Auf Kaffeefahrten dürfen keine Versicherungen und Finanzprodukte mehr verkauft werden
Der Bundestag will die Kundinnen und Kunden von Kaffeefahrten besser vor unseriösen Angeboten schützen. Versicherungen, Bausparverträge, Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel dürfen bei solchen Reisen grundsätzlich nicht mehr verkauft werden.
Kaffeefahrten sind ein Millionengeschäft: Nicht nur aufgrund der Fahrten selbst, sondern auch, weil sich hinter so mancher Bustour ins Grüne eine dreiste Verkaufsveranstaltung verbirgt. Oder wie es in den Prospekten der Reiseveranstalter oft heißt: eine „informative Produktshow“. Ob eine Lamadecke zum Preis von fast 2.000 Euro, ein Wundermittel gegen Demenz für 1.600 Euro oder die Sorglos-Matratze für 5.000 Euro: die Foren sind voll mit Beispielen mehr oder weniger seriöser Produkte, die an meist betagte Ausflüglerinnen und Ausflügler vermittelt werden. Rund fünf Millionen Menschen nehmen jedes Jahr an einer solchen Fahrt teil, so schätzt der Bundesrat.
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Verkaufsverbot für Versicherungen und Finanzprodukte
Das Ländergremium war es auch, das 2018 unter der Federführung Bayerns einen Gesetzentwurf angestoßen hat, um die Seniorinnen und Senioren besser vor unseriösen Deals zu schützen. Mit Erfolg, denn am Sonntag hat auch der Bundestag dem Gesetzespaket zugestimmt — und die Regeln entsprechend verschärft. Fortan ist der Verkauf von Versicherungen, Bausparverträgen, Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln auf Kaffeefahrten grundsätzlich verboten. Auch müssen die Teilnehmer umfassender über ihre Rechte informiert werden. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von 10.000 Euro: ob dies eine ausreichend abschreckende Wirkung hat, muss sich zeigen. Pro Jahr erzielt die Branche einen Umsatz von 500 Millionen Euro, so schätzt der Bundesrat.
Wer dazu recherchiert, welche Versicherungen und Bausparverträge auf Kaffeefahrten angeboten wurden, wird nicht so recht fündig. Auch beim GDV sind keine Fälle bekannt, wie eine Anfrage des Portals Versicherungsmonitor ergab. Der österreichische „Standard“ berichtet immerhin, dass auf Billigflügen der RyanAir für Versicherungen geworben wird.
Im Gesetzentwurf werden aber die zweifelhaften Verkaufspraktiken der Anbieter beschrieben: „Oft locken die Veranstalter in Zeitungsinseraten und Hauswurfsendungen mit kostenlosem Transport zum Veranstaltungsort und niedrigen Preisen. Sie versprechen den Teilnehmern Geschenke, Gewinne und viele Angebote. In der Realität enden die langen, ermüdenden Busfahrten häufig in einem abgelegenen Landgasthof, wo die Verletzlichkeit der Teilnehmer mit aggressiven und irreführenden Verkaufsmethoden zu ihrem finanziellen Nachteil ausgenutzt wird“, heißt es da.
Somit erklärt sich auch das Verkaufsverbot für Versicherungen und Finanzprodukte: Diese sollen nicht unter großem Druck abgeschlossen werden, sondern erst, nachdem man sich umfassend informiert und beraten lassen hat. Wie lokale Polizeistellen berichten, ist es sogar schon vorgekommen, dass den Seniorinnen und Senioren die Rückfahrt verweigert wurde, wenn sie nichts kaufen wollten - oder sie im Gasthof eingeschlossen wurden. Ein eindeutig gesetzwidriges Verhalten, bei dem Betroffene sofort die Polizei verständigen sollten.
Unseriöse Gewinnspiel-Versprechen
Dass die Zahl der schwarzen Schafe in der Branche groß ist, zeigt eine Liste der Verbraucherzentrale Hamburg. 118 Reiseanbieter werden dort aufgelistet, über die sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer solcher Kaffeefahrten wiederholt beschwert haben. Oft wurden potentielle Gäste über Werbeanschreiben geködert, die hohe Geld- und Sachgewinne versprachen: Gewinne, die die Teilnehmenden natürlich nicht bekamen. Mitunter wurde sogar gedroht, dass den Angeschriebenen angebliche Planungskosten in Rechnung gestellt werden müssen, wenn sie ihre Reise nicht antreten, somit eine Art Teilnahmezwang suggeriert. Wer hinter solchen Anschreiben steckt, ist bei derart unseriösen Angeboten in der Regel nicht zu ermitteln. Entweder ist keine Adresse angegeben: oder nur ein Postfach.
Dass sich die Organisatoren hier nicht an Gesetze halten, wird schnell deutlich. Denn wenn die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, hat der Veranstalter gemäß § 661a BGB dem Verbraucher diesen Preis zu leisten. Hier setzen die Veranstalter bewusst darauf, dass die Seniorinnen und Senioren ihre Rechte nicht kennen. Der Bundesgerichtshof hat ebenfalls bereits 2002 bestätigt, dass derartige Werbeversprechen illegal sind (3 StR 11/02). Geltendes Recht wird von den schwarzen Schafen der Branche bereits vielfach verletzt: auch deshalb ist fraglich, ob das Bußgeld von 10.000 Euro den Verkauf der nun verbotenen Produkte wird unterbinden können.
Seriöse Anbieter erkennen
Natürlich gibt es auch seriöse Anbieter von Kaffeefahrten. Interessierte Seniorinnen und Senioren sollten darauf achten, ob der Veranstalter über eine nachvollziehbare Adresse und Telefonnummer verfügt: am besten mit einem Ansprechpartner. Auch eine kurze Recherche im Netz kann schon helfen, sich über die Seriosität des Anbieters zu informieren. Die Verbraucherzentrale Hamburg hält Listen mit Reiseanbietern bereit, die bereits negativ auffielen.
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Wer vor Ort etwas kauft, sollte darauf bestehen, einen Kaufvertrag ausgehändigt zu bekommen, der ebenfalls eine nachvollziehbare Adresse enthält. Auch muss der Verkäufer über das Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB aufklären. Innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsschluss bzw. ab Erhalt der Ware können Käufer ohne Angabe von Gründen den Kaufvertrag widerrufen. Das Widerrufsrecht gilt auch länger, wenn auf der Veranstaltung nicht transparent darüber aufgeklärt wurde.