Berufsunfähigkeitsversicherung: Welche Gesundheitsbeschwerden nicht mehr als belanglos gelten
Wann sind Gesundheitsbeeinträchtigungen als offenkundig belanglos anzusehen, sodass sie im Antrag für eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht angegeben werden müssen? Mit dieser Frage hatte sich das Oberlandesgericht Dresden zu beschäftigen. Die Antwort: Liegt eine längere Krankschreibung oder Behandlung mit Physiotherapie vor, sind die Beschwerden im Antrag auch dann anzugeben, wenn der Antragsteller sie selbst für geringfügig hält. Auch muskuläre Probleme des Rückens dürfen nicht verschwiegen werden.
Das Oberlandesgericht Dresden hat mit einem Beschluss die Klage eines Elektromonteurs zurückgewiesen, der durchsetzen wollte, dass sein Schutz durch eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wieder in Kraft gesetzt wird. Dabei bestätigte das Gericht, dass der Mann seine Offenbarungspflichten arglistig verletzt hatte, um den Versicherer zu täuschen. Auf das Urteil macht Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke bei cash-online.de aufmerksam (OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Beschluss vom 26. Oktober 2020, Az.: 4 U 1059/20 ).
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Wichtige Informationen verschwiegen
Der Beschluss bietet einen Einblick, was in einem BU-Antrag nicht verschwiegen werden darf. Der Kläger hatte im November 2010 eine Berufsunfähigkeitszusatz-Police abgeschlossen. Dabei hatte er nicht angegeben, dass er im selben Jahr sein rechtes Handgelenk physiotherapeutisch behandeln lassen musste. Dies verschwieg er, obwohl er explizit nach Beschwerden der Gelenke gefragt wurde - und dem Antrag der Hinweis vorangestellt war, es sollten "sämtliche Beschwerden und Krankheiten" der letzten fünf Jahre angegeben werden. Ebenfalls im Antrag enthalten war der Hinweis, dass die aufgeführten Beispiele nur der Veranschaulichung dienen. Die Beschwerden des Handgelenks waren so schwer, dass der Mann wenige Monate zuvor sogar 15 Tage arbeitsunfähig gemeldet war.
Im Jahr 2015 focht der Versicherer den Vertrag an: wegen arglistiger Täuschung. Völlig zu recht, wie das OLG Dresden ausführte. „Die Möglichkeit der Anfechtung ist dem Versicherer nach § 22 VVG i.V.m. § 123 f. BGB eröffnet, wenn der Versicherungsnehmer seine Offenbarungspflicht arglistig verletzt. Voraussetzung für das Vorliegen von Falschangaben ist, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst werden kann“ heißt es hierzu im Beschlusstext.
Grundsätzlich habe der künftige Versicherungsnehmer die in einem Versicherungsformular gestellten Gesundheitsfragen erschöpfend zu beantworten, führt das Gericht weiter aus. Er darf sich daher bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeschwerden verschweigen. Diese weit gefasste Pflicht zur Offenbarung finde ihre Grenze nur bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen, heißt es weiter. Ob eine anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliege, sei unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen.
Auch weitere Beeinträchtigungen nicht genannt
Hier habe der Monteur seine Pflichten gleich mehrfach verletzt. Neben den Gelenkbeschwerden der Hand hatte er ebenso verschwiegen, dass er wegen Rücken- und Schulterbeschwerden in Behandlung gewesen ist: obwohl derartige Beschwerden gerade die berufliche Leistungsfähigkeit eines handwerklich tätigen Elektromonteurs beeinträchtigen. Hier hatte der Monteur die Frage im Antrag verneint, ob Beschwerden bzw. Krankheiten der Wirbelsäule vorliegen: und auch damit nicht wahrheitsgemäß die Frage beantwortet. Aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers seien Rückenschmerzen von der allgemein gehaltenen Frage nach Beschwerden bzw. Krankheiten der Wirbelsäule mit umfasst, führt das Gericht aus.
Schließlich hat der Kläger auch die Frage nach dem Bestehen einer Stoffwechselerkrankung zu Unrecht verneint, da er bereits bei Antragstellung an einer Störung der Schilddrüse litt und sich deshalb regelmäßig ärztlich behandeln lassen musste. Auch eine psychische Erkrankung aus dem Jahr 2007 verschwieg er - obwohl er deshalb 37 Tage arbeitsunfähig gemeldet war. Wie der Mann sagte, belastete ihn die damalige Pflege seiner todkranken Frau.
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Hier folgte das Oberlandesgericht dem Urteil des Landesgerichtes. Der Kläger habe sich bei Antragstellung bewusst als gesund dargestellt und daher aufgetretene Beschwerden heruntergespielt, um so Versicherungsschutz zu erhalten. Der Monteur hatte zudem angegeben, es würden jährliche ärztliche Untersuchungen „ohne Befund“ erfolgen. Dies reiche für die Annahme einer arglistigen Täuschung aus, auch wenn die Beschwerden in der Wahrnehmung des Klägers nicht schwerwiegend gewesen seien - er hätte erkennen können und müssen, dass die Angaben wichtig für den Versicherer waren, ob er Versicherungsschutz gewährt oder Ausschlussklauseln festschreibt.