Joachim Zech ist Marketingleiter bei den Münchenern.die Bayerische„Der Markt wird weder leichter, noch größer“, sagt Joachim Zech (die Bayerische) und beschreibt damit die Herausforderung mittelständischer Versicherer im Ringen um Marktanteile im Leben- und Kranken-Segment. Aus Sicht von Zech könnten Spezialisierung und Internationalisierung einen Ausweg darstellen. Auch bei der Barmenia setzt man auf Wachstum. Das gelingt den Wuppertalern nun schon im sechsten Jahr in Folge - doch ein Selbstläufer ist das nicht.

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Es braucht neue Ansätze, um Wachstum zu erreichen - und diese Ansätze verfolgen die beiden Versicherer gemeinsam. Zunächst einmal im Feld der Beamtenvorsorge. Dort bieten die beiden Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mit ‚Einfach B‘ ein kombiniertes Produkt aus Krankenvoll- und Dienstunfähigkeitsversicherung für junge Beamte. Im Gespräch machen Heiko Scholz (Barmenia) und Joachim Zech (die Bayerische) klar, welche Erfolgsfaktoren dabei entscheidend sind:

Kein Umsatzdruck!

Heiko Scholz ist Hauptabteilungsleiter Marketing bei den Wuppertalern.Barmenia„Gab es in der Versicherungswirtschaft früher innerhalb von einem Jahr nicht die geforderte Zahl der Abschlüsse, war das Projekt gestorben. Das machen wir so nicht mehr“, beschreibt Zech die geänderte Vorgehensweise. Es gibt also keinerlei Umsatzdruck – stattdessen soll getestet, iteriert und verbessert werden. Und doch spielen Zahlen eine Rolle. So kann Heiko Scholz berichten, dass die Werte, die nach etwa zwei Monaten seit dem Launch der Webseite erreicht worden, besser sind, als wenn klassische Banner-Werbung geschaltet worden wäre. „Natürlich leben auch wir von Vertragsabschlüssen. Aber nicht die Masse entscheidet, sondern die Qualität“, so Scholz. Und das führt direkt zum nächsten Erfolgsfaktor:

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Die richtige Zielgruppe

Beamte gelten mitunter als anspruchsvolle Zielgruppe. Insbesondere Lehrern wird gern nachgesagt, dass sie die Bedingungen genauer lesen. „Wir pflegen seit Jahrzehnten gute Beziehungen zum bayerischen Lehrerverband“, sagt Joachim Zech. Die eigene Marke sei bei der Zielgruppe bekannt und schafft Umsätze im Haus, beschreibt Zech, was sein Kollege Scholz mit ‚Qualität der Verträge‘ gemeint hat. Auch für die Barmenia ist der Markt bekannt - und groß genug, um neue Arten der Kommunikation auszuprobieren. Etwa, um nur in bestimmten Regionen Deutschlands Beamte digital anzusprechen.

Das richtige ‚Testfeld‘

Im ersten Schritt steht ‚Einfach B‘ nur der Ausschließlichkeit beider Versicherer zur Verfügung. Das hat zwei einfache Gründe: Zum einen lässt sich die AO besser steuern. In diesem Fall nicht unbedingt zu Abschlüssen, sondern zu Feedback. Welche Fragen tauchten immer wieder auf? Welche Schritte liefen noch nicht reibungslos? Rückmeldungen der AO sollen dazu dienen, die eigenen Prozesse fortlaufend zu verbessern. Vereinfacht gesagt: Läuft es dann bei der AO, kann darüber nachgedacht werden, ‚Einfach B‘ auch für den Maklervertrieb zu öffnen.

Der zweite Grund: Beide Versicherer wollen einen zusätzlichen (digitalen) Kanal erschließen, um mit einer bekannten Zielgruppe in Kontakt zu treten. Die Markenposition beider Anbieter soll gestärkt werden - dafür eignen sich Makler nur bedingt, da sie zunächst sich selbst als Marke beim Kunden positionieren müssen. „Ausschließlichkeitsvermittler sind nun mal die Markenbotschafter von Versicherern“, so Heiko Scholz.

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Doch kommt es nicht spätestens bei der Frage, wem der Bestand gehört, zum Streit? Tatsächlich spielt beiden Partnern in die Hände, dass die Frage so neu nicht ist. Im Kranken-Bereich kann die AO der Bayerischen bereits Barmenia-Produkte verkaufen. Doch ohne den nächsten Erfolgsfaktor wäre eine solche Zusammenarbeit kaum möglich:

Vertrauen und die richtige Partnerschaft

Herzstück und ein Hauptziel der Kooperation im ersten Schritt: der gemeinsame Antrag für Krankenvoll- und Dienstunfähigkeitsversicherung. Wie macht man das, ohne dass die jeweiligen Rechnungsgrundlagen aufgegeben werden müssen? „Was für den DU-Versicherer eventuell noch akzeptabel ist, lehnen die KV-Spezialisten ab - da mussten die Leistungsbereiche aufeinander zugehen“, beschreibt Zech die Schwierigkeiten. „Wichtig ist: Wir wollen gemeinsame Lösungen schaffen. Und das Gemeinsame wird von den Vorständen auch gelebt“, gibt Scholz die Antwort. Für beide ist ‚Vertrauen‘ an dieser Stelle entscheidendes Schlüsselwort. „Vertrauen heißt auch, dass man dem Partner die Bühne überlassen kann“, so Scholz. Mit diesem Rezept habe man in sechs Wochen erreicht, was in sechs Monaten normal wäre, ist Zech stolz.

„Produktentwicklung ist Prozessgestaltung“

Heißt Digitalisierung für Versicherer also: schneller zum Vertragsabschluss zu kommen? „Ich würde Ihnen da gern widersprechen. Aber tatsächlich: Es ist vielfach so“, findet Scholz. „Ein Schaden-Formular zu digitalisieren, reicht eben nicht aus. Ein schlechter Prozess bleibt auch digital ein schlechter Prozess“, so Zech. Durch die Kooperation der beiden Versicherer haben Kunden im Leistungsfall Vorteile. Etwa beim Übergang zwischen Arbeits- und Dienstunfähigkeit, im Reha-Bereich und bei der Wiedereingliederung. „Produktentwicklung ist Prozessgestaltung“, sagt Zech. Dem Gestaltungswillen sind aber Grenzen gesetzt. Versicherer, die Gesundheitsdienstleister orchestrieren, arbeiten mit sensiblen, personenbezogenen Daten. Das gilt es mitzubedenken, damit der Datenschutz keine Misstöne erzeugt. Umso wichtiger ist bei Neuerungen in der Produktentwicklung die Frage, welche Daten tatsächlich gebraucht werden, um kalkulieren zu können.

Hamburger Modell: Nachahmer sind Mangelware

Bleibt, die beiden Versicherer mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl nach dem ‚politischen Risiko‘ ihrer Kooperation zu befragen. Was, wenn eine mögliche Rot-Rot-Grüne Regierung die politischen Weichen auf ‚Bürgerversicherung‘ stellt? Oder die Dienst- bzw. Berufsunfähigkeitsvorsorge (wieder) unter staatliche Obhut gerät?

Joachim Zech sieht das pragmatisch und plädiert dafür, die Zielgruppe im Auge zu behalten. „Fast jede politische Gruppierung will mehr Staatsbedienstete. Wie auch immer die Wahl also ausgehen wird: Die Aussage, dass es sich bei Beamten um eine wachsende Zielgruppe handelt, bleibt richtig.“

Auch Heiko Scholz zeigt sich eher entspannt. Das „Leben am Rande der Bürgerversicherung“ sei für ihn nichts neues. „Das duale System aus PKV und GKV hat seine Leistungsfähigkeit auch während der Pandemie unter Beweis gestellt und ist als Ganzes sehr, sehr wertvoll“, so Scholz. Vor der Einführung der ‚Einheitskasse‘ müssten auch verfassungsrechtliche Bedenken geklärt werden - vor allem hinsichtlich der etwa 300 Milliarden Euro Alterungsrückstellungen, die die PKVen für ihre Kunden angesammelt haben. Die schlichte ‚Überführung‘ dieser Gelder ins Alt-System käme einer Enteignung gleich und würde damit den im Grundgesetz verankerten Eigentumsschutz verletzen.

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Gerade mit Blick auf Beamte müsste die Frage erlaubt sein, so Scholz, ob das ‚Hamburger Modell‘ überhaupt das richtige sei. Nachahmer sind Mangelware, pflichtet Zech bei. Scholz und Zech sind sich in dieser Frage einig: Käme - allen Gegenargumenten zum Trotz - dennoch eine ‚Bürgerversicherung‘, würde die Umsetzung dauern. Diese Zeit könnten die Unternehmen nutzen, sich einzustellen und anzupassen. Sollte es also nötig werden, lassen sich die in der Kooperation gewonnenen Erkenntnisse sicher auch dafür nutzen.

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