Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) legte kürzlich ein Gutachten vor, dessen wichtigste Forderung eine offene Debatte um die Zukunft der Deutschen Rentenversicherung ist.

Anzeige

Denn das Beharren auf den Haltelinien (Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent und höchstens 20 Prozent Beitragssatz) würde dazu führen, dass die Bundeszuschüsse deutlich aufgestockt werden müssten. Doch (noch) höhere Bundesmittel in der Rentenkasse würden zu weniger Investitionen führen. Das „würde die Tragfähigkeit unseres Sozialsystems untergraben“, sagte Prof. Klaus M. Schmidt (LMU München), Vorsitzender des Beirats, anlässlich der Vorlage des Gutachtens.

Dieser Auffassung wurde auf der Bundesvertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung widersprochen. „Anders als es manche Stimmen vermitteln wollen, wird sich das Verhältnis von Bundeszuschüssen zu Rentenausgaben in den kommenden Jahren kaum verändern und sogar noch hinter dem Stand von 2010 zurückbleiben“, so Anja Piel, Vorsitzende des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungsbote berichtete).

Anzeige

ifo-Institut: Kein Spielraum für Rentenpakete

Vergangene Woche legte das ifo-Institut einen Aufsatz (PDF) vor, der im Grunde fordert, dass die künftige Bundesregierung der Rentenkasse keine zusätzlichen Leistungen aufbürdet. Für stabile Rentenfinanzen sei eine Erhöhung des Rentenalters langfristig nicht zu umgehen. Sie müsse an die Lebenserwartung oder an Lebensjahre mit guter Gesundheit gekoppelt werden.

DGB für Anhebung des Rentenbeitrags

„Würden die bereits jetzt absehbaren Zusatzkosten der Rentenversicherung nur über die Mehrwertsteuer finanziert, müsste der Steuersatz schon bis zum Jahr 2030 von 19 Prozent auf 23 Prozent steigen“, sagt Marcel Thum, Leiter der ifo-Niederlassung in Dresden, der zu den Autoren des Aufsatzes zählt. „Bis 2050 müsste der volle Mehrwertsteuersatz sogar auf 27 Prozent steigen.“ Der demografische Wandel sei für drei Viertel dieser Zusatzkosten für die Rentenversicherung verantwortlich. Ein Viertel der Zusatzkosten gehe zurück auf die Rentenpakete von 2014 bis 2020.

Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter von ifo Dresden, verweist darauf, welche Folgen es hätte, wenn die Regierung die Leistungen der Rentenversicherung ausweitete: „Geradezu dramatisch würde es sich auswirken, wenn die neue Regierung verspricht, den Beitragssatz auch über 2025 hinaus unter 20 Prozent zu halten und das Standardrentenniveau nicht unter 48 Prozent des durchschnittlichen Arbeitseinkommens sinken zu lassen.“ Thum ergänzt: „60 Prozent des Bundeshaushaltes müssten bei einem solchen Versprechen für die Rente ausgegeben werden.“ Bereits ohne diese „doppelte Haltelinie“ nehme die Finanzierung der Rentenkassen bis 2050 fast 40 Prozent des Bundeshaushalts in Anspruch.

Anzeige

„Besonders schwer wiegt, dass die Renten derzeit stärker steigen als die Löhne der Beschäftigten“, erläutert Ragnitz. Eigentlich hätte der Mechanismus der Rentenanpassung eine solche Entwicklung vermieden, er ist aber bis 2025 ausgesetzt worden. „Diese Aussetzung allein trägt schon 2030 zu einem Drittel und 2050 zu 46 Prozent des reformbedingten Anstiegs bei“, sagt Ragnitz. Die starke Wirkung komme dadurch zustande, dass das Rentenniveau dauerhaft erhöht wird. „Dies ließe sich jetzt noch rückgängig machen“, ergänzt Ragnitz; „Dazu müsste aber direkt nach der Wahl entsprechend gehandelt werden.“

DGB für Anhebung des Rentenbeitrags

Dieser Auffassung der Wirtschaftsökonomen widersprach erneut Anja Piel. Die Spitzenfunktionärin ist auch DGB-Bundesvorstandsmitglied. Gegenüber der Schweriner Volkszeitung sagte sie: „Märchen werden nicht deshalb wahr, weil man sie dauernd wiederholt. Die Wahrheit ist: Die Renten steigen mittelfristig langsamer als die Löhne. Viele Menschen schaffen es nicht bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten, geschweige denn bis 67 oder noch länger.“

Anzeige

Aus Sicht von Piel liegen die Lösungen für eine tragfähige Finanzierung der Rentenkasse längst auf dem Tisch:

  • Steigerung der tariflich entlohnten, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung
  • Einbezug aller Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung
  • Anhebung des Rentenbeitrags auf 25 Prozent (bis 2045)
  • Erhöhung der Erbschaftssteuer
  • Einführung einer Vermögenssteuer
Seite 1/2/