das alles muss auch transportiert und zum Empfänger gebracht werden. Und wäre vermeidbar, wenn man sich die Dokumente einfach von einer Webseite herunterladen könnte, gibt der Sparkassen-Chef zu bedenken.

Bartscher verweist in dem Brief darauf, dass die Europäische Bankenaufsicht EBA Richtlinien zu Nachhaltigkeit und Finanzierung herausgegeben hat. Er freue sich „auf die bereits angekündigte nächste große Regulierungswelle aus Ihren Häusern betreffend die Einführung und Umsetzung dieser Richtlinien in der Finanzindustrie“, schreibt er spöttisch.

Briefberge trotz digitaler Agenda?

In der Politik stößt der Brandbrief auf offene Ohren. Denn BaFin und Bundesbank haben sich eine gemeinsame digitale Agenda verordnet, wie Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht der BaFin und Joachim Wuermeling, Vorstand der Deutschen Bundesbank, im Dezember 2020 in einem gemeinsamen Pressetext verkündeten. „Unser Leitbild: Vorne mitspielen bei der Digitalisierung! Wir wollen nicht nur die Digitalisierung der Banken beaufsichtigen oder regulieren, sondern das Potenzial digitaler Technologien so umfassend wie möglich auch für uns selbst heben“, hieß es damals in dem Statement.

„Trotz zahlreicher Digitalisierungsprojekte klaffen bei der Bafin Reden und Handeln noch weit auseinander“, kommentiert folglich Frank Schäffler, Finanzexperte der FDP, gegenüber dem „Handelsblatt“. Die BaFin müsse aus den Puschen kommen, fordert Schäffler, der selbst im Verwaltungsrat der BaFin sitzt.

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Doch grundsätzlich hat Deutschland ein Papierproblem. Deutschland ist Spitzenreiter beim Papierverbrauch der G-20-Staaten, so ergab 2019 eine Anfrage der Fraktion die Grünen im Bundestag an die Bundesregierung. 240 Kilogramm verbraucht umgerechnet jeder Bürger pro Jahr. Begünstigt wird der Trend ausgerechnet durch die Digitalisierung: dank Online-Handel fällt auch mehr Verpackungsmüll an. Grünen-Abgeordnete Bettina Hoffmann, eine promovierte Biologin, rechnete vor: der Waldbedarf für die jährliche deutsche Papierproduktion umfasse eine Fläche von 40.000 Fußballplätzen. Wobei ergänzt werden muss, dass große Teile aus Restholz und Sägespänen gewonnen werden.