Wie wirkt sich Covid-19 auf das Antrags- und Leistungsverhalten von Versicherern aus? Diese Frage stand im Zentrum einer aktuellen Umfrage von PremiumCircle Deutschland (liegt Versicherungsbote vor) über die bereits Handelsblatt und Welt am Sonntag berichteten.

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Deren zentrales Ergebnis: Die Versicherer zeigen „eine erhebliche Varianz im Umgang mit den durch Covid-19 neu hinzugekommenen Herausforderungen“, so PremiumCircle. Bei der Welt am Sonntag liest sich das so: „Wer als Folge der Corona-Pandemie berufsunfähig wird, muss befürchten, dass seine Versicherung nicht zahlt.“ Betroffen seien vor allem Long-Covid-Patienten, Menschen, die infolge der Pandemie seelisch erkranken oder sich Haltungsschäden im Homeoffice zugezogen haben. Der Grund dafür laut Studie: Es mangelt an verbindlichen Regelungen für die Anerkenntnis einer Berufsunfähigkeit; insbesondere bei Langzeitfolgen ergebe sich ein erheblicher Spielraum für die Versicherer. PremiumCircle-Geschäftsführer Claus-Dieter Gorr dazu gegenüber Welt am Sonntag: „Ob eine Berufsunfähigkeit anerkannt wird, war schon immer ein Glücksspiel - und mit der Corona-Pandemie wird sich das noch einmal deutlich verschärfen.“

Für das Informations- und Beratungsunternehmen ist deshalb klar: Die Berufsunfähigkeitsversicherung in Zeiten der Corona-Pandemie ist ein „Nebelflug ohne Orientierung“. Die pauschalen Gesundheitsfragen würden das Risiko einer vorvertraglichen Anzeigepflicht erheblich erhöhen, weil es keine „spezifizierten, verständlichen und transparenten Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit Covid-19“ im Antragsprozess gibt. Verbindliche und einheitliche Leitplanken im Leistungsprozess seien ebenfalls nicht vorhanden. Damit wäre das Ergebnis einer Leistungsprüfung „weiterhin eine unternehmensindividuelle und einzelfallabhängige Blackbox“, so PremiumCircle. Das Risiko einer Leistungsablehnung sei durch Covid-19 „teilweise deutlich erhöht“.

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Angesichts der bevorstehenden ‚Corona-Lawine‘ (PremiumCircle) fordert das Unternehmen die Politik auf, Versicherer zu „Verbindlichkeit, Verständlichkeit und Transparenz in ihren Vertragsbedingungen gesetzlich zu verpflichten“. Ganz ungehört ist dieser Ruf nicht verhallt. So kritisierte Markus Kurth, rentenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, die „unverbindlichen Formulierungen“ in den Versicherungsverträgen, die dazu geeignet wären, „im Leistungsfall den Versicherern auf Kosten der Versicherten einen möglichst weiten Prüfungsspielraum einzuräumen“.

Zukunft für Finanzberatung: „Irreführende Falschaussagen“

Gegen die Darstellung der Ergebnisse und die formulierten Schlussfolgerungen formierte sich allerdings schnell Widerstand. Sowohl 'Kapital-Markt intern' als auch der Verein ‚Zukunft für Finanzberatung‘ kritisierten die „dünne Datenbasis“: Denn von den angefragten 59 Versicherern antworteten nur sieben. „Aus dieser Umfrage deshalb einen kausalen Zusammenhang für den Gesamtmarkt der Versicherungsunternehmen herzustellen, entbehrt nach unserem Dafürhalten als Vertreter der Versicherungsvermittler, einer fundierten Grundlage“, schreibt der Verein in einer ‚Klarstellung zu Falschaussagen über das Absicherungsniveau von Berufsunfähigkeitsversicherungen‘.

Im Schreiben heißt es weiter: „Aus den Versicherungsbedingungen auch der teilnehmenden Versicherer ist zu entnehmen, dass Reisen in Risikogebiete keine oder nur in Bezug auf Kriegsereignisse eine Leistungsverweigerung zuließen.“
Doch genau das hat einer der befragten Versicherer angegeben. Die Frage: „Kann die Reise in ein COVID-19-Risikogebiet (In- und Ausland) bei einem daraus in der Folge durch eine COVID-19- Infektion mittelbar oder unmittelbar resultierenden Leistungsfall zu einer Leistungsablehnung führen“ bejaht einer der sieben Versicherer und nennt zwei Fallkonstruktionen bei deren Eintreten mit Leistungsablehnung zu rechnen ist:

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  • 
Bei vergangener Reise in ein COVID-19-Risikogebiet mit Reisewarnung - ohne PCR-Test und ohne Quarantäne bei Rückkehr
  • Bei vergangener Reise in ein COVID-19-Risikogebiet mit Reisewarnung - mit positivem PCR-Test und mit Quarantäne bei Rückkehr

Trifft also das Argument der Zukunft für Finanzberatung zu, bleibt immerhin festzuhalten, dass offensichtlich nicht jeder Versicherer die eigenen Bedingungen kennt oder/und nicht gewillt ist, sich daran zu halten.

Ganz ähnlich ist es auch mit dem zweiten konkreten Ansatz, den die Zukunft für Finanzberatung in ihrer Kritik ins Feld führt: „Die Informationen zu einer möglichen Ablehnung von Leistungen bei Haltungsschäden durch die Arbeit im Home-Office ist nach unseren Erfahrungswerten ebenfalls irreführend. Es besteht für den VN keine Meldepflicht beim Wechsel der beruflichen Tätigkeit. Versichert ist immer „die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit“. Ein Versicherer wird hier bei der Leistungsprüfung auf die konkret ausgeübte Tätigkeit abstellen wie sie regelmäßig auch vor Corona-Pandemie ausgeübt wurde, da der Wechsel ins Home-Office in der Regel nicht freiwillig stattfand, sondern wohl viel mehr in den meisten Fällen unternehmerisch bzw. ja sogar juristisch angeordnet und begründet wurde und außerdem meist nur zeitlich begrenzt der Regelfall sein dürfte. Selbstverständlich sind Haltungsschäden aufgrund der beruflichen Tätigkeit grundsätzlich mitversichert.“

Ganz so einfach machen es sich die sieben Versicherer in der PremiumCircle-Erhebung allerdings nicht. So will einer auf die konkrete Ausgestaltung nach Beginn der Homeoffice-Tätigkeit abstellen - unabhängig vom prozentualen Anteil der Homeoffice-Tätigkeit und der zeitlichen Dauer. Ein weiterer Versicherer will ebenfalls auf die Ausgestaltung nach Beginn der Homeoffice-Tätigkeit abstellen; dabei allerdings den prozentualen Anteil der Homeoffice-Tätigkeit an der monatlichen Gesamtarbeitszeit berücksichtigen. Zwei Versicherer stellen auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in ihrer konkreten Ausgestaltung vor Beginn der Homeoffice-Zeit ab - unabhängig von Anteil an der Gesamtarbeitszeit oder der Dauer. Drei weitere Versicherer verweisen darauf, dass individuell entschieden werde.

Eine klare, eindeutige Entscheidungs-Linie ist das nicht. Die Worte, mit denen PremiumCircle die eigene Erhebung vorstellt, mögen ‚reißerisch‘ gewesen sein, wie kmi feststellt. Auch die ‚dünne Datenlage‘ kann zurecht kritisiert werden. Mit Blick auf die Bandbreite der Antworten lässt sich aber festhalten: bei einheitlichen, klaren Regelungen ist noch Luft nach oben.
Gegenüber Versicherungsbote stellte die LV 1871 fest, dass man aktuell keine Notwendigkeit für ergänzende Prüfungen sieht. „Unsere Gesundheitsfragen decken alle relevanten Informationen ab, um die Risiken einer Berufsunfähigkeit einschätzen zu können“, so Sandra John, Leiterin der Risiko- und Leistungsprüfung. Nach aktuellem Stand seien weder Beitragszuschläge noch Leistungsausschlüsse wegen Corona geplant. „Unsere Kunden müssen sich keine Sorgen machen, dass eine Corona-Erkrankung automatisch negative Auswirkungen auf ihre Antragsprüfung bei uns hat. Wenn kein stationärer Aufenthalt nötig war, die Erkrankung überstanden ist, die potenziellen Kunden drei Wochen beschwerde- und behandlungsfrei sind und wieder im Job tätig sind, dann stellen wir keine Anträge zurück“, so John weiter.

Ist nun aber zulässig, aus den Antworten von sieben Versicherern Ableitungen für den Gesamtmarkt zu treffen? Sieben von 59 klingt nun wirklich etwas abseitig. Allerdings kommt eine Marktbefragung von Finanztip zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Die Finanztip-Erhebung beschränkte sich allerdings auf die Annahmerichtlinien; kann aber auf eine höhere Beteiligung der Versicherer verweisen: 19 von 20 angefragten Assekuranzen schickten Antworten. Und auch dort lautet das zentrale Ergebnis: „In ihrer Risiko-Einschätzung im Hinblick auf Corona liegen die Versicherer in Deutschland weit auseinander.“


Weiterführende Links:

Die Studie von PremiumCircle kann kostenpflichtig bestellt werden.

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Die Klarstellung von 'Zukunft für Finanzberatung' samt Unterzeichner.
2021-05-05-Stellungnahme-PremiumCircle-BU.pdf.

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