Für sein „Schock-Gutachten“, dass dem deutschen Rentensystem attestiert, sich in eine Sackgasse manövriert zu haben, musste der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) viel Kritik einstecken. Die ‚sachlichste‘ kam dabei noch von Links-Partei und Gewerkschaftsbund; SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sprach dem federführenden Beirat, Prof.Dr. Axel Börsch-Supan, gar den Expertenstatus ab.

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Nun bekommt Börsch-Supan ein stückweit ‚Schützenhilfe‘: Ein Gutachten der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine umfassende Rentenreform unaufschiebbar ist. Prof. Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, forderte rasches Handeln: „Wir stehen jetzt vor dem Beginn der fundamentalen Krise unseres Rentensystems. Was wir schon seit Jahren wussten, passiert jetzt in den nächsten Jahren Schlag auf Schlag. Angesichts der Herausforderungen können wir den Kopf nicht länger in den Sand stecken. Die Lösung der demografischen Herausforderungen in der Rente ist im Interesse aller Generationen - auch die Rentner haben ein Interesse an einer stabilen, nachhaltigen Ausgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Lasten müssen fair zwischen den Generationen geschultert werden. Eine einseitige Fokussierung auf die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters wird der Komplexität der Herausforderungen nicht gerecht.“

Auch das ifo-Gutachten stellt auf Rentenbeginn der „Babyboomer-Jahrgänge“ in den kommenden Jahren ab. Das wird dazu führen, dass 2050 zwei Erwerbstätige einen Rentner finanzieren. Heute sind es die Beiträge von drei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die nötig sind, um einen Rentner zu finanzieren (siehe Grafik).


Doch diese Entwicklung wird noch von den Rentenpaketen der letzten sieben Jahre verschärft, so das ifo-Gutachten. Nach den Berechnungen Dresdner Wissenschaftler werden die Rentenausgaben bereits zehn Jahre früher erheblich steigen. Sie gehen davon aus, dass die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung von heute neun auf fast zwölf Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung im Jahr 2050 steigen werden. Dieser Zuwachs entspricht etwa der Hälfte dessen, was die Automobilindustrie jährlich zur Wirtschaftsleistung in Deutschland beiträgt. Um diese Mehrausgaben durch Steuern zu finanzieren, müsste beispielsweise die Mehrwertsteuer von heute 19 auf 27 Prozent im Jahr 2050 erhöht werden. Ohne die Rentenreformen der Jahre 2014 bis 2020 wäre eine Erhöhung auf 25 Prozent ausreichend, so die Wissenschaftler. Besonders stark trägt die Aussetzung des Nachholfaktors seit 2019 zur dauerhaften Erhöhung der Rentenausgaben bei, so das ifo-Gutachten. Die Aussetzung würde verhindern, dass die Entwicklung des Rentenniveaus infolge der Corona-Pandemie gedämpft wird, wie es eigentlich notwendig wäre.

Kritisch sehen die Autoren des Gutachtens auch eine Verlängerung der doppelten Haltelinie über das Jahr 2025 hinaus. Die doppelte Haltelinie garantiert, dass das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent fällt, während gleichzeitig die Beiträge nicht über 20 Prozent steigen. Würde sie bis 2050 gelten, müsste mehr als die Hälfte des Bundeshaushaltes als Zuschuss in die Rentenversicherung fließen. Dann müsste die Mehrwertsteuer sogar auf über 30 Prozent angehoben werden, um die Mehrausgaben zu finanzieren. In der Folge würde ein Kleinwagen, der heute noch 15.000 Euro kostet, im Jahr 2050 rund 1.400 Euro mehr kosten.

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Für Prof. Karl-Heinz Paqué ist das Fazit klar: „Die Leistungsausweitungen der letzten Jahre gefährden die langfristige Tragfähigkeit der Rentenversicherung – ohne einen positiven Nutzen für die Mehrheit der Rentner zu bringen.“