Ein Wirtschaftsbereich hat bereits wieder Vorkrisenniveau erreicht. Doch ein Grund zum Feiern ist darin nicht zu sehen. Denn es handelt sich dabei um Internetkriminalität. „Die vollkommen neue Situation im März vergangenen Jahres hat auch den Aktionsradius der Betrüger zunächst stark eingeschränkt. Bis zum Sommer 2020 haben wir einen deutlichen Rückgang von betrugsverdächtigen Anfragen gehabt“, sagt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Germany, Central, North, East Europe & Russia/CIS von Atradius. „Mittlerweile ist die Frequenz von auffälligen Geschäften aber wieder auf Vorkrisenniveau. In Deutschland fällt uns derzeit täglich mindestens ein Abnehmer mit einer potenziell verdächtigen Bestellung auf. In solchen Fällen informieren wir umgehend unsere Kunden. Unternehmen sollten jetzt ihre Due-Dilligence-Maßnahmen sorgfältig aufstellen, so dass sie auch dann funktionieren, wenn am Ende der Pandemie ein wirtschaftlicher Nachholeffekt einsetzt und die Aufträge sprunghaft ansteigen. Sonst könnte auf die Euphorie schnell Ernüchterung folgen, wenn das eigene Unternehmen in Liquiditätsengpässe gerät, weil es einen betrügerischen Auftraggeber zu spät identifiziert hat.“

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Stoßbetrug am häufigsten

Anzeichen, die bei Lieferanten und Dienstleistern die ‚Alarmglocken‘ läuten sollten, seien beispielsweise noch unbekannte Kunden, die zuletzt häufiger die Adresse gewechselt haben oder wenn Ware aus einer Branche bestellt wird, die dafür eigentlich keine Verwendung hat, gibt Karrenberg einige Tipps, woran betrügerische Auftraggeber zu erkennen sein können. „Verdächtig ist es auch, wenn ein Abnehmer innerhalb kürzester Zeit viele Bestellungen bei verschiedenen Lieferanten aufgibt. Letzteres können wir als Kreditversicherer häufig sehr gut und schnell erkennen.“

Als häufigste Betrugsform bezeichnet Atradius den sogenannten Stoßbetrug: Dabei bestellen Kriminelle auf einen ‚Stoß’ Ware auf Rechnung, ohne die Absicht, diese jemals zu bezahlen. Fragen die Lieferanten einige Zeit nach Auslieferung dann nach dem Zahlungseingang, sind die Strippenzieher bereits verschwunden.
Nach Angaben des Kreditversicherers ist der Lebensmittelbereich am häufigsten von diesem Betrugsmuster betroffen; insbesondere Händler von hochwertigem Fleisch und Fisch. Zuletzt gab es aber auch vermehrt Betrugsversuche im IT-Bereich, bei Baumaterialien sowie bei Metallen. „Seit Sommer vergangenen Jahres haben sich die verdächtigen Bestellungen bei hochwertigen Metallen wie zum Beispiel Kupfer gemehrt“, so Karrenberg. Der Preis für den begehrten Rohstoff hat sich in den letzten 12 Monaten fast verdoppelt. Das lockt offenbar auch Kriminelle an.

Identitätsbetrug: Schadensumme steigt

Der stärkste Zunahme im Bereich Cyber-Crime beobachtete der Kreditversicherer allerdings bei Identitätsbetrug. Dabei werden zum Beispiel Firmenkontaktdaten in einem E-Mail-Abbinder sowie Mail-Adressen gefälscht. Mit dieser falschen Identität geben sich die Betrüger beispielsweise als Mitarbeiter von großen Handelskonzernen aus und tätigen Bestellungen in deren Namen. Nach der Auslieferung der Waren erlischt dann der Kontakt.

„Der Identitätsbetrug hat während Corona mit am stärksten zugenommen. Gerade ausländische Lieferanten sind häufig Ziel der Betrüger, da sie sprachliche Auffälligkeiten in E-Mails in vielen Fällen nicht sofort erkennen. Am meisten betroffen sind mittelständische Lieferanten im Handelsbereich, das Betrugsmuster verbreitet sich aber auch in der IT-Branche oder im Baubereich immer mehr. Wir empfehlen Lieferanten daher, neue Kunden bzw. Bestellungen immer direkt zu kontaktieren bzw. ihre Echtheit zu überprüfen“, so Karrenberg.

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Die potenzielle Schadensumme sei dabei erheblich gestiegen, so Atradius. Spielten sich die Identitätsbetrugsbestellungen vor rund zehn Jahren noch im Bereich von rund 10.000 Euro ab, hat sich diese Summe kontinuierlich erhöht und kann mittlerweile auch im mittleren sechsstelligen Eurobereich liegen.