Kfz-Versicherung: "Nicht jeder will die Versicherung per Mausklick"
Sandra Reichert ist seit dem 1. Juli 2020 Vorständin in der ADAC Autoversicherung AG, dem Joint Venture der ADAC Versicherung AG und der Allianz Versicherungs-AG. Dort verantwortet sie unter anderem Underwriting und IT – in einem Segment, wo das Neugeschäft zunehmend ins Netz wandert. Der Versicherungsbote sprach mit ihr über die Zukunft der Kfz-Versicherung und die aktuellen Pläne der ADAC Autoversicherung.
- Kfz-Versicherung: "Nicht jeder will die Versicherung per Mausklick"
- ...die Versicherung von Elektroautos
Seit dem 1. Juli 2020 sind Sie Vorständin der ADAC Autoversicherung AG. Können Sie ein erstes Fazit geben, wie sich der Bestand an Kfz-Policen in der Wechselsaison 2020/21 entwickelt hat?
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Sandra Reichert: Die ADAC Autoversicherung wächst kräftig. Mit gut 230.000 neuen Policen hat unser Neugeschäft 2020 um 9,6 Prozent zugelegt. Neben dem Wechselzeitraum zum Ende des Jahres spielt auch das unterjährige Geschäft eine zunehmend wichtige Rolle. Unser Bestand ist auf rund 850.000 versicherte Fahrzeuge gewachsen – das ist ein Plus von 12,4 Prozent gegenüber 2019. Auch die langfristigen Perspektiven sind aussichtsreich. Für unseren Wachstumskurs haben wir noch reichlich Potenzial. Der ADAC hat mehr als 21 Millionen Mitglieder. Das ist unsere Kernzielgruppe.
Welche Auswirkungen hatte die Coronakrise bisher auf Ihr Geschäft bzw. die Schäden? Hat sie sich bei Ihnen bemerkbar gemacht - und wie?
Eine Krise wie Corona geht an keinem Unternehmen spurlos vorüber. Auch für uns hat sich vieles verändert. Für die Mitglieder des ADAC sind die Geschäftsstellen normalerweise wichtige Anlaufpunkte. Viele lassen sich dort auch zur Autoversicherung beraten. Wegen Corona war das deutlich seltener möglich als sonst. Zeitweise waren Geschäftsstellen geschlossen, insgesamt war das Besucheraufkommen aus nachvollziehbaren Gründen geringer. Umso zufriedener sind wir, dass wir trotzdem so viele neue Kunden für die ADAC Autoversicherung gewinnen konnten.
Was die Schadenseite betrifft: In den Lockdown-Monaten sank die Kilometerleistung und es gab auch weniger Schäden. In den Zeiten der Lockerungen hat sich das aber ein gutes Stück normalisiert. Auch für Urlaubsfahrten wurde ja vermehrt das eigene Auto genutzt. Zudem werden die Schadenaufwendungen unverändert von steigenden Reparaturkosten beeinflusst.
Seit 2020 bilden ADAC und Allianz mit der ADAC Autoversicherung AG ein gemeinsames Joint Venture in der Autoversicherung. Was sind die Vorteile eines solchen Zusammenschlusses? Oder vielleicht anders gefragt: Wo können beide voneinander lernen?
Wir haben die Kooperation 2019 gestartet und können feststellen: ADAC und Allianz ergänzen sich hervorragend. Der ADAC steht für Mobilität und Autokompetenz, die Allianz für Versicherungs-Know-how und technische Exzellenz. Das ist eine Win-Win-Konstellation für beide Häuser und für die Kunden der ADAC Autoversicherung. Wir bringen die Stärken aus zwei Welten zusammen, um beim Produkt, bei der Beratung und im Service zu überzeugen.
Über welche Vertriebskanäle finden ADAC-Kfz-Policen bevorzugt zu den Kundinnen und Kunden? Ich kann mir denken, dass eine Anbindung an Europas größten Automobilclub auch andere Wege der Ansprache ermöglicht, als sie ein „klassischer“ Autoversicherer nutzen könnte.
Wir gewinnen Kunden in den ADAC Geschäftsstellen, telefonisch und online. Nicht wir entscheiden über den Weg, sondern die Kunden. Mit unserer wichtigsten Zielgruppe, den Mitgliedern des ADAC, stehen die Mitarbeiter in den Geschäftsstellen und im telefonischen Service immer wieder in Kontakt – und das nicht nur zu Versicherungsfragen, sondern zu ganz unterschiedlichen Themen der Mobilität. Da ist es selbstverständlich, dass beispielsweise im Gespräch über Urlaubsreisen mit dem Auto auch der Versicherungsschutz thematisiert wird. Wer den Pannenschutz beim ADAC hat, will eben oft auch wissen, was unsere Autoversicherung bietet.
Der Preiskampf in der Autoversicherung ist hart: Es ist kein Geheimnis, dass auch die Allianz am liebsten die meisten Autos versichern würde. Manche Versicherer akzeptieren eine Schaden-Kosten-Quote von über 100 Prozent, um günstige Prämien anbieten zu können. Ihre Prognose: Wird sich der Preisdruck künftig verschärfen oder werden wir eine Entspannung beobachten? Aus welchen Gründen?
Von einem Preiskampf würde ich nicht sprechen. Aber wir erwarten auch künftig, vor allem zum Jahresende hin, wieder einen intensiven Wettbewerb in der Kfz-Versicherung.
Sie haben früher bei der Allianz die Strategie des Direktversicherers AllSecur mitgestaltet, der in Allianz Direct aufgegangen ist. Die Kfz-Versicherung ist jener Bereich, der am stärksten online per Mausklick abgeschlossen wird: Tendenz stark steigend. Wird es hier künftig Platz für persönliche Beratung geben – oder wird der Vertriebsweg „direkt“ nach und nach das persönliche Kundengespräch verdrängen?
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Der Online-Verkauf im Versicherungsmarkt wird wachsen, aber er wird Beratungsgespräche nicht komplett verdrängen. Dafür sind die Kunden zu unterschiedlich. Nicht jeder will die Versicherung per Mausklick. Für viele ist es zwar selbstverständlich sich online zu informieren, aber sie wollen dennoch einen persönlichen Ansprechpartner – ob bei der Beratung oder im Schadenfall. Zum einen ist das eine Frage von Vertrauen. Zum anderen will auch nicht jeder allein vor dem Tablet unterschiedliche Produktlinien, Bausteine und Preise vergleichen, um das individuell passende Angebot für sich zu finden.
...die Versicherung von Elektroautos
„Einfachheit gewinnt!“, hat Allianz-Chef Oliver Bäte als Losung ausgegeben: und will speziell in der Autoversicherung wenige und standardisierte Tarife nach dem Vorbild von Netflix, Amazon und Co. anbieten, die online leicht abschließbar sind. Ist das auch der Weg, den die ADAC Autoversicherung AG gehen wird?
Sandra Reichert: Unser Anspruch ist schon jetzt, eine Autoversicherung zu bieten, die klar, verständlich und fair ist. Auf adac.de können Autofahrer innerhalb von zwei Minuten ihren Versicherungsbeitrag berechnen und ruckzuck abschließen. Aber es geht nicht nur um Schnelligkeit, sondern auch um Verlässlichkeit, wenn es zum Schadenfall kommt. Egal, für welche Produktlinie sich unsere Kunden entscheiden, sie können sich darauf verlassen, dass bereits die Grunddeckung automatisch die wichtigsten Leistungen enthält.
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Die Politik will den Trend hin zu Elektroautos und Hybriden forcieren. Müssen diese Autos „anders“ versichert werden als Autos mit Verbrennungsmotoren? Lassen sich Unterschiede in der Art und Häufigkeit von Schadensfällen erkennen?
Bei Haftpflichtfragen gibt es keinen Unterschied zu Autos mit Verbrennungsmotor. Bei Elektrofahrzeugen sind die Leistungen der Kaskoversicherung wichtig. Die Schäden sind im Durchschnitt höher als bei herkömmlichen Autos. Die verwendeten Hochvolt-Batterien können zwischen 5000 und 25.000 Euro kosten. Deshalb sollten Schäden an den Akkus auch gut abgesichert sein. Das gilt für Unfallschäden, aber auch für indirekte Folgeschäden durch Kurzschlüsse, Überspannung, Tierbisse oder Lade- und Bedienfehler.
Das Brandrisiko ist bei Autos mit Elektroantrieb grundsätzlich nicht höher als bei Fahrzeugen mit herkömmlichem Antrieb. Geht eine Batterie – etwa nach einem besonders schweren Unfall - doch mal in Flammen auf, dauert das Löschen jedoch länger, ist aufwendiger und teurer. Bei alltäglichen Unfällen wird die Batterie allerdings meistens gar nicht beschädigt. Der Reparaturumfang ist dann vergleichbar wie bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.
Ein weiterer Trend: Carsharing. Allein zwischen April und Juli 2020 nahm die Nutzung um 45 Prozent zu, wenn auch corona-bedingt. Bietet die ADAC Autoversicherung AG auch hierfür Lösungen? Was sind hierbei die Herausforderungen?
Natürlich beobachten wir, wie sich Mobilität entwickelt und welche Trends sich verstetigen. Dass wir Versicherungskompetenz und Mobilitätskompetenz in besonderer Weise verbinden können, ist sicherlich ein Vorteil. Aktuell konzentrieren wir uns aber auf unser Kerngeschäft und unseren Anspruch, den Mitgliedern des ADAC und allen Autofahrern eine einfache und faire Autoversicherung anzubieten.
Noch immer sind in der Versicherungsbranche kaum Vorständinnen aktiv. Laut einer Studie des IAB werden in der Finanz- und Versicherungsbranche nur 16 Prozent der Vorstandsposten von Frauen gehalten. Das ist selbst im Vergleich mit anderen Branchen unterdurchschnittlich. Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen hierfür?
Es gibt insgesamt in vielen Bereichen und Branchen noch zu wenig Frauen im Management – nicht nur in den Vorständen, sondern auch in den Ebenen darunter. Wenn Unternehmen das Thema breiter angehen und mehr Frauen Führungspositionen übernehmen, eröffnen sich auch mehr Perspektiven für die oberen Etagen. Und das Potenzial für Vorstandsbesetzungen wird größer und weiblicher.
…und was kann bzw. muss getan werden, um Frauen in dieser Hinsicht besser zu fördern?
Vor allem muss die Einstellung stimmen und Vielfalt als Bereicherung verstanden werden. Das geht über das Thema Mann und Frau weit hinaus. Im Arbeitsalltag gilt es besonders, die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf zu verbessern. Wir wissen inzwischen, dass mobiles Arbeiten zu flexiblen Zeiten gut funktionieren kann – auch wenn in der Corona-Krise manches schwierig war. Die Möglichkeit zu mehr Flexibilität sollten wir bewahren. Und: Was immer hilft, ist voneinander lernen. Das gilt auch für Frauen in Führungspositionen. Der Erfahrungsaustausch untereinander, auch über Führungsebenen hinweg, ist für die Einzelne bereichernd und für jedes Unternehmen ein Gewinn.
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
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