Berufsunfähigkeit: Frauen haben Nachholbedarf bei der Absicherung
Psychische Erkrankungen sind mittlerweile die häufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit. Der Anteil der Frauen, die deshalb berufsunfähig werden, ist höher als bei den Männern. Dennoch sind nur wenige Frauen abgesichert.
Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hat im Juli 2021 neue biometrische Rechnungsgrundlagen (BU-Tafeln) veröffentlicht. Dafür wurden Versichertendaten aus den Jahren 2011-2015 ausgewertet; insgesamt 59 Mio. Beobachtungsjahre, wie die DAV mitteilte. Zuletzt wurden diese Daten 1997 erhoben - in einer Zeit also, in der man sich noch mit 56k-Modem ins Internet einwählen musste, die DM noch anerkanntes Zahlungsmittel in Deutschland war und die Europäische Zentralbank (EZB) gerade gegründet wurde. Seitdem haben in vielen gesellschaftlichen Bereichen tiefgreifende Veränderungen stattgefunden. Am deutlichsten ist vielleicht der Wandel der Arbeitswelt. Denn immer weniger Personen sind in körperlich anstrengenden Berufen tätig. Zudem sinken generell die körperlichen Anforderungen in vielen Berufen. Das spiegelt sich den Zahlen. So sank bei Frauen und Männern über 40 Jahre die Wahrscheinlichkeit, berufsunfähig zu werden, bei weiblichen Versicherungsnehmern um 36 Prozent und bei männlichen um etwa 45 Prozent.
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Im Vergleich zur vorangegangenen Untersuchung vor zwanzig Jahren hat das Risiko, berufsunfähig zu werden, bei einer Gruppe deutlich zugenommen: Frauen haben bis zu ihrem 40. Geburtstag ein um über 30 Prozent erhöhtes BU-Risiko. „Denn in dieser Versichertengruppe sind laut Daten der Rentenversicherung erheblich mehr Schadenfälle aufgrund psychischer Erkrankungen festzustellen“, erläutert DAV-Vorstandsvorsitzende Dr. Herbert Schneidemann. Bei Männern gibt es hingegen in dieser Altersgruppe keine signifikanten Veränderungen.
Welche große Rolle psychischen Erkrankungen bestätigt auch eine Untersuchung von Morgen & Morgen. Insgesamt resultiert derzeit beinahe jeder dritte BU-Leistungsfall (31,88 Prozent) aus Erkrankungen wie Burn-out, Depressionen und Angststörungen. Noch vor zehn Jahren waren es nur circa 20 Prozent. Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates (20,33 Prozent) sowie Krebserkrankungen und andere bösartige Geschwülste (17,77 Prozent) stellen die zweit- beziehungsweise dritthäufigste Ursache dar. Anfang der 1990er-Jahre sah das noch anders aus. Hauptursache für Berufsunfähigkeit waren damals körperliche Gebrechen.
Ähnliche Zahlen liefert nun auch eine Auswertung der Swiss Life. Dazu hat der Versicherer seinen Bestand an Leistungsfällen ausgewertet. Demnach seien psychische Erkrankungen mittlerweile mit 37 Prozent die häufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit, also dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Berufsleben. Im Invalidenbestand der Swiss Life sei der Anteil der Frauen, die aufgrund psychischer Erkrankungen berufsunfähig wurden, mit 44 Prozent zudem deutlich höher als der entsprechende Anteil der Männer mit 28 Prozent.
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„Mittlerweile muss jeder vierte Berufstätige während seines Lebens die Erwerbstätigkeit einschränken oder sogar ganz aufgeben. Wer sich frühzeitig gegen das Risiko einer Berufsunfähigkeit absichert, handelt verantwortungsbewusst, um auch in schwierigen Zeiten finanziell selbstbestimmt leben zu können“, sagt Stefan Holzer, Leiter Versicherungsproduktion und Mitglied der Geschäftsleitung von Swiss Life Deutschland. Besonders Frauen hätten einen deutlichen Nachholbedarf bei der Absicherung ihrer Arbeitskraft. Das geht aus einer Umfrage der Swiss Life hervor. Demnach seien lediglich 12 Prozent der befragten Frauen abgesichert. Bei den Männern hätten immerhin 17 Prozent einen entsprechenden Schutz. „Zuversichtlich stimmt mich allerdings, dass für 83 Proeznt der befragten Frauen eine gute Beratung in Finanz- und Vorsorgefragen eine wichtige Rolle spielt. Deshalb begreife ich es als gesellschaftliche Aufgabe unserer Branche, Frauen für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren und mit ihnen gemeinsam Lösungen für ein selbstbestimmtes Leben zu finden“, kommentiert Holzer.