Wie zukunftsfest ist die Betriebsrente? In diese Debatte schaltet sich aktuell Hartmut Walz ein, Verhaltensökonom an der Hochschule Ludwigshafen und Aktivist in der Bürgerbewegung Finanzwende. Sein Blick auf die betriebliche Altersvorsorge fällt pessimistisch aus. In Zeiten niedriger Zinsen bedeute sie -je nach Zusageart- für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer ein Risiko, sofern Reformen ausbleiben.

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Nullzins für versicherungsbasierte Lösungen dramatisch

Seine Bedenken bringt der Ökonom in einem Interview mit der WirtschaftsWoche (Montag) vor. Walz geht davon aus, dass die „dauerhaft lockere Geldpolitik“ der Europäischen Zentralbank (EZB) unter Präsidentin Christine Lagarde anhalten wird. „Für alle kapitalgedeckten Altersvorsorgeformen — also beispielsweise Pensionsfonds und Pensionskassen — ist der Nullzins schlimm“, konstatiert der Professor. Besonders für versicherungsbasierte Lösungen sei die Situation dramatisch, „aufgrund hoher Kosten und restriktiver Regulierung“.

Walz führt die Ursachen nicht im Detail aus. Stark vereinfacht: Viele Betriebsrente-Zusagen wurden in einer Zeit gemacht, als die Versicherer und Pensionskassen noch einen deutlich höheren Zins mit ihren Kapitalanlagen erzielen konnten: teils damals waren sie schon optimistisch kalkuliert. Sie haben jetzt Probleme, diese Zusagen zu erwirtschaften. Sie müssen zudem das Gros der Garantien mit vermeintlich sicheren, festverzinslichen Anleihen absichern, das schreibt der Gesetzgeber vor. Also mit genau jenen Papieren, die aktuell am Kapitalmarkt kaum was einbringen oder gar negativ rentieren.

KMU haben oft nicht genug Rücklagen, um Garantien abzusichern

Auf die Frage, wie dramatisch die Situation für Versicherungs-Lösungen ist, gibt Walz zu bedenken, dass die mögliche Betriebsrente beträchtlich sinke. Wen das treffe, hänge von der Zusageart ab. „Stark vereinfacht gesagt: Hat der Arbeitgeber keine feste Betriebsrente oder eine Mindestrente zugesagt, haben die Arbeitnehmer das Problem. Sagt der Arbeitgeber jedoch eine Mindesthöhe zu, die nun durch den Ansparprozess nicht erreicht wird, so haftet er für die Differenz“, führt Walz aus. Die Lücke müsse er dann mit seinen Mitteln schließen.

Vor allem für den Mittelstand und kleinere Unternehmen könne die Zusage einer Mindestrente ein Problem bedeuten, warnt Walz. Manche Pensionskassen hätten ein Problem mit der steigenden Bezugsdauer lebenslanger Renten: und sich hierin verkalkuliert. Reiche der Kapitalstock aber nicht aus, hafte der Arbeitgeber für die Pensionszusagen, wenn die Pensionskasse in Schieflage gerät: und zwar lebenslang. Oft würden die Rücklagen der Firmen hierfür aber nicht ausreichen. Im Zweifel kann das die Existenz eines Unternehmens gefährden. Werde der Lebensversicherer insolvent, müsse der Arbeitgeber die Lücke schließen.

Kalkulierte Lebenserwartung: 130 Jahre?

Im Interview wird Walz anschließend darauf angesprochen, dass Arbeitgeber bei neueren Verträgen oft nur garantieren, einen bestimmten Beitrag zu zahlen. Wie hoch die spätere Rente sei, bleibe offen.

Auf welche Verträge das zutrifft, wird im Gespräch nicht direkt angesprochen. Unter anderem sind Lebensversicherer im Rahmen der beitragsorientierten Leistungszusage dazu übergegangen, Garantieniveaus bei Gruppenverträgen zu beschneiden: zum Beispiel die Allianz, die im bAV-Neugeschäft nur noch den Erhalt von 60, 80 oder 90 Prozent der eingezahlten Beiträge garantiert. Auch das Betriebsrentenstärkungsgesetz von 2018 sieht vor, die Arbeitgeber für die Höhe der Rente zu enthaften. Entsprechend dem Sozialpartnermodell können Firmen und Gewerkschaften eine Betriebsrente vereinbaren, bei der keinerlei Mindestleistung garantiert ist: weder durch den Arbeitgeber noch den Anbieter.

Hartmut Walz warnt nun im Handelsblatt: “Bei diesem Modell trägt der Betriebsrentner sowohl das Risiko schlechterer Erträge in der Nullzinswelt als auch das Risiko der höheren Lebenserwartung. Das heißt, die Renten schmelzen entsprechend stark ab“. Zudem erhebt er Vorwürfe in Richtung der Versicherer. Diese würden die Rente mit extrem hohen Lebenserwartungen kalkulieren - zum Nachteil der Versicherten. „130 Jahre ist keineswegs die Ausnahme“, sagt Walz. Während die Renten kleiner werden, sind die Sterblichkeitsgewinne der Versicherer umso größer, bemängelt er.

WirtschaftsWoche-Interviewer Martin Gehrt entschärft das Argument nachteiliger Kalkulation durch den Hinweis, dass 90 Prozent der Gewinne, die durch eine überhöht angesetzte Lebenserwartung entstünden, an die Versicherten zurückgegeben werden müssten. „Aber auch mit den übrigen zehn Prozent machen die Versicherer noch Millionen“, erwidert Walz. Die Betriebsrentner müssten mehr als 100 Jahre alt werden, um ihre Beiträge wieder reinzuholen, behauptet der Ökonom: allerdings ohne Verzinsung und Inflationsausgleich gerechnet. Sein Fazit: „Für die Arbeitnehmer sind solche Verträge ein Verlustgeschäft“.

Laufzeit der Betriebsrenten befristen

Die Versicherer hingegen argumentieren, dass sie bei niedrigeren Garantien mehr Geld in Aktien und Fonds anlegen können, wovon auch die Kundinnen und Kunden profitieren können. „Wenn Sie heute eine Bundesanleihe für 100 Euro kaufen, kriegen Sie in zehn Jahren 95 Euro zurück. Das zeigt, was an den Kapitalmärkten los ist. Wenn wir in einer solchen Phase eine vernünftige Altersvorsorge anbieten wollen, müssen wir uns Spielräume in der Kapitalanlage schaffen“, begründete Andreas Wimmer, Vorstandsvorsitzender der Allianz Leben, das niedrigere Garantieniveau der Neuverträge.

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Für gänzlich tot hält Kritiker Hartmut Walz die Betriebsrente ohnehin nicht: sofern Reformen erfolgen. "Wir brauchen neue, viel kostenärmere Vertragsformen sowie einfache und faire Bedingungen", mahnt er. Zudem sollte aus seiner Sicht die Betriebsrente befristet werden: bei 90 bis 100 Jahren. Dies sei möglich, weil die Anspruchsberechtigten ohnehin besser gestellt seien und Hochbetagte weniger Ausgaben hätten, etwa, weil sie weniger Reisen unternehmen könnten.