Die dramatischen Hochwasserschäden in Teilen Deutschlands haben auch die Debatte über eine Pflichtversicherung für Elementarschäden neu angeheizt. Denn in manchen der betroffenen Regionen besaßen nur rund 30 Prozent der Hausbesitzer einen solchen Schutz, der notwendig ist, damit ein Versicherer auch bei Hochwasser- und Flutschäden zahlt. Mit dem ifo-Institut meldet sich hierzu nun eine prominente Stimme zu Wort. Die arbeitgebernahen Wirtschaftsforscher sind einer solchen Pflicht gegenüber nicht abgeneigt: unter bestimmten Voraussetzungen.

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“Hilft eine Versicherungspflicht für Elementarschäden?“ ist ein aktueller ifo-Standpunkt überschrieben, den Ifo-Präsident Clemens Fuest und Marcel Thum, Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden, verfasst haben. Und sie sehen durchaus Chancen für die privaten Versicherer durch eine solche Pflicht: und auch für die Volkswirtschaft.

„Eine Versicherungspflicht erscheint ökonomisch sinnvoll, sofern sie geeignet ausgestaltet wird. Dann kann sie dazu beitragen, langfristig die gesamtwirtschaftlichen Schäden durch Überflutungen zu reduzieren“, heißt es in dem Statement. Sie verweisen darauf, dass in manchen Bundesländern nur wenige Hausbesitzer freiwillig vorsorgen: in Bremen zum Beispiel nur 23 Prozent. Mit einer umfassenden Versicherungspflicht entstünde ein großer Markt in Deutschland, den private Versicherungen erschließen könnten.

Das Samariterdilemma des Staates

Das wichtigste Argument für eine Pflichtversicherung ist das Samariterdilemma des Staates, argumentieren Fuest und Thum. „Ist ein Elementarschaden wie bei der aktuellen Flutkatastrophe eingetreten und sind die betroffenen Gebäude nicht versichert, bleibt dem Staat kaum etwas anderes übrig, als die helfende Hand auszustrecken. Die Unterstützung durch die Solidargemeinschaft in der Not ist lobenswert, sie zu verweigern, würde auf Unverständnis stoßen“, schreiben die beiden Autoren.

Allerdings habe diese helfende Hand des Staates auch Rückwirkungen auf die Bereitschaft der Bürger, sich freiwillig privat zu versichern. „In der Abwägung zwischen teurer Elementarschadenversicherung und dem Risiko, unversichert einen Schaden zu erleiden, fällt die Entscheidung oft gegen eine Versicherung aus, und das umso eher, je größer die staatliche Hilfe ist, die man erwarten kann, wenn es doch schiefgeht“. Als wichtiger noch betrachten Fuest und Thum den Fehlanreiz, in von Hochwasser gefährdeten Gebieten zu bauen, wenn der Staat für die Schäden aufkommt, ohne dass sich dieses Risiko in adäquaten Versicherungsprämien widerspiegelt. „Die Kosten dieser exzessiven Risikoübernahme trägt dann – zumindest teilweise – über die staatlichen Hilfen die Allgemeinheit“, argumentieren die Ökonomen.

Steuerungswirkung risikoadäquater Versicherungsprämien

Wenn Versicherungsprämien risikogerecht berechnet würden, sodass Hausbesitzer in gefährdeten Gebieten auch deutlich höhere Prämien zahlen müssten, könnten sie eine Steuerungswirkung entfalten, argumentieren die Autoren weiter: „Neue Gebäude entstünden vermehrt in weniger bedrohten Gebieten. Die Eigentümer von Immobilien in Überflutungslagen würden sich außerdem stärker dafür einsetzen, dass staatliche Stellen den Hochwasserschutz zum Beispiel durch zusätzliche Überflutungsflächen und Rückbau von Flussbegradigungen verbessern“.

Dieses Argument ist insofern spitzfindig, weil andere Befürworter einer Elementar-Versicherungspflicht -etwa die Verbraucherzentralen- ja gerade darauf hoffen, dass durch diese Pflicht auch die Prämien in bedrohten Regionen deutlich sinken. Der Hintergedanke: Wird das Risiko auf mehr Schultern verteilt, wird es für Hausbesitzer in Hochrisiko-Zonen ebenfalls billiger.

Die Bedingung für die erhoffte Steuerungswirkung der ifo-Ökonomen wäre hingegen -im Gegenteil-, dass die Versicherer weiterhin deutlich höhere Prämien für bedrohte Regionen verlangen dürfen, ein Ausgleich folglich nicht stattfindet. Entsprechend warnen Fuest und Thum: eine Versicherungspflicht könne zum Bumerang werden, „wenn essenzielle Bestandteile einer solchen Versicherungslösung, vor allem die risikoabhängigen Prämien, im politischen Prozess verwässert werden. Die Debatten zur Versicherungspflicht in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Politik häufig Einheitsprämien favorisiert. Würde die Versicherungspflicht jedoch mit Einheitsprämien gekoppelt, wäre das Ergebnis noch schlechter als ohne Versicherung”.

Versicherungspflicht nur für Neubauten?

Letztendlich könnte das ifo-Modell sogar darauf hinauslaufen, dass Hausbesitzer in Risikogebieten noch mehr belastet werden als bisher. Das ist auch den Autoren bewusst. Sie schreiben: “Gegen eine Versicherungspflicht könnte man ferner einwenden, sie würde Eigentümer bereits bestehender Häuser, die sie womöglich erst kürzlich zu hohen Preisen gekauft haben, unzumutbar belasten. Ihre Immobilien könnten noch mehr an Wert verlieren, als dies durch die wachsenden Flutrisiken ohnehin schon der Fall ist. Um auf diese Gruppe Rücksicht zu nehmen, könnte die Politik die Pflichtversicherung auf neu errichtete Häuser beschränken.”

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Bleibt aber die Versicherungspflicht auf Neubauten beschränkt wie von den ifo-Ökonomen vorgeschlagen, könnte ein wichtiges Ziel der Pflichtversicherung verfehlt werden: nämlich, dass sich möglichst viele Immobilienbesitzer absichern. Das würde bei Altbauten auch die helfende Hand des Staates wieder auf den Plan rufen.