Versicherungsbote: Die Märkte sind volatil, die Zinsen niedrig, Sparten wie Riester oder die Lebensversicherung sehen sich einem Dauerfeuer durch die Medien ausgesetzt. Provokativ gefragt: Sind das eigentlich gute oder schlechte Zeiten für Finanzberater und Anlagestrategen, wenn die Kunden verunsichert sind?

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Tim Bröning: Für Finanzberater, die es schaffen, sich den veränderten Bedingungen anzupassen, bieten diese Zeiten mehr Chancen als Herausforderungen. Der Job eines jeden Beraters ist es, dem Kunden zu helfen, mit Hürden wie dem Niedrigzinsumfeld oder der unübersichtlichen Produktvielfalt umzugehen, die Situation richtig einzuordnen und dann passende und zeitgemäße Lösungen zu identifizieren. Das bedeutet: Noch nie waren Finanzberater so wichtig wie heute! Riester-Sparpläne und Lebensversicherungen haben ihre Daseinsberechtigung, aber die Niedrigzinsen haben ihre Rentabilität und Bedeutung im Markt geschwächt. Für Berater ist es deshalb wichtiger denn je, sich von den zunehmend standardisierten Wettbewerberangeboten zu differenzieren, indem sie eine individuelle und qualitätsorientierte Produktauswahl treffen.

Wird es künftig verstärkt darum gehen, Verbraucher für die Geldanlage abzuholen, die ob dieser Situation verunsichert sind oder gar Vorbehalte haben?

Ganz klar: Ja. Rücklagen auf dem Girokonto oder dem Sparbuch schmelzen aufgrund von Null- und Negativzinsen und steigender Inflation über die Zeit dahin. Insbesondere an der Geldanlage am Kapitalmarkt führt heutzutage kein Weg mehr vorbei. Berater müssen ihre Kunden an diese Form der Anlage heranführen, von deren Vorteilen und Chancen überzeugen und Kunden die Ängste und Vorurteile nehmen. Auch bei anderen Anlageformen wie Sachwerten, zum Beispiel Edelmetalle oder Immobilien, gibt es für Anleger Potenzial.

Wie können sich Vermittler an der Schnittstelle zwischen Online- und Offlineberatung positionieren, um gegen das Direktgeschäft konkurrenzfähig zu bleiben?

Das Stichwort lautet „hybride Beratung“. Es gibt weiterhin viele Kunden, die nicht von vornherein als Selbstentscheider agieren, sondern Unterstützung und Profi-Tipps bei ihren Anlage- und Versicherungs-Entscheidungen suchen. Hierbei können Vermittler Mehrwert gegenüber dem Direktgeschäft bieten. Es gilt, eigene Erfahrungen und Know-How mit praktischen und bequemen Online-Dienstleistungen zu kombinieren. Unsere Vermittler nutzen digitale Tools, mit denen sie den Kunden durch das Beratungsgespräch begleiten und beispielsweise Anlageziele und Ertragsaussichten veranschaulichen. Später kann der Kunde sein Depot jederzeit am PC oder Smartphone verwalten. Im Idealfall bieten Vermittler das perfekte Zusammenspiel aus der Online- und Offline-Welt. Die Vorteile des persönlichen Gesprächs sind nicht zu unterschätzen, zum Beispiel weil es den erfolgreichen Vertragsabschluss bei vielen Produkten wahrscheinlicher macht.

Schon ohne Coronakrise arbeiten viele Makler am Existenzminimum, wie Studien immer wieder zeigen. Was sind Gründe, dass so viele Vermittler existentiell zu kämpfen haben?

Ohne die Details dieser Studien zu kennen, ist das schwierig pauschal zu beantworten. Ein Faktor könnte sein, dass im Rahmen der Erhebungen zahlreiche Makler erfasst wurden, die den Maklerberuf vorranging als Nebenerwerb ausüben. Darunter fallen sicherlich auch zahlreiche sogenannte Alte Hasen, die ohne Ablegen einer Sachkundeprüfung weiterhin als Versicherungsmakler tätig sein dürfen – sofern sie seit dem 31. August 2000 ununterbrochen als Versicherungsvermittler oder -berater aktiv waren. Wer als Makler einen Nebenerwerb betreibt, finanziert sich damit sicherlich keinen Lebensunterhalt. Ich könnte mir vorstellen, dass in der Statistik die Verdienste vieler dieser Makler am Existenzminimum erfasst werden. Grundsätzlich bin ich jedoch der Meinung, dass Makler, die an einem der Top-Maklerpools angebunden sind, sich regelmäßig weiterbilden und einen Vertriebsgeist mitbringen, nicht am Existenzminimum arbeiten müssen. Natürlich muss man hier aber immer auf die aktuelle und persönliche Situation Rücksicht nehmen und darf an der Stelle nichts pauschalisieren.

Viele Vermittler scheuen das Thema Investment und konzentrieren sich auf die Versicherungsvermittlung. Warum sollten sich Vermittler Ihrer Meinung nach mit dem Thema Geldanlage beschäftigen und auch als Finanzberater tätig werden?

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Es gibt viele gute Gründe! Zum einen wird die Kundennachfrage nach Investmentangeboten stark steigen. Immer mehr Menschen sind von sich aus gegenüber den Kapitalmärkten heute aufgeschlossener und beginnen sich vermehrt mit dem Thema Geldanlage auseinanderzusetzen – eine Chance, die Berater unbedingt nutzen sollten. Zum anderen ist es noch nie so einfach gewesen, ins Investment-Geschäft einzusteigen und seine Einkommensströme als Vermittler zu diversifizieren. Seit einem EuGH-Urteil 2017 ist klar: Die Vermittlung von Vermögensverwaltungen ist auch ohne § 34f-Erlaubnis möglich, solange keine Anlageberatung stattfindet. Fonds Finanz Partner können zum Beispiel ComfortInvest, unsere professionelle und digitale Fonds-Vermögensverwaltung sowie easyInvesto, unseren ETF-basierten Robo Advisor erlaubnisfrei anbieten. Auch im Bereich physische Edelmetalle und Immobilien haben wir spezielle erlaubnisfreie Angebote gestartet, um Vermittlern den Einstieg zu erleichtern.