Wenzel: Mehrdeutige Klauseln gehen Zulasten des Verwenders
Wie aber sind derart vage Klauseln zu bewerten? Für den Fachwirt Philip Wenzel ist die Sache eindeutig: Sie gehen zulasten des Verwenders gemäß Paragraf 305 c (2) Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Wenzel führt diese Überlegung in einem Sonderheft aus, das dem Printmagazin 1/2020 des Versicherungsboten beigegeben wurde.
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- Wenzel: Mehrdeutige Klauseln gehen Zulasten des Verwenders
Die Versicherer tun sich mit solchen Klauseln also selbst keinen Gefallen, sondern riskieren Rechtsstreitigkeiten mit ungünstigem Ausgang. Die Frage für Makler allerdings sollte lauten, ob man die Kunden einem Rechtsstreits mit ungewissen Ausgang aussetzen will. Und dies kann auch nicht im Sinne des Experten Wenzel sein – weswegen er beim Versicherungsboten verschiedene Klauseln der Grundfähigkeitsversicherung auf ihre Aussagekraft und Eindeutigkeit abklopft. So hebt er einige Klauseln auch als besonders gelungen hervor.
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Wo Schatten ist, muss Licht sein?
Von Eicken stimmt hier mit Wenzel überein. Er schreibt: „Wo Schatten ist, muss auch Licht sein, sagt man bekanntlich und in der Tat finden einzelne Anbieter den Weg hin zu neuen, klaren Leistungsvoraussetzungen.“
Ein Beispiel einer solchen gelungenen Leistungsvoraussetzung sieht er bei der Nürnberger Versicherung: "Die Fähigkeit der versicherten Person, mit einer Hand einen Gegenstand zu greifen und zu halten, ist zumindest an einer ihrer beiden Hände stark beeinträchtigt. Das bedeutet, dass sie mit der linken oder mit der rechten Hand nicht mehr in der Lage ist, einen leichten Alltagsgegenstand (z. B. ein leeres Wasserglas, einen Stift oder einen Kochlöffel) zu greifen und ununterbrochen für fünf Minuten, auch unter Ablage des Unterarms, in der Luft zu halten, ohne dass er ihr aus der Hand fällt.“
Von Eicken schreibt: „Mit dieser Festlegung werden neben der Fingerfertigkeit auch die Kraft und die Ausdauer gewürdigt. Kann der Versicherte demnach zum Beispiel den Stift gar nicht erst greifen, kommt es zu einem Leistungsauslöser, da der Pinzettengriff nicht mehr funktioniert. Fehlt es an der Ausdauer, den Gegenstand fünf Minuten zu halten, kommt es ebenfalls zum Leistungsauslöser und kann der Versicherte nicht fest genug zufassen, um das Wasserglas zu fassen, fehlt es an der nötigen Kraft und es kommt wiederum zum Leistungsauslöser.“
Nun ist diese Sichtweise plausibel und gut begründet. Ebenso plausibel ist aber die Sicht von Philip Wenzel auf die selbe Klausel der Nürnberger Versicherung. Anders als von Eiken stellt Wenzel diese Klausel aber als besonders misslungen heraus: Zwar gefällt es ihm, wenn „ich mir aussuchen kann, welchen Gegenstand ich nicht mehr halten kann.“ Just für diese Formulierung aber schiebt er nach „Aber ich weiß ja auch, wie ich mit Hilfe des Paragrafen 305 c (2) Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auslegungsbedürftige Begriffe zu meinen Gunsten interpretieren kann.“ Statt der mehrdeutigen Formulierung wäre es aus Wenzels Sicht besser, wenn der Versicherte „ein Seil der Stärke x cm mit einem Gewicht von x kg für x Minuten halten“ müsste, ohne dass dieses Seil „mehr als x cm verrutscht“. Und wenn der Versicherte dies nicht mehr kann, erhält er die vertraglich zugesicherte Rente als Leistung.
Zwei Experten – zwei Meinungen
Man könnte diskutieren, welcher Position man eher zustimmen würde – dem Lob oder dem Tadel der Formulierung. Und doch beunruhigt die Tatsache, dass zwei ausgewiesene Experten die gleiche Klausel vollkommen konträr bewerten. Im Grund zeigt sich hier jenes Problem, welches durch die Experten selbst kritisiert wird: Die Grundfähigkeitsversicherung leidet an fehlenden Standards.
Und der Teufel steckt nun für die Makler im Detail eines Deutungsspiels: Jedes Wort der komplex-mehrdeutigen Versicherungsbedingungen gilt es für die Kunden individuell zu gewichten in der Hoffnung, dass die eigene Deutung greift. Sollte sich nichts an den unvergleichbaren Leistungsauslösern ändern, kann jeder Makler nur nach eigenem Gefühl bestimmen, welche Grundfähigkeiten für einen Kunden besonders wichtig sind (und zu versichern sind) – und dann anhand der einzelnen Klauseln den Versuch einer Entscheidung wagen, welches Produkt für den Kunden geeignet ist.
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Was in einer solchen Situation natürlich fehlt, ist Sicherheit bei Vermittlung des Produkts. Eine Erkenntnis, die vielleicht mit Blick auf die Branche nicht neu ist – in einer AssCompact-BU-Studie 2018 unter 400 Versicherungsmaklern gaben nur vier von zehn Maklern an, Grundfähigkeitsversicherungen zu vermitteln (Versicherungsbote berichtete). Zwar liegen aktuelle Zahlen nicht vor. Dennoch dürfte es dem Erfolg des Produkts entgegenkommen, wenn die Branche aufgrund solcher Probleme gemeinsam an vergleichbaren Standards arbeitet. Der Beitrag von Assekurata ist auf der Webseite des Unternehmens verfügbar.
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