Versicherungsbote: Vor knapp einem Jahr haben Sie anlässlich der Maklerpool-Studie 2019 vor oligopolen Strukturen im Poolmarkt gewarnt. Wie schätzen Sie die Lage heute ein?

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Sabine Brunotte verantwortet die Studie 'Poolradar 2020'.BrunotteKonzeptSabine Brunotte: Aktuell entfallen auf den Marktführer Fonds Finanz geschätzte 16 Prozent des Umsatzes, gefolgt von Netfonds und JDC mit jeweils rund 10 Prozent. Von einem Oligopol ist der Poolmarkt also noch ein gutes Stück entfernt. Doch die Konzentration im Maklersegment setzt sich fort, keine Frage. Das gilt für mittlere und große Maklerhäuser ebenso wie für Pools und Maklerdienstleister. Eine der wesentlichen Ursachen liegt in den enorm hohen Kosten für die Etablierung digitaler Prozesse. Weniger finanzkräftige Unternehmen können diesen Aufwand nicht länger allein stemmen. Wer das erst einmal eingesehen hat, ist eher bereit, unter das Dach eines Mitbewerbers zu schlüpfen.

Was wäre eigentlich so schlimm an einem oligopolen Poolmarkt? Auch im Big Tech beobachten wir ja eine starke Konzentration weniger Anbieter: Google, Amazon, Facebook und Co. sind fast ohne Alternativen: und offenbar erfolgreich...

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Google (Alphabet), Amazon, Facebook und Co. zählen zu den wertvollsten Unternehmen an der US-Börse. Jeder dieser Konzerne hat unvorstellbar viel Kapital aufgesogen und ganze Wirtschaftszweige ins Wanken gebracht. Dieses disruptive Potenzial kann ich bei Pools beim besten Willen nicht entdecken. Zudem ist ihr Geschäftsmodell aufgrund international unterschiedlicher regulativer, politischer, fiskaler und mentalitätsgeprägter Rahmenbedingungen nur eingeschränkt exportfähig. Lassen Sie es uns also eine Nummer kleiner angehen.
Ein deutsches Pool-Oligopol stellt auf den ersten Blick eigentlich kein Problem dar. Die potenziellen Kandidaten unterscheiden sich deutlich – in ihrer Entstehung und Entwicklung ebenso wie beim Geschäftsmodell, Produktschwerpunkten, Vertriebspartnern, Digitalisierungsgrad und IT-Services. Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, dass sie den Markt einvernehmlich unter sich aufteilen würden. Von einem Poolkartell sind wir jedenfalls weit entfernt. Wenn kleinere Nischenanbieter auf der Strecke bleiben sollten, würde ich das allerdings bedauern. Dazu zähle ich beispielsweise Anbieter von Deckungskonzepten und echte Spezialisten für Nischenprodukte. Gerade für anspruchsvolle unabhängige Vermittler spielen sie eine wichtige Rolle. Und ihr Verschwinden wäre ohne Zweifel ein Verlust.

Bei vielen Vermittlern zählt jeder Euro

Die Abwägung für Makler ist schwierig, inwieweit sie sich in die Abhängigkeit eines Pools begeben. Welche Aspekte sollten Makler dabei unbedingt beachten?

Dass ein kostenloses Angebot für MVP und Vergleicher heute noch zu den Hauptkriterien gehört, spiegelt vor allem den Status quo unter Vermittlern: Viele erzielen mit Ach und Krach gerade einmal das Tarifeinkommen von Tarifbeschäftigten der Versicherungswirtschaft. Da zählt oft jeder Euro...
Die Unterstützung digitaler Beratungs- und Abschlussprozesse liefert auf Sicht kein wesentliches Unterscheidungsmerkmal mehr. Pools, die hier nicht mithalten können, verschwinden langsam, aber sicher aus dem „Relevant Set“ von Vermittlern. Es braucht den Fit vor allem bei Produkten und Prozessen. Vermittler mit Schwerpunkt im Investmentbereich entscheiden sich in der Regel für andere Dienstleister als der klassische Versicherungsmakler. Weit oben im Kriterienkatalog stehen zudem automatisierte Prozesse bei der Bestandsverwaltung.

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Abgesehen von der technischen Unterstützung durch Pools und Verbünde: Welche Kriterien sind Maklern besonders wichtig bei der Auswahl ihres Pools und inwieweit hat sich das in den letzten Jahren geändert?

Aus Maklerperspektive entscheidend sind eindeutige und transparente Vereinbarungen zum Bestand. Wem gehört er, wer kann in welcher Situation darauf zugreifen? Und was passiert, wenn ein Makler seinen (Pool-) Dienstleister wechseln will?

Eine Abschlussfrage zu Corona und den Folgen: Kein einziger der von Ihnen befragten Pools und Verbünde erwartete für 2020 sinkenden Umsatz. Wie erklären Sie sich das?

Prinzip Hoffnung? Spaß beiseite. Erste Unternehmen haben bereits Zahlen für 2020 vorgelegt, die durchaus Anlass zu Optimismus geben. Gerade für das Ergebnis im Jahr 2020 ist der Produktmix entscheidend. So hat der Investmentbereich im Coronajahr keine Einbußen zu verzeichnen, ganz im Gegenteil. Das Lebensgeschäft stagniert zwar, aber in der Schaden- und Unfallversicherung stiegen die Beitragseinnahmen laut GDV-Hochrechnungen moderat um 2,1 Prozent. Und je breiter Unternehmen aufgestellt sind, umso besser können sie Schwankungen und Sondereinflüsse kompensieren.
Wie unser PoolRadar 2020 zeigt, stammen bei den befragten Unternehmen im Übrigen nur rund 30 Prozent der Einnahmen aus dem Neugeschäft. Folge- bzw. laufende Courtagen ma- chen mit gut 60 Prozent den Löwenanteil der Einnahmen aus. Neugeschäftseinbrüche werden also gut abgefedert. Zudem dürfte sich für Pools mittlerweile stabilisierend auswirken, dass sie ihre Vertriebspartner motivieren konnten, Bestände auf sie zu übertragen, ob im Wege der Bestandsbearbeitung und -ausschöpfung, als Rentenmodell oder mit einem Bestandsverkauf.

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Hinweis: Der Text erschien zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin 01/2021.

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