"Zentral für faire Renten ist die Arbeitsmarktpolitik"
Versicherungsbote: Jeder fünfte Deutsche erreicht das Rentenalter nicht, so geht aus Zahlen der Deutschen Rentenversicherung hervor. Eine geringere Lebenserwartung korreliert mit niedrigen Einkommen, brüchiger Erwerbsbiographie und auch körperlich schweren Tätigkeiten. Zugleich erwarten ganze Branchen im Schnitt niedrige Renten: Unterdurchschnittliche Rentenansprüche werden zum Beispiel in der Altenpflege, im Einzelhandel und in der Landwirtschaft erwartet. Droht hier ein Gerechtigkeitsdefizit - wenn ja, wie kann gegengesteuert werden?
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Markus Kurth: Die Rente spiegelt das Erwerbsleben wider. Die Möglichkeiten, die dortigen sozialen Schieflagen über das Rentenrecht auszugleichen, sind deshalb zwar begrenzt, aber vorhanden: Die Grüne Garantierente ist eine unserer Antworten auf geringe Löhne und gebrochene Erwerbsbiographien. Jede und jeder erhält mit der Garantierente bereits nach dreißig Versicherungsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente oberhalb der Grundsicherung. Zeiten der Arbeitslosigkeit, der Pflege oder der Kindererziehung berücksichtigen wir dabei und erreichen so mehr Menschen als mit der Grundrente, und das unbürokratischer. Auch die schon angesprochene so genannte Mindestbeitragsbemessungsgrundlage kann einen Beitrag zum sozialen Ausgleich innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung leisten.
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Zentral ist die Arbeitsmarktpolitik: Wir wollen dafür sorgen, dass es für Beschäftigte faire Löhne und gesunde Arbeitsbedingungen gibt, dass die Arbeit gut ins Leben passt und Frauen für gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn wie Männer bekommen. Außerdem muss gute berufliche Weiterbildung für alle möglich sein. Leiharbeit, Minijobs und befristete Jobs wollen wir eindämmen. Ein wichtiger Hebel, um diese Ziele zu erreichen, ist die Stärkung der Tarifbindung.
Wie positioniert sich Ihre Partei zu einer Altersvorsorge-Pflicht für Selbstständige – und wie könnte diese gestaltet sein? Mindestens 700.000 Selbständige sorgen nicht für ihr Alter vor, so eine DIW-Studie. Dennoch haben diese Menschen im Alter Anrecht auf Grundsicherung und werden mit Steuergeldern aufgefangen.
Ich halte die Versicherungspflicht derjenigen Selbstständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung, die nicht anderweitig über eine Pflichtversicherung (z.B. ein berufsständiges Versorgungswerk) abgesichert sind, für einen elementaren und längst überfälligen Schritt. Schon heute wechseln Erwerbstätige im Laufe ihres Erwerbslebens zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Durch den Wandel der Arbeitswelt wird diese Tendenz zunehmen. Hier bietet die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenkasse Selbstständigen eine durchgängige, lückenlose Sicherung mit attraktiver Rendite und mit dem gesamten Leistungsspektrum der Rentenversicherung – das Selbstständige auch gegen Lebensrisiken, wie Krankheit, Pflegebedarf, Erwerbsminderung, Alter, Tod des Partners bzw. der Partnerin oder Auftragslosigkeit absichert. Ich halte dies für eine sehr sinnvolle und einfache Lösung.
Im Falle einer Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung würden derjenigen Selbstständigen, die dauerhaft nur geringe Beiträge einzahlen können, durch die Grundrente bzw. eine künftige Garantierente immerhin eine Mindestabsicherung bekommen. So würde auch der Schutz des Systems der sozialen Sicherung etwa Solo-Selbständige einschließen, mit wenigen Auftraggeberinnen und Auftraggebern und die sich häufig keinen ausreichenden Sozialschutz leisten können, damit die Verantwortung nicht auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verlagert wird.
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
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