6,85 Millionen Menschen galten zum Jahresende 2020 in Deutschland als überschuldet. Dies ist das Ergebnis des Überschuldungsreports 2021, den das Institut für Finanzdienstleistungen (iff) Hamburg gemeinsam mit Deutschland im Plus – der Stiftung für private Überschuldungsprävention am Donnerstag vorgestellt hat. Damit ist die Zahl der Überschuldeten gegenüber dem Vorjahr im Coronajahr sogar leicht rückläufig (2019: 6,92 Millionen). Aber Sally Peters, Geschäftsführerin des iff, warnt davor, die Folgen der Coronakrise zu unterschätzen.

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Der Grund: Der Überschuldungsreport beruht auf Zahlen von Schuldnerberatungsstellen. Für den aktuellen Überschuldungsreport wurden Daten von Haushalten untersucht, bei denen die Schuldnerberatung zwischen den Jahren 2008 und 2020 begann: anonymisiert von 185.592 Haushalten und 72 Beratungsstellen. „Wie bei der Finanzkrise 2007/2008 ist auch bei der globalen Gesundheitskrise damit zu rechnen, dass sich die Auswirkungen auf die Überschuldungsstatistik mit einer Verzögerung von rund zwei Jahren zeigen werden“, erklärt Peters. Viele Menschen würden erst andere finanzielle Mittel ausreizen, bis sie schließlich eine Schuldnerberatung aufsuchen.

Lebenskrisen und unerwartete Ereignisse als Auslöser

Schaut man auf die Ursachen, weshalb sich Menschen verschulden, so zeigt sich: Oft sind diese für die Betroffenen schwer beeinflussbar. Vielmehr sind Lebenskrisen und Einschnitte in der Biographie oft Auslöser. Zu bedenken ist hierbei aber, dass lediglich bei 40,7 Prozent der für 2020 neu hinzugekommenen Fälle (6.674) Daten zu Überschuldungsgründen vorlagen — und oft mehrere Sachverhalte zusammenwirken.

Überschuldet haben sich die Hilfesuchenden 2020 aufgrund von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit (22,77 Prozent, Vorjahr: 19 Prozent), Einkommensarmut (11,36 Prozent, Vorjahr: 12,4 Prozent), Krankheit (11,22 Prozent, Vorjahr: 10,6 Prozent) sowie Scheidung/Trennung (9,74 Prozent, Vorjahr: 9,62 Prozent). Auch gescheiterte Selbstständigkeit ist mit 8,77 Prozent der neuen Beratungsfälle eine häufige Überschuldungs-Falle (Vorjahr: 9,4 Prozent).

Hauptüberschuldungsgründe 2020CAWIN-Daten; Darstellung: iff, Anzahl auswertbare Daten für Beratungsneuzugänge 2020: N=6.674.

Als besonders gravierend macht das iff aus, dass immer mehr Menschen wegen Einkommensarmut in die Überschuldung rutschen. Dieser Wert habe seit Jahren zugenommen (zum Vergleich: 2022 waren es noch 3,61 Prozent). Und auch, dass Arbeitslosigkeit einer der wichtigsten Überschuldungsgründe ist, lässt mit Blick auf die Coronakrise nichts Positives erwarten. "Vor dem Hintergrund, dass Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren ein Hauptgrund für Überschuldung war und dies auch für 2020 bestätigt wird, ist zu befürchten, dass sich die Folgen der Corona-Pandemie in den kommenden Jahren in steigenden Überschuldungszahlen und einer steigenden Überschuldungstiefe niederschlagen werden“, erklärt Peters.

Die typische – als Median berechnete - Schuldenhöhe von Personen, die Rat bei Schuldnerberatungen suchen, betrug 2020 genau 14.167,48 Euro und ist damit in den letzten 10 Jahren kontinuierlich zurückgegangen (Vergleich 2011: 19.046,29 Euro). Diese Angaben sind preisbereinigt. „Die Entwicklung lässt die Interpretation zu, dass Überschuldung mit immer geringeren Kreditbeträgen verbunden ist, was ein Spiegel der Einkommensungleichheit sein könnte“, sagt Sally Peters.

Aber wann gilt ein Haushalt als überschuldet? Hierfür gebe es keine einheitliche Definition, berichten die Studien-Autorinnen. Eine Orientierung biete der Dritte Armuts- und Reichtums-Bericht der Bundesregierung: „Ein Privathaushalt ist dann überschuldet, wenn Einkommen und Vermögen aller Haushaltsmitglieder über einen längeren Zeitraum trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht ausreichen, um fällige Forderungen zu begleichen.”

Der größte Anteil der Forderungssumme fällt auch dieses Jahr mit 19,75 Prozent auf die öffentlich-rechtlichen Gläubiger, dicht gefolgt von Banken mit 19,42 Pro-zent. 11,46 Prozent der Forderungen entfallen auf Inkassounternehmen oder Rechtsanwälte, 10,86 Prozent auf Telekommunikation, 10,20 Prozent auf sonstige gewerbliche Gläubiger, 6,12 Prozent auf Vermieter und Versorgungsunternehmen, 2,64 Prozent auf den Versandhandel, 2,49 auf Versicherer. Weitere Ergebnisse können auf der Webseite des iff eingesehen werden.

mit Pressematerial iff